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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

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Heft 11 (November 1938)
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Seidel, Heinrich Wilhelm Rudolf: Erzgebirgliche Feierabendkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0219

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1§5

stehens;u einem Rulturmittelpunkt geworden. Allwöchent-
lich findcn hier wochenendkurse statt. Schon bei der Be-
schaffung der Inneneinrichtung war man richtungweisend.
Man ließ sich von dem Gedanken leiten, eine gediegene
Einrichtung aus nur heimischen werkstoffen ;u erstellen.
Was man erreichte, war, daß der Grtsfremde sich in die-
scm Raum sehr bald heimlich und heimisch fühlt. So
wurde ein Beispiel bodenständiger wohnkultur gegeben
und für des Schnitzers Schaffen der rechte Raum gestaltet.
Nicht unerwähnt soll bleiben, daß man die Türen in
Rammtechnik ausführte, die auch heute noch von beruf-
licher Seite ;ur Vortäuschung einer ,Aol;maserung ver.
wendet wird. Hiev hat man mit Hilfe dieser Technik eine
Fläche durch Motive der Volkskunst aufgegliedert, und da-
niit den Anstrich als solchcn betont.

Was will nun diese Schnitzschule;

Natürlich will sie Rönnen, technischen Fortschritt und
Fertigkeir vermitteln, soweit das bei der RUr;e der Zeit
möglich ist. 2lber sie will mehr geben. Freilich kann
sie nicht geben, was Menschenanlagc ist, die künstlerische
Befähigung, aber sie kann manchem ideell helfen.

Den meisten Schnitzern fehlt ein wesentliches Moment,
die Selbstkritik, d. h. in diesem Falle die Rritik seiner per-
son und seiner. Arbeit. Ihm fehlt auch meist die Beurtei-
lung seines Rönnens. Leuchtend vor ihm, in erstrebens-
werter, oft unerreichbarer Höhe steht die Leistung der
Meister, die fast jeder kennt. In vielen Fällen sucht er die
Leistung mit einfachen Mitteln ;u erreichen. Das Ergbnis
ist dann, wir sagen es offen, entmutigend. Der große wurf
ist eben nur sür den Meister. Aber die vielen, die eine ge-
sunde volkskünstlerische Begabung haben, sollen durch ihre
Arbeit und Mühe auch ;u befriedigenden Leistungen kom-
men. Auch der technisch wenig gewandte, und auch der,
der erst kur;e Zeit schnitzt, soll Erfolge haben und soll sich
Aufgaben suchen, die seinem Rönnen entsprechen. Auch
kleine werke können Seele haben und Erlebniswerte ver-
mitteln. Denn auch bescheidene Arbeiten, oder gerade diese
können Gestaltgebung seelischer Erlebnisse sein. Das „Has-
chen" von wetzel, Lhalheim, kann hier als Vorbild dienen.
Freilich ist es die Arbeit eines Meisters, aber darauf
kommt es hier nicht an, das Thema ist so einfach, aber
her;lich und innig, daß ;ur Gestaltung keine technische
Meisterschaft, aber ein gesundes Erleben nötig ist.

Aufklärung nach dieser Richtung ist notwendig und so
hat Dhost hier eine Stelle, wo er den Schnitzer im klei-
nen Rreise aufklären kann, wo er ihm mehr oder weniger
deutlich sagen kann, welche Arbeiten seiner Begabung und
seinem Rönnen ;ustehen und entsprechen. So wird Fehl-
griff und Ritsch bekämpft, der sich vor allem durch Rino
n. ä. einschleicht und die Volkskunst ;u verbiegen droht.
Hier findet die Rlärung statt, die heute eine pflcge der
echten Volkskunst finden muß. So geyr von dieser Stätte
eine Richtung aus, die manchem Strebenden recht willkom-
men sein wird. Eine Arbeit, die als vorbildlich ange«
sehen werden kann, sei hier wiedergegeben. Sie stammt von
paul Ullmann, Stollberg (Bild 5). Der Stülpner Rarl
ist der Volksheld des Er;gebirges. Ein Sohn des wal-
des, war er bei der Behörde als Räuber verschrien, doch
man konnte ihn nicht haschen, obwohl ein hoher Ropf-
preis auf ihn ausgesetzt war. Aus nicht verwendctcr
Leidenschaft war hier ein Feind der staatlichen Forst-
verwaltung geworden. 2lls Freund der 2lrmen und auch
der Bedrängten war er weit bekannt. viele Sagen woben
sich um ihn. Noch heute ist die Gestalt lebcndig im
Volke und ein stramiises Rind, dem man wohl will,
be;cichnet man gcrn als Stülpner. Dieser Rerl, ich kenne
kein ;eitgenössisches Bild von ihm, muß cin vicrschrötiger
Aerl gewescn sein, der wachsamcn Auges durch die wclt
schritt, ein Frcund der Tiere und ein Freund der Arnien.
^hn recht und echt ;u gestalten, kann nic eine Aufgabe

der hohen Runst sein. Ullmann hat die Form gefunden,
urwüchsig, breitbeinig, auf seine waffe gestützt hält er
Ausschau nach Verfolgern. Mit der anderen Hand schützt
er das Reh, das Tier des waldes, mit dem ihn seine
starke Urwüchsigkeit verbindet. Diese Arbeit kann dem
Schnitzer, dem gesunden Volkskünstler als Vorbild dienen.
Leider ist auf dem Lichtbild, das mir Ullmann freund-
licherweife ;ur Verfügung stellt, der schöne symmetrische
Ausbau nicht voll ;u crkennen. Ein ebenso kerniger, ge-
sunder wurf volkskünstlerischer Bildnerei ist der „Schnit-
;ersmann".

was bedeutet nun die Feierabendkunst
für unser kunster;ieherisches Schaffen und
Streben;

Sie ist der Iungbrunnen, in dem wir untertauchen soll-
ten, aus dem wir trinken sollten. Hier ist der Schatz ;u
Dage gefördert, den wir uns ;u heben mühen. Dieses Lun
ist lebensvoll und warm, weil es aus der Seele des Men-
schen kommt. Das Her; drängt nach Ausdruck, die Technik
ist untertan. wir müffen anstreben, daß auch in unserem
werklichen Dun in der Schulstube das Her; mitschwingt.
wir müffen das Gemüt reden laffen, dann wird unser Tun
Ausdruck, Gestaltung. Die Feierabendkunst kann uns wege
ünd winkc geben.

Abb. 5. „Stülpner Rarl", von paul Ullmann, Stollberg.

2lnmerkung der S ch r i f t l e i t u n g:

Der Verfaffer hatte seinem Aufsatz cinc weit größcrc
Zahl von Bildbelegen beigegeben, als hicr ;u vcröffent-
lichen möglich war. An einigen Fällen konnte um so leich-
tcr darauf ver;ichtet werden, als „Runst und Augend"
bei^eits frühdj: Rcproduktionen solchcr werke (Bcrgmann
und Engei) gcbracht hat und in den Ictztcn Aahrcn in den
verschiedensten Zeitschriften gcradc dicse typischcn Bei«
spiele cr;gcbirgischcr Schnitzkunst immer iviedcr ge;eigt
wurdcn. B.
 
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