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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

DOI issue:
Heft 11 (November 1938)
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Seidel, Heinrich Wilhelm Rudolf: Erzgebirgliche Feierabendkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0216

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ErMbirglsche Membmökunst

Von ^einrich Seidel-Lockwa

In einem der „Runst und Iugend"-Hefte las ich einmal
einen Satz etwa folgenden Inhalts: „wo in Deutschland
wird heute noch geschnitzt, ohne daß das Schnitzen berufs-
mäßig ist und zum Erwerb des Lebeüsunterhaltes dient."
Das ist mir ein Beweis dafür, daß die große erzgebirgische
Feierabendkunst noch wenig bekannt ist, obwohl dooo Men-
schen in Sachsen sich ;u dieser Runst bekenncn: ;ooo von
ihnen sind zusammengeschloffen in der NS.-Gemeinschaft
„Rraft durch Freude". vlicht enthalten in diesen Zahlen
sind die Schnitzer, die auf dem Südabhange des Erzgebir-
ges, im Sudetengau wohnen, so daß man die Zahl der
gchnitzer mit etwa 7000 angeben kann. Diese Leute sind
Feierabendschnitzer, das will sagen, daß sie nach voll-

Rauin, der für zwanzig personen berechnet ist, bis ;u
vierzig personen saßen. Eng beieinander um den Disch,
auf dcr Gfenbank, auf hereingetragenen Stühlen waren
sie gedrängt und schnitzten und schwitzten. Rann es einen
schöneren Beweis für die Lebenskraft einer Rnnst geben;

Diese Feierabendkunst ist nun vielgestaltig und reich-
haltig. Fragen wir nach dem Ursprung, so müffen wir eine
wurzel nennen, die heute noch außerordentlich lebensfähig
ist und eine Zielrichtung, die das Brauchtum ciner Iahres-
;eit bestimmt. Die wurzel ist das Bergmannstum, ist das
Volkstum des Erzbergmanns, der einst die ehernen
Schätze des Gebirges ;u heben hatte. Dieser Bergmann mit
seinem reichen Brauchtum hat diese Runst im Gebirgc

Abb. 1. Erzgebirgischer
Engel aus altcr Zeit.

brachtem Dagewerk das Schnitzmesser in die Hand nehmen.
Man muß schon mit den Dingen und Lcuten vcrtraut sein,
um ;u erkennen, wieviel Liebe und wieviel Zeit und Ernst
auf diese Runst verwendet wird. So mancher Schnitzer sitzt
bis Mitternacht und länger am Lindenklotz, um ihin Ge-
stalt und Leben zu geben. Ist diese, man künnte fast sagcn
Leidenschaft nicht ein schöncs Zcichen für die volkskunst;

Als man in diesem Sommer in Schneeberg dic Gau-
schnitzschule cröffnete, da fürchtete Bk. Thost, der Gau-
obmann der Schnitzer, daß von diesem eigencn und mit-
unter auch eigenwilligen Völkchen der Schnitzcr nicht ge-
nug nach Schnceberg kommen kännten. Dcnn dic Fragc für
ihn lautete: „wollcn die Schnitzer noch ctwas lerncin" Be-
rcchtigt waren diesc Bedcnken, denn manchcr Schnitzer hat
sich in den Glauben hineingclebt, er könne allcs und sei
fertig. Er mußte das glatte Gcgcnteil erlcbcn. Ich war
bis jeyt ;u drci Rursen und mußte feststellen, daß in dem

gcschaffen und bergmännisch ist die Runst auch heute noch.
Dic Gcstalt dcs Bergmanns war symbolisch vor ;oo Iah-
ren und ist es heute noch. In dcr sogenannten Gründer-
zcit, als die Volkskunst allenthalben in Dcutschland zurück-
trat, weil billige Markt- und Maffenware sie vcrdrängtc,
da setztc sich dicsc Volkskunst im Gebirge noch inchr als
vordem durch. Es kam die Zeit, da sich dic Schnitzcr ;u
Gcmcinschaftcn zusammcnfanden.

Der Bergmann wac cs, der das Lcbcn dcs Gcbirges
bcstimmtc und ihm mit scinem Brauchtum Form und In-
halt gab. In dcn laiigcn winterabciidcii nun konntc dcc
Bcrgmanii nicht untätig scin und cr begann ;u schnitzcn.
was er schnitzte, war cc selbst in seiner Festtracht. Er
schnitzte eincn Lichtträyer, um die laiigcn wintcrabeiidc
;u crhellcn und das Fcst dcr finstercn Iahrcshälfte feier-
liäier ;u gcstalten. So cntstand der Bergmann als
'lühtträger und geii'aiin svmbolischc Bcdeutiing. Zu-
 
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