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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

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Heft 4 (April 1938)
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Parnitzke, Erich: Vom Bildgut in der Schule
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Bildwerklein des Volks-Schaffens als "Werkgut" für die Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0072

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§4

führen zum eignen Schaffen, wobei dann die ^lnregungen
vermeintlich voraussetzungslos aus dcm Naturerlebnis be-
zogen würden.

Wie aber — ist nicht in der ganzcn cigncn Ausbildung
das „Studium der Runst" stctcr Begleiter gcwesen, auch
wenn es „nur" im Aufnehmen und Mitcrlcben zeitgenössi-
scher werke in Sammlungen, Ausstellungen, Zeitschriften
usw. bestand, d. h. keine „besondere" lehrhafte Rahmung
erfuhr;

Dies kleine „nur" heißt aber — verglichen mit dcm Um-
gang andrec Menschen mit Bildwerken — ein so riesen-
großes Mehr an „Studium der Runst", daß darüber die
Meinung vom bloßen „^aturverhältnis" arg schrumpfen
muß. Denn auch „die Anderen" sehen ja zahllose Verhalte
cbenfalls mit „Bild-Augen", aber mit solchen, die jene
Allerweltsbanalität spiegeln, die uns aus den Auslagen

dcr Dausende von klcincn „Bilderlädcn" angrinst, vom
Gesicht der wcrkkunst dcs „klcinen Marktes" und also dcr
allermeisten wohnungcn gan; zu schweigen.

Soll heißen: der „Uiiigang mit guten Bildern" ist cine
unerläßliche und höchst bedeutsame Aufgabe, die uns ge-
setzt ist. Sie sollte die ganze Arbeit unsres schönen Gebic-
tes durchdringen.

wer stch irgend dcs crhcbenden Gefühls bewußt ist,
das durch das cmpfindende Auge den ganzen Menschen
beseelt, wenn er cchter werke ansichtig wird, wer sich je
„crhöht" fühlte beim Erfajsen wertvoller Runstschätze
wird nicht dcm Arrglauben huldigen, daß er die Schaffens-
kraft seiner Schüler abschwäche beim Hinführen ;u solchen
Schätzen; er wird im Gegenteil um die crzieherische Macht
beispielhafter wcrke wiffen und sic in jedcm Bctracht
nuyen!

Büöwerklein des Volks-Gchaffens als „werkgut" für die Gchule

Gawohl: für die Schule! Und eigentlich als Beschaffung
vor allen Bild-„wiedergaben". Denn hier handelt es sich
um originale Stücke, die uns wegen des volksmäßigen
Lharakters besonders nahe sein sollten. Seitdem wir nicht
mehr nur von „Zeichenunterricht" reden, sondern den grö-
ßeren Begriff eines Bildnerns meinen, hat sich schon
seit Iahren die Frage nach einer Erweiterung der Bild-
sammlung nach dem werkschaffen herüber crgeben.

warum fordern wic überhaupt ein Standgut an wert-
vollen Bildwerken für jede kleinste Schule; Einmal, um
die Schüler mit den Schätzen deutschen Dildschaffcns ver-
traut machen zu können, zum andern, um Leitbilder cchter
und wüchsiger Formung als probe auf den wert des
Selbstgeschaffenen zur Hand zu haben. Denn Echt paßt ;u
Echt und sei es noch so bescheidcn. Die Formel, die phrase,
das Schema und der manirierte Schlenker erscheinen dop-
pelt leer in solcher Plachbarschaft.

vloch haben nur wenige Schulen auch fiw die gestaltende
werkarbeit eine „quellenmäßige" Anschauungssammlung
von „werkgut", obwohl sie dabei genau so am platze ist,
wie das „Bildgut" beim gestaltenden Zeichnen. Der An-
fang liegt bei den werklein, die wir hier zeigen. Diese
Dinge sind ja viel mehr als „Spielzeug". Es sind volks-
eigne „plastiken" — beffer: Schnitzwerke — die gar nicht
alle als Spielzeug gemeint waren und bis auf einigc
robuste Ausnahmen auch nicht in die Hand von Rleinkin-
dcrn gehören, da sie unsinnig schnell zerstört wären. Uns
bedeuten sie im Schulzimmer eine lebendig ansprcchcndc
welt, bei der einem das Her; aufgehen kann, die von den
Rindern mit blanken Augen immer wieder angeschaut wird.
Uns bedeuten sie Zeugen einer noch stammesmäßig durch-
bluteten Volkskunst, die mehr als andre Delegc unmittcl-
bare „Volkskunde" vermitteln in jcdcm Zug: in der wun-
derbaren Geschloffenheit der wcrkgestalt, in dem zucht-
vollen, „steis-wackeren" Formgcpräge und in der kraftvoll
bodenständigen Farbigkeit, die stcts „stimmt". Und uns
bedeuten sie wiederum „proben" auf „Echtheit". Dcnn jcdc
wüchsige Schniyerei von Rinderhand kann dancbcn bc-
stehen, aber jede bloß „geschmackliche" Mache, gar einc
kalte Ronstruktion, fallcn unweigerlich durch. Dicse wüch-
sigen werklein sind überdies proben auf die ganze Rlein-
wclt des sog. Runstgewerblichen Marktes mit seincn „Stil"-
puppen und seiner vermeintlichen Spielzcug- und Auch-
Fest-Gestaltung. wir meincn mit dieser probe natürlich
kcine Feststellung auf äußcrliche Gleichheit, sondcrn „nur"
dcn wesentlichcn Erwcis des „inncrcn Lcbens", dcs wuch-
scs, dcr wärme, dcr wirklichcn Schaffenshaltung. Andcs
ist dics „Nur" ja cinc gan; entscheidende Angclcgenheit.
Das zeigt sich am dcutlichstcn angcsichts dcr allzuviclen
Erzcugniffe, dic leichthin im Ladcn als „Volkskunst" be-

zeichnet wcrden, tatsächlich aber nicht im geringsten Geist
dieses Geistes sind. Es ist unschwer möglich, ;u vielen der
hier empfohlenen Stücke „Gegenbeispiele" ;u sammeln;
und es ist sogar nötig, wenn man das Urteil der Schüler
schärfen will. —

Ferner sei darauf hingewiesen, daß nicht wenige der Bei-
spiele auch dienen können, um werklich davon ;u lernen,
um daher Anregungen zu empfangen ;u ähnlichen oder
anderen Bauformen. Das gilt besonders v»n den bewcg-
lichen Stücken. Diese Pkutzung ist der drittwichtige Grund,
weshalb wir wünschen, daß eine Anzahl solcher werklein
den weg in jede Schule nehmen. Für den preis von
nur zwei großen Farbdrucken kann man die
ganze Sammlung auf unserem Bilde erwcr-
ben! Ich kann versichern, daß sie mehr bctrachtet und
ausgewertet wird als die allermeisten Bildwiedcrgaben, da
sie in jedem Bctracht „wirklicher" ist.

Der vierte Grund liegt bei dem Dienst, dcn wic den
Verfertigern erweisen könncn, wenn wir überall in Stadt
und Land dieses Bildgut in unsre Schulen nehmen. w i r
tun ein Gutes, wenn wir diese Heimarbeit
untcrstützen und wir tun es doppclt, wenn wir nur
dic beispielhaften Dinge fordern und damit die Grosjisten-
und Händler-Aufträge an dieselbcn Volksgenoffen auf
schlcchte „blouvesutes" und „moderne Dcssins" für den ver-
meintlichen publikumsgcschmack abdroffcln helfen.

Es ist allemal ein besonderer Lohn, wcnn dann auch
Schüler kommen und fragen, ob sie dies odcr das selbcr
haben könnten für sich ;u Haus. Gcnau wic cs einc
2lufgabe ist, den Schülern ;u sagcn, wo sie gutc graphischc
wiedergaben sich besorgen könncn und ;u welchen prcisen,
ist cs hicr gcgeben, dafür ;u sorgcn, daß die werklein
nicht als Sammlungsstückc hintcrm Glas dcs Schulschran-
kcs blcibcn, sondern in die Häuser kommen und dort viel-
lcicht das erste Stück werden, das dazu vcrpflichtct, mit
sämtlichem Nippes-Trödcl auf der Rommode aufzuräumen.
Ein Student, der sich einige Dingc selbcr hatte komincn
laffen, crklärte spätcr: „allcs andre mußte davor in mci-
ncr Bude wcichen. Es ist cin Maßstab, der cs in sich hat".

Man sollte auch stcts dicse wcrklcin mit cinsetzen, wcnn
Lcistungspreise oder prämien und Gcwinnc bci Schulfeiern
;u bcdcnken sind.

Daß nicht wcnige Stücke als tüchtige und in jcdem Bc-
tracht cinwandfreie Spiclzcuge ins Aindcrzimmer gehörcn,
verstcht sich von sclbcr. wollte Gott, wir hätten wicdcr
den Stand solchcr gestalthaft wüchsigcn Dingc in jedcm
klcinen Laden, nachdcm cs hcute noch „umgekchrt" ist
iind man auf die gan; wenigcn vczugsstellcn im Rcich
cigens hinwciscn muß!
 
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