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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

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Heft 6 (Juni 1938)
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Ettel, Josef: Bildnerische Erziehung auf der Mittelstufe: (10. bis 14. Lebensjahr)
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0131

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-rr

M. ir. I. Ruche — Uebung im räumlichen Gestalten.
;s cm breit,

Briickcn sind, dic man nicht abbrcchen darf, ist fur uns
jencr Bcgriff dcs „Modclls" und der festen Regeln nicht
mehr haltbar.

Gan; im Gegensatz ;u einer 2luswahl von Themen, die
gewiffe Grundkörper „einkleideten", muß es uns daraüf
ankommcn, das vordem naive Verhältnis der Schüler ;um
„naturgcmäßen" Bild (d. h. ;u der ihrer gcistigen llZatur
gemäßen Bildsprache) dadurch ;u erhalten, daß auch
weiterhin die Bild;eichen als anschauliche Formung belebt
bleiben (und eben nunmehr gestalthaft, als Gestaltung an-
schaulich verstanden werden).

Anders gesagt: auch jetzt gilt die wertung: wüchsig,
crfüllt, einheitlich, und cs gilt nicht der banale Bcgriff
des bloß „Richtigen" oder „Falschen". Hierin rccht führen
;u können, das sctzt beim Lehrcr qucllenmäßigcs Urteils-
vcrmögen voraus, geschult an der erfüllbaren Schülerlci-
stung und an Belegen aus der angemessenen Schicht des
volkstümlichen Bild- und werkschaffens. „Form" muß
ihm die geschaffene, die „geschöpfte", d. h. aus der Erkennt-
nis des Geistes über die sinnenhaft erlebte welt geborene
Gcstalt sein. Sie ist nicht mit kalter Systematik lehrbar,
sondern will in gärtnerischer Pflege der „geistigen Ulatur"
abgewonnen werdcn. Sie wächst wie alles Grganische von
innen nach außen, kann deswegen nicht von außen nach
innen ;um „Nachmachen" aufgegeben werden. Das bildne-
rische Arbeiten ist dcswegen in viel höherem Maße, als
meist angenommen wird, ein wichtigster prüfstein für cr-
;ieherische Haltung überhaupt, d. h. für eine Haltung, die
den schöpfcrischcn Menschcn im 2luge hat, der an jeder
Stclle seine Aufgabc ccht an;upackcn vcrmag. Gestaltung
— das ist ein lebensnotwendiger Begriff.

wir brauchen den aufgeschloffcncn Latmcnschen, nicht
dcn lTlachäffer, dcn Nachahmer, den Menschen mit brüchi-
gcm Bildungsfirnis, der seinc eigne Natur verloren hat.

wcnn dcr Führcr erklärt („Mein Rampf"), daß er
„fcst daran glaubt, daß im allgemeinen sämtliche schöpfe-
rischcn Gedankcn schon in dcr Augend grundsätzlich erschei-
nen, sofern solche überhaupt vorhanden sind", dann fühlcn
wir uns als dcutsche Ersicher verpflichtct, dicse schöpfe-
rischen 2lnlagen der Iugend ;u fördern und für den
Lcbcnskampf in rechter Art aus;ubilden.

Dic bildncrischen Rräfte werden nicht durch wissen und
üchre freigcmacht, sondern nur durch die Tat selbst, durch
das schaffende Tun, das dic Gestalt wüchsig aus den Grün-
dcn dcr Seelc erstchen läßt. Mag unserc Bemühung dar-
u,n den Matcrialistcn noch so lächerlich und unmöglich cr-
schcinen, dcm deutschen Ersieher bedcutet sie eine Sclbst-
verständlichkcit der Rugcnd und damit eine Dcrpflichtung
dem Dolke gcgcnüber.

Um die Fragc: „wie kommen wir aus eincm unerhör-
ten Runstverfall lieraus ;ur cchtcn und wicdcr volksvcr-

bundenen Runst?" ist in dcn letzten Rahr;ehnten leiden-
schastlich gerungen worden. Es ging sowohl um den einen
Widersacher jcder Runst: den platten Naturalismus, der
völlig geistlos war, wie später um den andern: den wilden
Eppressionismus, der sich geistvoll gebärdete, aber Artistik
blieb oder sonst lebens- und volkssremdcn Ideologicn ver-
bunden war. Lei uns in Dcutsch-Desterreich war cs
namcntlich Fran; Li;ck, der als Erster vor 50 Aahren den
weg wies, wie wir von den Rindern lernen könnten, was
wuchs und Gestalt wäre und welche Aufgabe darin läge,
die Runstkräfte bei ihrer natürlichcn Geburt in rechte
pflege ;u nehmen. wir müffen nur leider feststcllen, daß
hcute — nach 50 Aahren — diese Einsicht noch längst nicht
Gemeingut aller Er;ieher geworden ist.

Noch lächeln manche Er;icher, wenn von „Runst" in
Vcrbindung mit dem Schul;eichnen die Rede ist: die Runst
finge doch erst soo hoch oben an, wie könne man bei
Schülerarbeiten davon sprechen. Diese Er;ieher inögen
rccht haben, wenn sie an gewisse rein darstellerische The-
men denken. Sie irren gewaltig, wenn sie das freie Gestal-
ten inißtrauisch bciseitesetzen. Gerade dies Gestalten ist das
er;ieherisch wertvolle, wcil es dem gan;en Leben dient
und echter Bildung. Bei uns ist es so, daß noch viele Leh-
rer das Echte und wüchsige in den Schülerarbeiten nicht
;u sehen und ;u schätzen vermögen, weil sie ein völlig star-
res Lild von „richtigem Zeichncn" haben und meinen, die
Schüler seien deswegen unschöpferisch, weil sie dem Er-
wachsenen-Zeichnen halt nicht gewachsen wären. Um so
mehr werden dann Spitzen- und Virtuosen- und wundcr-
leistungen bestaunt (man denke an den Rult um Roswitha
Litterlich) und als Vorbild genommen. Formeln, Typen
und Schemata werden den Schülern als Zipfel und Rrückcn
gcreicht, damit sie ja bald „richtig" laufen lerncn. Rüm-
merliche Nachahmungcn solcher Hilfen sind die Folgen. Die
bescheidene Eigen-Rraft wird abgedroffelt und taucht unter
in Ergebniffen, die weder so noch so befriedigen könncn. —
was daher iininer wieder nottut, ist Schulung der Lehrer
selbcr im rechten Deurtcilen der wirklichen Leistung, im
rechten Erfaffen der künstlerischen Gesetzinäßigkeiten, im
Blick für die Lebenswerte der gewachsenen Gestalt, aus
denen der gan;e Mensch mit Her; und Blut spricht, un-
verbogen und unverfälscht, im Sehendwerden für die „ge-
prägte Form, die lebend sich entwickelt" und deshalb keincn
Allerweltsmaßstab von richtig und falsch verträgt, sondcrn
gut und a,n Ziele sein kann in jcdem Lebensaltcr und jc-
dcm Stand der geistigen Reife.

Es ist für den Er;ieher, der eine Rlaffe übernimint, die
bildnerisch „lahin liegt", eine gewiffe Rrankenpflcge nötig,
um Gefühl und 2luge folcher Schüler auf;umuntern und-
frei ;u beköinmen.

lN. i; A. Volkstrachtcn — frcie 2lrbeit nach Besuch dcs
Volkskundcmuscumö. cni brcit.
 
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