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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Märzheft
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Batavus, ...: Italienische Kunst im Rijksmuseum Amsterdam, [2]: der Verkauf der Oldenburger Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0202

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ii.1)

\\/ ie die florentinische Tradition in der Madonnen-
* * darstellung in demRundbildweiterentwickelt wird
in der Richtung des Menschlich-Intimen und Dekorati-
ven, zeigen die Tondi von M a i n a r d i, wo joseph und
ein schalkhaft-blöde lächelnder Johannes die Mutter
Gottes verehrend umstehen, und von L o r e n z o d i
C r e d i, dem die feine stil'le Landschaft im Hinter-
grund einen besonderen Reiz verleiht. Ein großer
Sprung bringt uns dann den P o n t o r m o , den späten
Florentiner; sein Bildnis einer vornehmen Dame von
1540 fuhrt uns in eine schon etwas alt und müde ge-
wordene Welt, die die Frische und Naivität, das Eigen-
willige und Spontane vertauscht hat mit einer Bewußt-
heit und einer zur zweiten Natur gewordenen herab-
lassenden Noblesse, die dieser großen, schlanken Er-
scheinung mit dem nicht 'schönen, aber klugen Gesicht
ein ganz modernes Gachet verleihen; die Distinguiert-
heit wird auch koloristisch noch besonders betont durch
die spärlichen, stillen, dunklen Farben von Gewan-
dung und Hintergrund, womit das inatte Rot des leder-
gebundenen Büchleins und das helle Braun der init In-
tarsien eingelegten Tischplatte einen belebenden Kon-
trast bildet.

Die lombardische Schule ist durch ein inniges Ma-
donnenbild von B o r g o g n o n e *) vortrefflich ver-
treten, dessen Gharm vor allem in der stillen Versun-
kenheit der sanften Maria und des träumerischen Kindes
liegt. Von Leonardos Einfluß ist in diesem Werke noch
nichts zu spüren. Offen zu Tage tritt derselbe aber bei
der Madonna eines andern Lombarden Marco
d ’ 0 g g i o n o ; *) der rätselhafte Ausdruck der blei-
chen Maria kann die Abstammung von Leonardos weib-
lichen Sphinxen nicht verleugnen; doch fühlt man hier,
welch ein Abstand im psychologischen Tiefblick den
Schüler von dem einzigen Meister trennt. Leonardos
Einfluß allerdings mit originalen Elementen und eige-
nem Empfinden verschmolzen zeigt sich auch in dem
lieblichen Madonnenbilde von G a n d e n z i o F e r -
r a r i, *) der als eine Verklärung des menschlichen
Mutterglückes ein Werk von ganz besonderem Zauber
genannt werden tnuß. Auch kompositionell und kolo-
ristisch ist dies Werkchen von einer seltenen Ausge-
glichenheit. Größere Selbständigkeit gegenüber seinem
Meister zeigt A m b r o g i o d e P r e d i s in seinem
wunderbaren Profilbildnis eines jungen Mädchens be-
wahrt, die ernster und herber anmutet als das bekannte

x) Siehe: „Der Kunstwanderer“ Februar-Doppelheft 1924.

*) Die rnit einem Stern Ibezeichneten Bilder siind vorläufig
noch ILeihgaben.

und stilistisch sehr nahe yerwandte Profilbildnis der
jungen Dame mit Haarnetz und Stirnreif der Ambro-
siana.

Etwas abseits steht eine Heilige Familie von dem
Ferraresen Lorenzo Costa,*) mit einer lieblichen
Maria und einem nachdenklichen Joseph, der hier als
ganz untergeordnete Figur hinter Maria hervorguckt,
eigentlich nur eine Eckfüllung; farblich ein Werk von
apartem Reiz.

Nach Venedig bringt uns dann eine Madonna mit
dem Jesuskind und dem kleinen Johannes, sowie zwei
Heiligen, in hellen Farben mit scharfen Umrissen, ein
Werk, das dem Bellinischüler Francesco Bosso-
lo zugeschrieben wird; in dem Petruskopf zeigt es
die größte Verwandtschaft mit Typen, die auf Werken
eines andern Bellinischülers, V i n c e n z o Catena,
vorkommen. Von Lorenzo L o 11 o s *) feiner Por-
trätkunst gibt einen guten Begriff das Bildnis eines vor-
nehrnen Mannes, eines sehr verfeinerten Typus mit
seiner aristokratisch langen schmalen Nase; er ist in
funkelnder Rüstung abkonterfeit, die dem verzärtelten
Sprößling eines alten Gesohlechtes eine viel zu schwere
Last scheint und in dem man jedenfalls eher einen Dich-
ter oder Schöngeist als einen Kriegsmann sehen möchte.
Weniger feinnervige, robustere, venezianischere Er-
scheinungen als die blassen, etwas müden und melan-
cholischen Menschen von Lotto treten uns entgegen in
dem bunten weiblichen Bildnis einer des Reizes ihrer
reifen Weiblichkeit bewußten und doch zugleich etwas
befangenen iblonden Schöneii, einem Werk des Berga-
mesken Moroni, *) und in der farbenfreudigen, rosig
schimmernden und halb wider ihren Willen lächelnden
Venus mit den langen blonden Flechten und dem ent-
blößten Busen, an deren Rock sich der schutzsuchende
Amor mit Tränen im Auge festhält, einer Schöpfung
Verofleses. Von den beiden ungefähr gleichzeiti-
gen Werken ist besonders das erstere eine glänzende
Probe von der Kunst seines Meisters. Durch seine
liebevoll-sorgfältige Behandlung in der akkuraten Wie-
dergabe aller Details, besonders der vielen Einzelheiten
der reichen Kleidung, der verschiedenartigen Stoff-
muster, der Schnüre und Borten, des Schmuckes des
gefalteten Kragens bildet dies Porträt einen gewissen
Gegensatz zu der Venus von Veronese. Denn ver-
glichen mit der breiten Pinselführung, der pastosen Mal-
weise und der rein koloristisch empfundenen Darstel-
lung dieses Venezianers erscheint das Werk von Moroni
trotz dem feinen silbrigen Ton, der über dem Ganzen
liegt, viel mehr zeichnerisch-linear gedacht, und gehört
insofern einer aufs Einzelne gehenden analysierenden

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