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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI Heft:
1./2. Septemberheft
DOI Artikel:
Singer, Hans Wolfgang: Neue Graphik: Artur Henne, Hans Emil Braun und Georg Richter
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0018

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Actuc fienrxe, Jians 6mt( Bt?aun und Geovg, Ricbtct?

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Hans IÜ. Stngcr

A llcu Lehren der Geschichte zum Trotz, gefälit sich
eine jede Zeit darin, in sich selbst einen Höhe-
P'unkt zu erblicken, — nebenbei, die eben verstrichene
Periode als besonders schlecht hinzustellen. Aber
weder der einzelne Mensch noch ein Voik kann die un-
unterbrochene Kraftanstrengung aushalten. Sie be-
dürfen beide der Ruhepausen zur Ansammlung neuer
Energie. Tatsächiich wechseln die großen Perioden
und die Rückschläge einer ruhigeren Zeit im Leben
eines Volkes ab, wie Berg und Tal in den Wogen des
Meeres. In der englischen Geistergeschichte kehren
solche Augenblicke geistiger Erhebung wieder in ziem-
lich regelmäßigen Abständien, die eitiigermaßen zu-
sammenfallen mit den Jahrbundertwenden unsrer
christlichen Zeitwenden. Denken wir an die deutsche

Artur Henne. Märkisches Dorf

Dichtkunst, so erinnern wir uns, daß es da nicht viel
anders gewesen ist.

Über allen Zweifel erhaben scheint es mir, daß wir
eine große Periode der Bildenden Kunst durchlebt
haben, —eine dcr größten aller Zeiten! — die so ziem-
lich das letzte Viertel des 19. Jhdts. ausfüllt und wohl
noch eine kurze Spanne in das 20. hinüberquillt. Wer
sich zu dieser Anschauung bekennt, wird sich wohl da-
zu bequemen müssen, die Erschöpfung auch einzusehen
und zuzugeben, daß wir, wie es ja garnicht anders
möglich ist, uns gegenwärtig im Tal, in der Ruhepause
befinden. Einfaclie physikalische, sozusagen natur-
wissenschaftliche Bedenken, geben uns zu erwägen, daß
wir zur Zeit auf große Genies zu hoffen nicht berechtigt
sind.

Nicht nur die großen Kräfte sind erschöpft, auch die
Widerstände, an deren Besiegung die großen Geister ihr
Genie bewiesen haben, sind geschwunden. Was gegen-
wärtig vorgenommen wird, ist nichts Neues, Frisches,
sondern nur die Verdrehung, — bis zur Verneinung, —
alles dessen, was die künstlerische Welt die letzten

vierzig Jahre über beschäftigt hat. Das Programm xst
wieder einmal erledigt. Ehe ein wirklich neues über-
haupt erfaßt werden kann, rnu ß die eingetretene Ebbe
ihren Verlauf nehmen.

Solche Zeitabschnitte kann man in der Geschichte
genug finden. In ihnen sieht man sich vergeblich nach
dem großen Helden um. Der wlrkliche Aufbauer bleibt
aus. Den jedoch, der mit viel Geschrei vermeint, er
könne es durch bloßes Niederreißen, nur indiem er es
anders macht, erzwingen, — diesen vergißt die Naclr-
welt später völlig. Am ehesten erinnert sie sich, wenn
sie sich einmal mit den Genossen einer solchen Zeit-
spanne beschäftigt, jener Künstler, die wenigstens Liebe

Artur Henne. Ziegelei an der Elbe

und Ehrfurcht vor ihrem Metier bezeugen. Können, im
Siune der verständni'svollen Beherrschung des Werk-
zeugs schändet nie, und bleibt immer noch etwas Soli-
des, wenn es auch einmal nicht in den Dienst welt-
bewegender Gedanken gcstellt wird. In unruhigen
Zeiten stürmen auch die Letzten und Unberufensten mit
„großen Gedanken“ einher: denn sie wissen, damit
können sie zunächst einmal imponieren. Es muß ja die
Welt immer erst prüfen, ob was hinter den „großen Ge-
danken“ steckt. Das erfordert Zeit und wä'hrend dessen
hat man leicht seine Lorbeeren ä conto eingesteckt.

Wenu ich in einem zweiten Aufsatz einige weitere
Radierer den Lesern des Kunstwanderers vorführe, so
weiß ich, daß es nicht um Manets, Wlüstlers, Klingers
gilt; und auch warum nicht. Am wenigsten werden
diese Künstler selbst sich überschätzen, und doch bin
ich davon überzeugt, daß es gerade solche ihres Schlags
sein werden, die die ruhige Betrachtung späterier Zeiten,
mit freundlichem Interesse heraussuchen wird.

Arthur Henne in Dresden ist ausschließlich Land-
schafter und geht fast stets auf die „Stimmung“ aus.

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