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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Aprilheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Nymphenburger Porzellan: zum Abschluß des Monumentalwerkes von F. H. Hofmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0248

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f\l\ it dem soeben erschienenen stattlichen dritten
*■ Band hat das bei K. W. Hiersemann in Leipzig
erschienene Prachtwerk über die bedeutungsvollste
süddeutsche Porzellan-Manufaktur seinen Abschluß ge-
funden. Schon hieß es, mit einem Seitenbilck auf das
Frankenthalwerk desselben Autors in den stets zu
Spottlust geneigten Kollegenkreisen, daß „Hofmann’sche
dritte Bände überhaupt nicht erscheinen“. Und doch
wareri die beiden ersten Bände bereits vergriffen, und
Interesse, ja Sehnsucht aufs höchste gesteigert. Dem
konnte der Verlag dadurch begegnen, daß er die ersten
beiden Bände, die das wichtigste Illustrationsmaterial
enthalten, in einer unveränderten Neuauflage wieder
erscheinen ließ, und der Verfasser fügte den ver-
sprochenen dritten Band hinzu, indem er alles, was er
inzwischen neu erforscht hat und was ihm sonst am
Herzen lag, in einem stattlichen Kompendium zusam-
menfaßte und damit auf einem wichtigen Spezialgebiete
den derzeitigen Stand moderner Forschung, hauptsäch-
lich seiner eigenen Arbeit, daselbst niederlegte. Jetzt
sind wir also endlich über die belangvollste alte
kurfürstliche, später königliche Manufaktur von Neu-
deck bezw. Nymphenburg nebst München nach allen
Richtungen recht ausgiebig informiert.

Ein einheitliches Werk ist diese stolze dreibändige
Monographie nicht geworden. Aber das ist nicht ledig-
lich auf das Konto von Hofmann zu setzen, der schon
in seiner Stellung am Bayrischen Nationalmuseum alle
einschlägigen Fragen mit Feuereifer verfolgte und be-
arbeitete und auch jetzt als Direktor des Residenzmu-
seums in München wie durch seine Beziehung zum
Geh. Kommerzienrat Bäuml in Nymphenburg als Knabe
an der Quelle sitzt, sondern vor allem die Schuld der
Verhältnisse, die eben leider stärker sind als die Men-
schen. Der ursprüngliche Plan war ein anderer; aber
der große Krieg war grausam dazwischen gefahren.
Hofmann war von Anfang bis zum Ende tapferer Vater-
landsverteidiger und mußte viele Jahre seine Nymphen-
burger Studien unterbrechen. Auch der Verlagswech-
sel und die große Arbeit, die Hofmann bei der Über-
nahtne uud Neueinrichtung des Residenzmuseums zu
leisten hatte, bildeten retardierende Momente. Ob es
sich nun nicht empohlen hätte, den dritten Band doch
aufzugeben bezw. mit den umzuarbeitenden ersten
beiden Bänden zu einem neuen Werke zu vereinigen,
mag dahingestellt bleiben. Die Benützbarkeit dieser
monumentalen Publikation ist in der nun vorliegenden
abgeschlossenen Form durch die zahllosen Hinweise,
Abänderungen und Verbesserungen recht wesentlich
erschwert und manche Wiederholungen hätten sich in
einer neuen Zusammenfassung ersparen lassen. Aber
dieser Schönheitsfehler wird reichlich aufgewogen
durch die Überfülle des neuen Materials, das uns g'erade

hauptsächlich im Texte des dritten Bandes alle nur
irgendwie wünschenswerten Einblicke in die Verhält-
nisse der Nymphenburger Manufaktur gewährt.

Es ist hier nicht der Ort, aus dem Inhalt auch nur
das Wesentlichste bekanntzugeben, wie sich zuerst in
Neudeck bis 1760, dann in Nymphenburg unter Max III.
Josef trotz der großen anfänglichen Schwierigkeiten
ein Betrieb entwickelte, der unter Graf Haimhausen und
dem Wiener Arkanisten Ringler auf eine entsprechende
geschäftlich und technisch solide Basis gestellt, sehr
rasch durch den geuialen Franz Bustelli (1754—1763)
Porzellanfiguren von eine Grazie erstehen ließ, wie sie
von keiner anderen Porzellanfabrik je zuwege gebracht
würden; wie dann unter der robusteren Weiterführung
des aus Böhmen stammenden Eklektikers Auliczek
(1763—72) und schließlich nach der Vereinigung mit
der Frankenthaler Fabrik unter dem klassizistischen
Melchior (1797—1822) eine immerhin noch stattliche
Nachblüte erfolgt, während unter geänderten Verhält-
nissen im 19. Jahrhundert die Malerstube unter (’hri-
stian Adler (1811—50) ihre besonderen Triumphe
feiert. Wirtschaftsgeschlchte und Organisation, Be-
trieb und Erzeugung aller Art, endlich im dritten
Bande noch einmal eine anschauliche Behandlung der
gesamten Produktion in Plastik wie Geschirrformung
und deren Dekoration, dann der Verschleiß, der Kampf
gegen Hausmaler sowie schließlich die etwas ver-
wickelten Markenfragen und eingehende Register, —
all dies ist ein reicher Inhalt mit einem großen neueu
Material. Gerade das 19. Jahrhundert, das in ähnlichen
Publikationen bisher stark vernachlässigt worden ist,
wird diesmal recht ausgiebig berüeksichtigt, zumal in
Nymphenburg dank der intensiven Teilnahme des
Kronprinzen und späteren Königs Ludwig 1. unter Gärt-
ner und später unter Neureuther bis 1862 besonders
fleißig gearbeiet worden ist.

F. H. Hofmann hat seit der Herausgabe der ersten
beiden Bände nicht nur zahlreiche gute alte Nymphen-
burger Porzellane überall ausfindig gemacht und da-
durch fast die gesamte uns urkundlich iiberlieferte Pro-
duktion der Fabrik rekonstruieren und namentlich zu-
sammengehörige Figurenserien recht überzeugend zu-
sammenstellen können, sondern er hat auch wieder
neue Archivalien herausgefunden und gewissenhaft be-
nützt, wie etwa das Arbeitsbüchlein des Bossierers
Adatu Clair, die Berichte des Fabr'ikskommissärs Flurl,
den langgesuchten Preiskurrant von 1767 und ähnliches.

Auch die rein technische Seite kommt nicht zu
kurz, da Hofmann, der schon früher das interessante
„Arkanum“ von J. P. R. Härtl von Hartenstein (1761)
in einer besonderen Monographie behandelt hatte, dar-
aus auch wieder die wichtigsten Zeichnungen über die

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