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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

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Heft 6 (Juni 1938)
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Vom Sinn meiner Arbeit: aus einem Gespräch mit Professor Franz Cizek - aufgezeichnet durch Josef Ettel
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0125

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11Ü

Wachstumsresultaten wärc dies niemals möglich gewesen;
dcnn sie taugen weder sür publikationszwecke, noch als
Handhaben sur inethodische Rnifse in der Schule.

Diese publizierten tTlebenerfolge meiner Rlaffe
drangen leider bis in die Schulstube vor. Ein großer päda»
gogischer Mißgrisf! Nach diesen Nebenerfolgen wird lei-
der meine Rlaffe irrtümlicherweise vielfach beurteilt und
gcwertet. Dadurch entsteht ein gan; falsches Lild von mei-
nen Bestrebungen. Daher richtete ich seit jeher an die
Gcffentlichkeit die crnste Mahnung, zuerst mit aller Gründ-
lichkeit in die ursprüngliche Natur, d. h. in die psy-
chische wesenheit der Rinderleistung ein-
zudringen und diese als grundlegend kennenzu-
l c r n e n.

Der Gestaltungsvorgang wurzelt in einem Form-Erleb-
nis (unterbcwußt) und führt über das Lorm-Erkennen (be-
wußt) zum Form-Gestalten (höchstes Bewußtsein). Die
cigentliche Form-Gestaltung ist kosmischer Natur und voll-
zicht sich nach ewigcn «vrdnungsgesetzcn, die sich in dcr
gcstalteten Form in bestimmten Merkmalen widerspiegeln.
Diese Merkmale tragen stets vermöge der Blut- und
Boden-Gebundenheit jedes Menschen r a s sische Färbung.
Beim Gestalten wirkt somit dec ganze Mensch, d. h.
Blut, Secle und Geist. Dcr geistige Anteil crhcbt das Ge-

staltcn über bloße willkür, Spiclcrei und phantastcrci
hinaus.

Ach wollte niemals „Rünstler" heranbildcn, sondern ver-
folgte die Absicht, eine volkstümliche Runster-
; iehung auf; ubauen, die ;wcierlei Aufgaben ;u cr-
füllcn vermagi

1-Das Dolk selbst schöpserisch ;u er;ichen und

r. cinen geistigc» Ronsumentcnnachwuchs sichcr;ustellen,
wobei ich unter „Ronsumcnt" jencn Menschen verstehe,
dcr ein Runstwerk nachfühlcn und deffen gcistigen Gehalt
crkennen kann. Nun vermag jcder Mensch nur so vicl von
Runst nach;ufühlen und ;u verstehcn, als er sich sclbst -
tätig crarbeitet hat. Dahcr hängt dic Ronsumrn-
tcnbildung aufs Annigste mit der Ausbildung und Bc-
treuung dcr schöpferischen Rräfte ;usammcn. Diesc wichtige
Datsache müßtc sich jedcr Lehrer und Er;ichcr jcdcr;cit
ins Bewußtsein rufcn.

Diese Ucbcrlcgungen bcstimmtcn mich, die Rinder in
möglichst viclen werkstoffen und werkverfahrcn schaffen
;u laffcn; dcnn dcr Mensch ist mir als „Zeichner" nicht
gcnug. Ich sehe Gestaltung in den vcrschie-
densten Tcchnikcn immcr als Gan;cs, als
E i n h e i t. Zcichnen allein ist unzulänglich, oft sogar ver-
derblich.

Beim Gestaltcn vcrmögen die Rindcr durchaus heimisch
;u wcrdcn in ciner Ebcnc, in dcr die schöpfcrische Volks-

kunst in früheren Epochen wirksam wurdc. Ich will kcine
Neuerweckung alter Volkskunst, die unter gan; an-
dcren wirtschaftlichen und sosialcn Verhältnissen lcbcn
konnte, sondern die Bildung des Volkes, um durch
Selbsterarbeitung künstlerischer Bestände bcfähigt ;u scin,
jedem werkstück ein gewiffcs künstlcrisches Gepräge, eine
güwiffe künstlerische Gualität ;u geben. Die Erfüllung die-
ser Möglichkeit könnte ;ugleich eine ungeheure wirtschaft-
liche Bedeutung für die gesamte völkische produktion ge-
winnen. wird diese durch Allerweltsmuster völlig erstickt,
die ebenso in Ranada oder Australien entstehen könntcn,
dann gibt es überhaupt keine völkische produktion mehr!
Männer der wirtschaft müffcn herbei, um diese wichtige
Frage wirtschaftlich durch;udenken.

Die Runst, die aus dem Rinde organisch wächst, kann
niemals entartet sein. Dcnn sie gcdeiht aus Dlut und
Boden. Es wäre ein großer Arrtum, diese „primitive"
2lusdrucksform des Rindes, diese im kindlichen Bilde er-
kennbaren Etappen des geistigen wachstums als „ent-
artet" an;usprechen oder sie mit entarteter Runst dcr Er-
wachsenen irgendwie ;u vergleichen. Gewiß, jeder Miß-
brauch dieser echten kindlichen Runst durch Erwachsene
bedeutet Entartung und ist ;u bekämpfen. Doch muß man
dieses Transponieren der Rinderkunst in das Gebiet der

r. M. S. A. Auf dem Eise; Erdfarben. 50 :50 cm

Erwachsenenkunst wohl unterscheidcn von der Laicn- und
üicbhabcrkunst. Hierbei nämlich handclt cs sich um ein gc-
wiffes Bewahren „einfältiger" Ausdrucksformen, aber auch
um ein Erstarren darin mangels geistiger Weitcrcntwick-
lung. während aber die Runst des Rindcs jeder;eit in sich
stimmt, tritt bei der Laicn- und Dilettantcnkunst meist dic
Uebernahme von konventionell-erschcinungsgemäßen Form-
beständen hin;u, wodurch die Stilreinhcit, mithin dic
künstlerische Gualität gan; in die Brüche geht. Aus dic-
scm Grunde erwarte ich von cincr Fördcrung dcr Laicn-
und Dilettantenkunst nicht vicl, dagcgen alles von ciner
Runstcr.siehung, die cine stctige Fortführung der Runst
dcs Rindes ist, wobei dic Augcndlichen und Erwachsenen
vor allcm im werkschaffen ;u fördcrn wären.

Noch ein wort ;u der „Fortführung". Die Runst dcs
Rindes ist gewiß als unbckümmcrt treibcndc Rraft, die
sich ebcn naiv auswirkt, auf das Rindhcitsalter beschränkt.
Das ist aber noch nicht gleichbcdcutcnd mit „cincm Ver-
sicgen der schöpfcrischen Rräfte" nach dcm 14. Lcbensjahr.
Man muß sich nur darüber im klarcn sein, daß es aller-
dings nicht möglich ist, dann dcn All-Bildetricb im Gan-
;cn fort;uführcn. Es würdc das ja bcdcutcn, daß sich allc
Augendlichcn ;ur bcsondcrcn Hölie der Bildkunst fuhrcn
ließen, was bckanntlich vergcbliches Unterfangen blciben
muß. Hicr ist für dic wcnigcn Fälle dcs großcn Riinstlcr-
tums das Erbgut cntschcidcnd. Andes kommt cs uns dar-
 
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