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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

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Heft 12 (Dezember 1938)
DOI article:
Friese, Hans: Goethes Farbenlehre in der Kunstbetrachtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0251

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GMW zacbenlchre ln üer MnDetmchtung

Vcm ^Zans Friese-Gera

Vor eincm Menschenalter wurde der Vcrsuch, Goethes
Farbenlehre im Unterricht zu vcrwenden, cin bedächtiges
Ropsschütteln hervorgerufen habcn, bci dcn Vcrtrctern
der naturwiffenschaftlichen Fächer ebcnsosehr wie bei den
philologen. war doch der Band mit der „Farbenlehre"
in den älteren Gesamtausgaben der wcrke Goethes, wie
sie in den Bücherschränken unserer Väter und Großväter
standen, besonders gut erhaltcn, weil er nicht gelcscn war.
Wer hätte sich auch, ohne Fachkenner ;u sein, an den
„polemischen Leil" des werkes herangetraut! Heutc steht
es anders. Die wiffenschaftliche Bedeutung der Abschnitte,
die von den physiologischen Farben handeln, ist allgemein
ancrkannt. Ralischer in seiner Einleitung^ sagt, Goethe
sei mit diesem Teil der Urheber einer neuen wiffenschaft,

Gocthcs Farbcnlehre, das umfaffendste untcr seinen wcr-
ken, enthält ja auch noch ganz andere Dinge als optische
Untersuchungen. Erich Schmidt empfahl seinen Studenten
in Rolleg und Seminar dringend die Aneignung einzelner
Abschnitte aus dem „Didaktischen Teil", gan; besonders
warm aber die „Materialien zur Geschichte der Farben-
lehre", den ;. Teil des Gesamtwerkes (kurz: Geschichte der
Farhenlehre). Um wcitere Rreise an das dem deutschen
Volke fast unbekannte wcrk heranzulocken, druckte er in
seinem „Volksgoethe"- ein paar Stücke aus der Farben-
lehre ab. wer diese n Seiten gelesen hat, wird sich nicht
damit begnügen, cr wird weiter lesen. was findet sich da
nicht alles! Hier steht das berühmte, heute so oft zitiertc
wort, „daß die weltgeschichtc von Zeit zu Zeit umgc-

Aus: Adolf de Bluycker, plastischc Arbeit deutscher Iugend

nämlich der physiologischen Gptik, gewordcn. Gegen ^Zcw-
ton hat Goethe allerdings bis heute noch nicht rccht be-
koinmen. Seine Bchauptung, die These des große» Briten
von der Zusammcnsetzung des Lichtes aus Lichtarten von
verschiedcner Brechbarkeit sei falsch, vielmehr sei das
Licht unteilbar und die Farbe cntstehe aus einer wechsel-
ivirkung von Licht und Finstcrnis, von Hell und Dunkel:
diesc Behauptung hat sich seinen Hoffnungen zuwidcr
nicht durchgesetzt. Ammerhin aber beginnt man dem Dich-
ter zuzugestehen, er habe wenigstcns von scincm Stand-
punkt aus richtig geurteilt. ,Zans wohlbold, dem wir eine
Ausgabe des „Didaktischen Deiles" mit den von Goethc
selbst angescrtigten farbigen und Schwarz-weiß-Zeich-
nungen- vcrdanken, crklärt, der hcutigcn physik stehe
ein llrteil über Goethes Farbenlehre nicht ;u, da jcner
etwas gan; anderes gcwollt habe als die heutige Vlatur-
wiffenschaft. Das endgültige Urteil über dicse Fragcn
muß natürlich den Fachlcutcn vorbehalten blcibcn. Allein

schrieben werdcn müffe". Streckenweise weitet sich die Ge-
schichte der wissenschaft von dcn Farben aus ;u eincc
Geschichte dcr wiffenschaften und des Geistes überhaupt.
Aeder Religionslehrer sollte lcsen, was hicr über Glauben,
Unglauben und Aberglauben, odcr was über unscrn Re-
sormator Martin Luther gesagt wird. Großartig sind die
Ausführungen über platon und Aristotclcs. So crweist
sich Gocthes Farbenlehre bei tiefcrem Eindringen als cin
Buch, das den Vertretern aller Lehrfächer, und nicht zu
vcrgesscn: jedem von uns als Mcnschen, etwas ;u sagcn
hat. Den größten Nutzen abcr dürste das Fach daraus
ziehen, in dem die Farbe cine Hauptrolle spielt: die Runst-
betrachtung.

Lützeler hat vor kurzcm an cinem passcnd ausgcwähl-
ten Beispiel nachgewicsen, was die Farbe in der Malerei
bedeutct.^ Ein Selbstbildnis des altcn Rcmbrandt zcigt ein
ausgedunsenes, überaus häßlichcs Gcsicht. Erst die Betrach-
tung dcr Farben crschlicßt uns dcn Sinn des wcrkcs:
 
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