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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI Heft:
1./2. Aprilheft
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Bode, Wilhelm von: Die Sintflut der deutschen Italien-Kunstreisenden
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0235

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Tahrgarig 1924, 1./2. ApriLMeft

J

Dte SmtfJut dev deutfeben Itatien^Kunffceifenden

oon

U3Ubcttn oon Bode

Exzellenz Dr. v. Bode hat diesen Aulsatz v o r der
bekannten Verordnung ider iReichsregierung geschriieben.
„Der iKunstwianderer“ hält ülbrigens diese Verordnung für.
unsinnig, w'eil sie nicht die Luxusreisenden trifft, sondern
die ernsten Kunsffreunde.

I-h in nordischer in Italien ansässiger Fachgenosse
spricht 'mir seine Zustimmung aus zu meinem Auf-
satz iiber die „Sintflut der deutschen Kunstbücher“; *)
„aber“ — so fährt er fort — „Sie sollten erst einmal die
Sintflut Ihrer Landsleute, die sich jetzt tiber Italien er-
gießt, sehen, die noch viel ärger und zugleich verhäng-
nisvoller für Deutschland ist“! Freilich, von diesem
Ärgernis weiß auch ich, uud ich habe mioh deshaib
schließlich von einer kurzen Reise nach Florenz zurück-
hälten lassen, obgleich sie dienstlich dringend wün-
schenswert gewesen wäre. Diese Reisewut, ganz be-
sonders die Kunstreisen nach ltalien, die jetzt erst
möglich geworden sind durch die sogen. Stabilisierung
unserer Valuta, sind eine neue, vcrspätcte, aber um so
stärkere Nachwirkung des Krieges durch das Bedürf-
nis, sich für die furchtbaren Leiden während und nach
dem Kriege zu entschädigen und di'es Austoben in Ver-
gnügungen und Genüssen, erlaubten und vor allem un-
erlaubten, nach allen Richtungen.

Aber dazu können Sie doch keine Kunstreise nach
Italien rechnen — wird man mir erwidern; der Zug
nach dem Süden, nach Italien, liegt den Deutschen doch
seft Jahrtausenden im Blute, ist unwiderstehlich, und
uach zehnjähriger Karenzzeit ist Italien doch geradezu
eiu Bedürfnis fiir unsern „Wiederaiifbau“, nameutlich in

*) Siehe: „Der Kunstwanderer“, März-Doppelheft 1924.

der Kunst. Wenn es nur wirkliche Kunstbegeisterung
wäre, wenn ernsthaftes Kunststudium diese Deutschen
(„merkwürdig, daß sie mit Vorliebe englische Brocken
einfließen lassen“ — so schreibt mein skandinavischer
Bekannter — um für „Bindestrich-Amerikaner“ ge-
halten zu werden“) nach dem Süden triebe! Aber
selbst wenn nicht bloß die angebliche Wärme in Italien,
wenn neben der Freude an den Fleisch- und Makaroni-
töpfen, am Chianti und Vino Santo Italiens, neben dem
„kolossal billigen Schlaraffenleben“ auch die Freude an
der Kunst manche jener Deutschen hinuntertreibt, so
ist das doch regelmäßig nur leine sehr äuß'erliche, ober-
flächliche, nur ein Reizmittel mehr, um die Vergnü-
gungsreise zu entschuldigen. Die erste Wirkung 'dieser
Überschwemmung Italiens mit Deutschen ist, daß hun-
derte von Millionen deutscher Goldmark im Ausland
verzehrt werden; eine zweite, viel üblere Wirkung ist
die, daß unsere Feinde nun von der Verarmung in
Deutschland nichts mehr wissen wollen, die Einstellung
der Sammlungen für Deutschland und restlose Zahlung
der Reparationen verlangen; nun sähe man ja, welches
heidenmäßige Geld noch in Deutschland stecke! Doch
iassen wir alle wirtschaftliche und politiscbe Schädi-
gung beiseite: haben diese Italienreisen wenigstens
ihren Nutzen fiir das Kunststudium in Deutschland, för-
dern sie unsere Kunst? Ich selbst habe mich gerade seit
liem „Frieden“ mit allen Mitteln für die Wiederbele-
bung des Studiums der italienischen Kunst durch die
Deutschen eingesetzt; ich müßte also meine helle
Freude daran liaben, wenn von Italien gemeldet wird,
daß z. II sclioii an die hundert deutsclie Kunsthistoriker
in italien weilen oder siclt dort angemeldet häben, daß

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