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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI Heft:
1./2. Märzheft
DOI Artikel:
Bode, Wilhelm von: Die Sintflut deutscher Kunstbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0199

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/ahrgarig 1924^

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^ tatt Sintflut könnte man noch richtiger das Wort
der Lutherschen Bibelübersetzung Sündflut ge-
brauchen; denn auf wenigen Gebieten hat sich das
Schiebertum nach dem Kriege so breit gemacht wie in
der Überschwemmung mit Kunstpublikationen aller
Art. Gleich nach Kriegsende begann man bei uns mit
Begeisterung sich an die Fortsetzung unterbrochener
Arbeiten und neuer Veröffentlichungen über Kunst, zu
denen man das Material während des Krieges gesam-
melt hatte, heranzumachen. Aber man mußte nur zu
bald erkennen, daß die Beendigung des Krieges noch
lange nicht den Frieden gebracht hatte, daß für das
Studium der Kunstschätze außerhalb Deutschlands, wie
es für die meisten wissenschaftlichen Publikationen un-
umgänglich ist, selbst in Jahren die Möglichkeit noch
nicht gegeben wäre. Man wußte sich jetzt umzustellen
auf das Material und die Hilfsmittel, die Deutschland
selbst bietet: vor allem auf die deutsche Kunst, da-
neben auf die fremde unter Ausnutzung des vorhande-
nen Reproduktionsmaterials. Allerhand neue, unausge-
gorene Ideen machten sich in den Plänen der Volks-
beglückung geltend, darunter Anläufe durch Erziehung
zur Kunst. Freiester Eintritt in die Museen, offi-
zielle Führungen durch die Sammlungen und populäre,
billige Führer wurden von oben verlangt und gefördert.
Darauf gingen findige Verleger mit Feuereifer ein. Da
die Mittel für ernste, umfassendere wissenschaftliche
Publikationen nicht mehr vorhanden waren, wurden
ganz billige, handgroße Büchelchen, die einen einzel-
nen Künstler oder ganz kurze Ausschnitte aus der
Kunstgeschichte auf wenigen Seiten behandelten und
mit einigen wenigen Abbildungen ausgestattet waren,

bei allen schreiblustigen Fahmännern von einem ge-
wissen Namen in Auftrag gegeben. Gleichzeitig wurde
von verschiedenen Verlegern, z. T. mit Hilfe der neuen
Regierungen, die Publikation von „Serien“ in Angriff
genommen; ganze „Folgen“ solcher Serien sollten äll-
mählich die gesamte Kunstgeschichte in eine Art von
großzügigem Aschingerbetrieb verwandeln, mit dessen
Hilfe auch die jungen Kunststudierenden aufgepäppelt
werden könnten. Einige tausend solcher Kunstraktät-
chen waren geplant: einige Dutzend sind mit Mühe und
Not erschienen; an ihnen zeigte sich aber, daß nichts
schwerer ist, als in wenigen Worten viel zu sagen. Zu-
dem hätten die Studierenden für die ganzen Folgen
trotz der Biiligkeit im Einzelnen das Vielfache von dem
bezahlen müssen, was alle guten Kunsthandbücher zu-
sammen sie gekostet hätten. Ein größeres Publikum war
aber für diese Art Reklam-Kunstbücher in der Westen-
tasche nicht interessieren. Daher sind sie allmählich
fast in Vergessenheit geraten. Aber eines hatten
die Verleger dabei erprobt: wie derartige „Folgen“ ge-
schäftlich zu „lancieren“ und welche Literaten dafür
mit Erfolg zu ge'brauchen seien. Und vor allem: sie
hatten die neue Zeit richtig erkannt und lernten es, sich
darauf entsprechend einzustellen. Daß die Studierenden
keine Kunstbücher mehr kaufen konnten, daß die „In-
tellektuellen“, die bisher die Hauptabnehmer gewesen
waren, durch Krieg und Umsturz zu Armen geworden
waren, war allerdings fatal; auch das Banausentum
der Neureichen war nicht von einem Tage auf den an-
dern in Verständnis und echtes Mäzenatentum zu ver-
wandeln. Aber allen diesen Sc'hwierigkeiten zum Trotz
gelangte die geschäftliche Tüchtigkeit zu ihrem Ziel.
 
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