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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI issue:
1./2. Februar
DOI article:
Schönberg, Donald von: Erinnerungen an Ferdinand von Rayski
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0172

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Stnnnet’imgen an feedtnand oon Rayskt

uon

Donald oon Scbönbet’g

A ls auf der Jahrhundertausstellung: 1906 die Rayski-
1 *■ bilder, die mein verstorbener hoehverehrter
Freund Eugen Bracht auf dem Schloß Bieberstein ent-
deckt hatte, namentlich das Porträt des Domherrn von
Schröter, zum ersten Mal erschienen, ging ein Staunen
durch die deutsche Kunstwelt. Es ist eine seltsame
Erscheinung, daß dieser bedeutendste deutsche Porträt-
maler seiner Zeit so gänzlich unbekannt bleiben konnte.
In seinem Charakter, seiner Lebensführung und seiner
Arbeitsweise möchte eine Erklärung dafür zu fin-
den sein.

Da ich zu den wenigen gehöre, die ihn noch persön-
lich gut gekannt haben, (er war der beste Jugendfreund
meines Vaters), wird vielleicht Einiges aus meinen Er-
innerungen Interesse bieten.

Das Nichtge'kanntsein eines so Großen hatte meh-
rere Gründe. Der wichtigste war aber die ungemeine
Zurückhaltung, Bescheidenheit und auch große Emp-
findlichkeit seiner Natur. Er war in seiner Jugend von
den mit Staatsautorität patentierten Künstlern schlecht
behandelt worden, und so hatte er sich ganz von diesen
Kreisen zurückgezogen. Die Überzeugung von seinem
eigenen Wert machte ihn nur noch zurückhaltender.
Seine durch und durch aristokratische Natur kannte
kein Streben nach Gelderwerb, noch weniger aber ein
Sichanbieten oder Vordrängen.

Er lebte im Kreise seiner meist auf dem Lande
wohnenden Freunde, die gern dem liebenswürdigen,
feingebildeten Standesgenossen Gastfreundschaft boten,
und malte für bescheidenen Entgelt eigentlich nur ihre
Bildnisse. Bei diesen Landaufenthalten verdiente er
grade soviel, daß er davon und von einem kleinen er-
erbten Vermögen die übrige Zeit bei bescheidenen An-
sprüchen in Dresden leben konnte. Seine Freunde und
Auftraggeber verstanden ebenso wenig wie er selbst,
seine Verdienste an das Licht der Öffentlichkeit zu
rücken. Nur einmal verschaffte ihm ein Freund einen
offiziellen Auftrag und brachte ihn auch dazu, ihn an-
zunehmen: ein Bild des Königs Johann in der Uniform
der Hosenbandritter. Das Bild ist keines seiner besten
und kam gleich nach England, so daß es für die Mehr-
zahl deutscher Kunstkenner unzugänglich wurde.

Mein Vater, selbst ein weit über dem Durchschnitt
stehender Dilettant, schätzte ihn als Künstler sehr hoch
und hatte genug gesehen, um ihn verstehen zu können.
19er Freundeskreis bestand aus dem Domherrn von
Schröter-Bieberstein, meinem Vater, Uz von Schön-
berg-Reichstädt, dem Grafen Einsiedel-Milkel-Reibers-
dorf, von Boxberg-Groß-Welka. In Dresden verke'hrte
er nur noch mit einigen Bekannten, die er bei den Mahl-
zeiten im Restaurant traf. Näher stand ihm sein Pro-
tege, der Maler von Hartitzsch, der ihn auch teilweise
beerbt hat, und durch dessen Nachlaß die unvollendeten

oder nicht abgelieferten Bilder in den Kunsthandel
kamen.

Monatelang war er bei uns in Herzogswalde ein
liebenswürdiger gern gesehener Gast. Icli bewunderte
und liebte ihn als Junge unbeschreiblich, besonders da
ich von ihtn manche Kunstfertigkeit lernte; etwas
Zeichnen, aber auch andere mir damals viel wiclitiger
scheinende Dinge, wie z. B. mit einer Haselrute und un-
reifen Falläpfeln weite genaue Schleuderwürfe machen.
Drei Freunde waren meist zusammen, Rayski, mein
Vater und ein entfernter Verwandter W. v. Hoyer, ehe-
mals Theologe, dann wenig beschäftigter Bildhauer.
Letzterer war zwar talentvoll aber ohne rechte Aus-
dauer, dabei ein sehr liebenswürdiger und gebildeter
Mensch. Er hatte im Dorf mit zwei unverheirateten
Schwestern zusammen ein Haus, war aber meist oben
bei uns. Rayski gab ihm wegen seines breiten ruhigen
Gesichtes den Spitznamen „özean“.

Da wurde in Theorie und Praxis viel Kunst ge-
trieben. Der Höhepunkt war die Dekorierung eines
väterlichen Neubaues, der nach dem Hof einen offenen
Bogengang hatte. Es ist dies das einzige große histo-
rische Gemälde, das Rayski je gemalt hat; dargestellt
ist der Festzug der deutschen Göttin Hertha, mit Bezug
auf den Ortsnamen Hertswald, jetzt Herzogswalde.
Meiner Erinnerung nach muß es zwischen 1865 und 1868
gemalt sein. Sobald mein Vater ihn für die Unterneh-
mung erwärmt hatte, machte sich Rayski sofort an die
Arbeit. Es wurden beim Krämer im Dorf Anstreicher-
farben gekauft oder durch die alte Botenfrau Damnr
aus Dresden bezogen, Leimwasser gekocht, Pinsel an-
geschafft und endlose Töpfe und Töpfchen in Gang ge-
setzt. Ich stand in atemloser Neugierde daneben. Mein
Vater malte zwei anschließende, jetzt überstrichene
Bogenfüllungen mit Vorhängen aus, da diese Arbeit
Rayski zu langweilig war; er setzte nur nachträglich
noch zwei Priesterköpfe hinein, die durch einen Spalt
des Vorhangs sehen. Die Dekoration des Pracht-
wagens malte mein Vater, Waldlandschaft, Priester,
Ochsen, Sklaven und zuschauende Gennanen Rayski.
Ich half Farbe umrühren, zutragen, Pinsel waschen und
fühlte mich an einem großen Werk beteiligt. Leider
hat das Bild infolge der Verwendung mangelhafter Bin-
demittel und schlechter Farben später sehr gelitten,
namentlich sind alle Mitteltöne, wie grün und braun,
ganz verschwunden. Die Zeic'hnung konnte ich durch
eine sachgemäße Fixierung retten lassen. — Mein
Vater trieb und ließ Rayski keine Ruhe; so wurde das
Bild gut wie alles, was Rayski schnell vollendete.
Hatte er Zeit, so wurde in späteren Jahren, denn nur
von diesen kann ich sprechen, der großartige Anfang
oft durch zuviel Kleinarbeit verdorben. Seine Art
zu arbeiten war damals eine äußerst unregelmäßige.

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