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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Dezemberheft
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Baum, Julius: Neuentdeckte Wandgemälde in Schwaben
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Waetzoldt, Wilhelm: Ein Altberliner Gelehrtenheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0117

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v. Vinau und Hedwig v. Neuenstein eine ewige Messe
gestiftet; damals müssen die Bilder entstanden sein.
Erhalten haben sich namhafte Reste an der Nord- und
Chorbogenwand, und zwar unten, neben der alten
Kanzel, stehende Apostel (Ende des 15. Jahrhunderts
durch einen neuen Ölberg te-ilweise überdeckt), darüber
die Passion; sicht'bar sind noch Ölberg, Gefangenneh-
inung, Verhör vor Herodes, Geiselung, Verspottung
und, besonders ergreifend, die Kreuzabnahme.

Nahezu unberührt kam in der Eßlinger Allerheili-
genkapelle über dem (später eingezogenen) Gewölbe
der Rest einer riesigen Krönung Mariä zum Vorschein.
Das Bild zeigt die großen Dispositionen und Heiligen-
scharen, wie man sie in den Wandbildern des Orcagna
und seines Kreises in S. Maria Novella zu Florenz findet.
Man sieht oben auf einem breiten Throne Maria
zwischen der Trinität, dahinter Engel, elnen Teppich
ausbreitend; darunter die Himmelfahrt Mariä, umgeben
von den Scharen der Engel und Heiligen. Stilistisch
ist das Gemälde mit der Krönung Mariä in der S. Gal-
luskapelle in Mühlheim a. d. Donau verwandt; die Ge-
wandfalten sind schon hart gebrochen; es wird starke
Modellierung erstrebt; als Entstehungszeit kommt
1430—1440 in Betracht.

Für die schwäbische Kunstgeschichte niclit minder

wichtig ist eine Folge von Wandbildern im Kreuzgang
des Elsbetenklosters zu Mernmingen, die soeben unter
der sachkundigen Leitung des Memminger Stadtarchi-
vars Prof. Miedel von dem Restaurator Geiger aufge-
deckt wird. Der Kreuzgang trägt am Gewölbe die
Jahreszahl 1475; schon im Jahre vorher wurde, nach
Ausweis einer zweiten Jahreszahl, an den Wandbildern
gearbeitet, einer Stiftung alter Memminger Geschlech-
ter, unter deren Wappen das der Vehlin sofort siöhtbar
ist. An den Fensterwänden sieht man einzelne stehen-
de Heilige, unter denen Christophorus, Jodokus und Se-
bastian erkennbar sind, sowie elnen Ölberg, gegen-
iiber Verkündigung, Heimsuchung und ein breites
Schutzmantelbild; den Abschluß der einen Schmal-
wand bildet eine mächtige Kreuzgruppe. Der Stil der
Bilder ist eng verwandt mit dem Stil des aus der
Wurzacher Galerie stammenden Flügels der Stuttgarter
Gemäldesammlung, der auf der einen Seite den Ver-
kündigungsengel mit Stiftern aus den Familien Mont-
fort und Werdenberg zeigt und laut Inschrift 1478 von
den Memmingern Hans und Ivo Strigel gemalt wurde.

Den Beschluß der neu aufgedeckten Wandmale-
reien bildet ein feines Renaissancerankenwerk aus dem
Jahre 1571 im Haus zum Bären in Ulm, das auf Veran-
lassung seines Besitzers, Dr. Höhn, durch den Maler
Koch in mustergültiger Weise freigelegt wurde.

6in Attbct’Iinet’ Gcicbctcnbcim

oon

lÜÜbetiri U)aetzoldt

ln den nächsten Wochen wird der zweite Band
des Buches „Deutsche Kunsthis.toriker“ von
Wilhelm Waetzoldt bei E. A. Seemann in Leipzig
erscheinen. Geheimrat Prof. Dr. Waetzoldt hatte die
Freundlichkeit, aus diesem zweiten Bande (von Passavant
bis Justi) die nachfolgende kleine Probe Berlinischer Art
dem „Kunstwanderer “ zum V o r a b d r u c k zu
überlassen.

I heodor Fontane in seinem Gedenkbuch „Von 20 bis
30“, Paul Heyse in seirien „Jugenderinnerungen“
und Storm in den Briefen an seine Frau haben das Haus
F r a n z K u g 1 e r s , den „ewigen Herd“, wie es die
jungen Poeten nannten, anschaulich und liebevoll ge-
schildert: den Hausherrn, eine anima candida voll
Festigkeit und Mäßigung, immer die Tragweite seiner
Worte und Taten wägend, in dessen Wesen hinter
scheinbar geheimrätlicher Zurückhaltung eine liebens-
werte Kindlichkeit sic'h verbarg. Dann die Frau des
Hauses, Eduard Hitzigs kluge, von Geibel besungene
Tochter Clara, deren Jugendtage unter den Poeten-
augen der väterlichen Hausfreunde E. T. A. Hoffmann,
Zacharias Werner und Chamisso verflossen waren und
deren Alter wiederum von einem Dichter behtitet
wurde. Paul Heyse ward ihr Schwiegersohn. Dann

den bunten Schwarm von Schriftstellern, Malern, Mli-
sikern, Bildhauern, Gelehrten, die durch die gastfreien
Mansardenstuben Friedrichstraße 242 hindurchgezogen
sind. Storm, Gildemeister, Roquette, Dahn, Fontane,
Geibel, Heyse, Menzel, Drake, Rietschel, Lucae, Burck-
hardt, Eggers, Hotho, Waagen, Lübke, Mendelssohn und
zahllose andere Namen aus dem geistigen Berlin zur
Zeit der Revolution und der Blüte des „Tunnels über
der Spree“, in dem Kugler mit seinen Dichtungen zwar
um den Lorbeer aus Kollegenhand rang, iiber einen
succes d’estime nach Fontanes Zeugnis aber nicht hin-
auskam, weil er auch als Poet zu sehr Geheimrat blieb.

Während Kugler an seinem Schreibtisch iiber Mi-
nisterialakten, Kollegheften, Buchmanuskripten, ver-
graben in eine ihn vor der Zeit zermürbende Arbeits-
fülle, saß, versammelte sich in Frau Claras Stuben der
Kreis der Freunde und Schüler.

„Wenn die Teestunde da war, erschien Kugler
selbst und setzte sich an das Klavier, über dem eine
gute Kopie des Murillosc'hen heiligen Franziskus hing,
und nun, auf Zuruf der Seinen, von denen ein jeder sein
Lieblingsstück hatte, die Vorträge rasch wechselnd,
klangen in bunter Reihenfolge deutsche und dänische,
venezianische und neapolitanische Lieder durch das

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