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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Septemberheft
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Kohlhaussen, Heinrich: Das Haus Behn in Lübeck
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0017

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Bauten 'heute öfters drohenden — Umbau in eine Bank
zu bewahren unü für die Allgemeinheit zu retten, ahnte
niemand, wie notwendig dieser Kauf über Lübeck, ja
iiber Norddeutschland hinaus für die Stadt werden
wiirde. Dies Haus, 1799—83 aus zwei älteren Biirger-
häusern von dem dänischen Architekten Lillie in klassi-
zistischem Geschmack großziigig mit zweigeschossiger,
prunkvoller Diele, behaglichen Wohn- und Gesell-
schaftsräumen umgebaut, ist von Heise nun wieder her-
gerichtet und mit Kunstwerken vom frühen 19. Jahrh.
bis zur Jetztzeit ausgestattet.

Es ist ein beispielloser Glücksfall für die Stadt wie
für den Einrichter, ein prächtiges altes Patrizierhaus zu
besitzen, dessen künstlerisch neutrale Räume Galerie-
zwecken und den, nach Lage der Dinge für Lübeck un-
geheuer wichtigen Ausstellungen dienen, dessen teils
mit alter Bemalung versehene, teils durch gute alte,
aus Lübecker Privatbesitz gestiftete Möbel wohnlich
angedeutete Säle und Zimmer eine zeitgemäße Folie
bieten für Overbek, den berühmtesten Sohn der Stadt
wie die artverwandten und zeitlich nahestehenden
Künstler der Landschaft.

Und doch ist das Ganze, die Auswahl und Vertei-
lung der Bildwerke auf Dielen und Räumen, die außer-
ordentlich glückliche, geschmackssichere Hängung der
Bilder eine Tat von ganz persönlichem Gepräge.

Nach den blassen Bildern aus dem späteren
19. Jahrh., die einen Seitenraum rechts vom Eingang
ausfüllen, berauscht sich das Auge des in die breite
Diele Eintretenden an den nordischen Zeitgenossen und
Meistern der Farbe, den Emil Nolde, Heckel, Schmitt-
Rotluff und Pechstein, denen im Dielenobergeschoß
Edvard Munch, Nauen u. a. folgen.

An dieser Stelle haben die Bilder programmatische
Bedeutung, sie zwingen den Ankömmling zur Betrach-
tung, bevor er die alterhaltenen Zinnner mit den lierr-
lichen Overbekbildern und die mit leichtem Gerank

heiterbemalten Landschaftszimmer bewundert, sie
zwingen ihn wieder zum Anschauen, nachdem er in den
oberen Stockwerken die Künstler der Folgezeit; Aqua-
relle, Zeichnungen, Gemälde und Plastik auch der Mo-
derne gesehen hat.

„Das Museum muß abnehmen — und dic Kunst
wird wachsen“. Dieser von Karl Georg 'Heise als
Schlußsatz einer „das Museum“ betitelten Programm-
schrift in seinem glänzenden kurzlebigen Geniusjahr-
buch geschriebene Ausspruch muß, aus seiner Bedingt-
heit herausgeschält, außerhalb des Zusammenhanges
betrachtet, aufreizen.

Wer das Haus Behn durchschritten hat, muß Heise
Recht geben. Denn in der mit Herz und Geist vorge-
nommenen Ausgestaltung eines, in seiner heiteren Inti-
mität und festlichen Würde unberührt gelassenen alten
vornehmen Wohnhauses zu einem Hause der Kunst und
gleichzeitig zu einem Mittler zwischen Vorzeit und
Gegenwart gelang ihm die Überwindung des alten
Museums.

Es gibt da kein-e Kompromisse, die jedem Museum
naturnotwendig drohen.

Wie sich die alten Räume mit den alten Bildern und
Möbeln zu einer Einheit verbinden, so, als ob sie für ein-
ander geschaffen wären, wie man in den reizvoll lichten
Landschaftszinimern mit den ganz wenig Proben von
Miniaturen und Skizzen seine Augen ausruht und zu
weiterer Erholung über die niederen Terassen in den
zugehörigen Garten herau'stritt, nach dem Blick auf
Rasen und Bäume neugekräftigt den Rundgang fort-
setzt, vorbei an alten Standbildern eine breite geräu-
rnige Treppe hinaufsteigt und oben wiederum Samm-
lung und Genuß im Wechsel die Freude und dfe Lust
zum Sehen steigern, das kann man nicht crzählen, das
muß jeder Einzelne im Behnschen Haus zu Lübeck in
der Königstraße selbst erleben.

Fra Giovanni
Agnola Montorsoli,

Studie fiir eine
Brunnerifigur

Aus A. E. Brinckmann:
Barock-Bozzetti.
Italienische Bildhauer.
Deutsch-englische
Ausgabe.

Frankfurter
Verlags-Anstalt-A.-G.
Frankfurt a. M.

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