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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI Heft:
1./2. Septemberheft
DOI Artikel:
Bode, Wilhelm von: Die "Rembrandt-Forschung" in Gefahr?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0009

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7ahrgang xQ23

Herausgcber:

Adolph Donafh

1/2. Septemberheft I

Dte ,Rembvandt-poüßbung" tn 0efabt?2

ÜOtl

ID. o* Bode

len neuen Errungenschaften der Wissenschaft folgt
auf dem Fuße die „Kritik“ dagegen; zunnächst
von den Anhängern des Alten, den durch die neuen
Forschungen Gefahr droht, dann durch jugendliche
Übereiferer, die ihre Selbständigkeit damit bekunden zu
miissen glauben, daß sie den einen oder andern Stein
aus dem neuen Aufbau herauszunehmen suchen, um da-
durch die Unhaltbarkeit des Ganzen nachzuweisen oder
mindestens das Verdienst jener Forscher zu schmälern.
So ergeht es auch der Kunstwissenschaft, die noch da-
durch in besonders schwieriger Lage ist, daß sich hier
mathematische Beweise nicht führen lassen und das
Gefühl, die Empfindung bei der Beurt'eilung der Kunst-
werke stark mitspricht. Bei dem Urteil ü'ber ein Kunst-
werk muß sowohl sein Inhalt wie seine Form und für
diese wieder die Art der Ausführung berücksichtigt
werden; nur aus allen diesen Momenten ergibt sich ein
richtiges Urteil, selten aber wird ein Forscher zur Be-
urteilung aller dieser Fragen die gleiche Begabung oder
dafür das gleiche Interesse haben. Der Rembrandt-
Forschung setzen sich noch besondere Schwierigkeiten
entgegen, an die jene Hyperkritik sich besonders an-
setzt, die aber gerade dadurch d'en wirklichen Fort-
schritt in unserer Kenntnis eher schädigt als fördert.
Dies um so leichter, als das große PublTkum das Inter-
esse an derKunst, das in derTat fast ein allgemeines ge-
worden ist, mit Kunstverstand verwechselt und sich da-
her für kompetent 'in Kunstfragen hält, für alle laut und
im Tone innigster Überzeugung vorgetragenen Angriffe
und kühnen Behauptungen zugänglich ist. Das Kunst-
feuilleton besonders, mit dem alle uusere Zeitungen
übersch'wemmt werden, hat mit wirklicher Kunstkritik

nic'hts zu tun, ist vielmehr nur zu oft der Ausdruck des
Kunstsnobismus, dem es sohmeichelt und den es fördert.

Wie die strenge bistorische Forschung überhaupt,
so hat auch die Rembrandt-Forschung erst im neun-
zehnten Jahrhundert begonnen; sogar erst nach der
Mitte des Jahrhuuderts, da das Interesse für die nieder-
länd'ische Kunst des XVII. Jahrhunderts erst spät ein-
setzte und nur langsam sich durchsetzte. Schon vor
1850 konnte Delacroix, der sich für Rembrandt begei-
sterte, den Ausspruch wagen: „Vielleicht kommt man
einmal dahinter, daß Rembrandt ein viel größerer
Maler ist als Raffael“. Für Rembrandt war Koloffs
Aufsatz über den Meister bahnbrechend; er hat das
Wesen seiner Kunst so tief erfaßt, daß jeder heute noch
mit größtem Interesse seine Ausführungen liest. W.
Bürger (Thore) folgt ihm in der Bewunderung des
Künstlers und setzt mit einer Kritik seiner bekanntesten
Werke ein. Ästhetisch und zugleich kunsttechnisch hat
E. Fromentin den Künstler am frühesten charakteri-
siert und mit den packendsten Worten zu schildern ge-
wußt. Neumann, Hamann und die jüngeren Dozenten
sind ihm nachgefolgt. Für die Biographie Rembrandts
und für seine künstlerische Entwicklung hatte in-
zwischen ein Holländer, C. Vosmaer, in seinem Werk
über Rembrandt (1863 und 1868) durch eine zusammen-
fassende, warmgeschriebene Arbeit die Bahn ge-
brochen. Aber gerade dieses Werk zeigte, daß die
Würdigung des Meisters namentlich in seiner Entwick-
lung noch auf schwachen Füßen stand, daß die Kenntms
des Rembrandt-Werks noch eine viel zu geringe war;
Vosmaer führt nicht viel mehr als 100 B'ilder als ihm
bekannt an, während heute Valentiner auf etwa 700 und
 
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