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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI Heft:
1./2. Mai
DOI Artikel:
Engelmann, Max: Das Horologium Mirabile Lundense
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0274

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Das „Hoüologmm tyivabile tundenfe//

üon

Jvtax engctmann

I n der Geschichte der Uhr spieite bisher das monumen-
* tale astronomische Uhrwerk im Dome zu Lund eine
fast sagenhafte Rolle. Altes. Schriftwerk wußte uns
manches von seiner technischen und kunstgewerb-
lichen Bedeutuug zu berichten. D Wie so manches
Frühwerk seiner Art, mußte auch die Lunder Uhr als
untergegangen betrachtet werden. Als ich mich vor
fast 20 Jahren bemühte, nähere Nachrichten iiber ihre
etwaigen Überreste einzuholen, bekam ich von Lund
nur negative Antworten und Hinweise auf aite Quellen.
Seit der 800 jährigen Gedächtnisfeier der Einweihung
des Hochaltars seiner Metropolitankirche, am 17. Sep-
teniber 1923, hat Lund sein „Horologium mirabile“ wie-
der. Mit bewundernswerter Ausdauer, durch weitaus-
greifende Studien in ganz Europa, durch Frnderglück
und außerordentliche Hingebung hat Lunds Dombau-
meister T h e o d o r W a h 1 i n , im Verein mit dem
Kopenhagener Uhrmacher J u 1 i u s B e r t r a m -
Larsen, diese bedeutsame Wiederhersteiiung in
jahrelangen Mühen zur Vollendung gebracht. Wa’nlin
benutzte die wiederaufgefundenen Überreste des mit-
telalterlichen Werkes mit aller gebotenen Pietät und
gestaltete seine Ergänzungen bei der Restaurierung
bewußt so, daß sie als solche zu erkennen sind, sich
a'ber zugleich aufs glücklichste in das alle Ehrfurcht ge-
bietende Frühwerk einfügen. 1913 legte Wahlin seine
ersten Untersuchungsergebnisse der Öffentlichkeit in
einer Schrift vor.* 2) Als Schlußstein seiner Arbeit ließ
Dombaumeister Wahlin soeben ein inhaltsreiches Werk
erscheinen, das in der Literatur über die Geschichte
der Uhr dauernd Beachtung finden dürfte.3)

Im Mittelalter war Lund mit seinem Dome Sitz des
Erzbischofs über den ganzen Norden und somit ein Kul-
turzentrum von größter Bedeutung. Zum berühm-
testen Besitze des Domes gehörte die von einem uns
bisher unbekannt gebliebenen Meister errichtete Uhr.
Sie dürfte in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhun-
derts erstanden sein. Urkundlich wird sie das erste
Mal 1442 erwähnt. Die älteste nähere Beschreibung
der Uhr stammt von dem Pfarrer und späteren Bischof

b Pontanus: Cosmographia regni Daniae (Amsterdam 1631)
— P. Heylin: Cosmographie i-n foure Bookes (London 1665) — W.
Derham: Artifical clockmakers (London 1696) — F. Berthoud:
Histoire de la mesure du temps (Paris 1802); in der neueren Lite-
ratur u. a. bei C. Schulte: Lexikon der Uhrmacherkunst (Bautzen
1902), hiernach soll die Uhr 1658 von den Dänen geraubt und auf
dem Schiff untergeigangen sein; — C. Dietschold: Die Turmuhren
(Weimar 1894).

2) Th. Wahlin: Lunds Domkyrkas gamla konstur (als Manus-
kript gedruckt).

3) Th. Wahlin: Horologium Mirabile Lundense. Det Astrono-
mika Uret J Lunds iDomkyrka. Mit deutsc'her Zusammenfassung.
Resume en francais; mit 116 Abbildungen Lund (1923) C. W. K.
Gleerup in 4°,

von Lund: Magnus Matthiae (Mogens Madsen) aus dem
Jahre 1587, in des G. Braunius: Civitates orbis terra-
rum. Die meisten späteren Erwähnungen gehen auf
diese Quelle zurück. Für die Wiederherstellung durch
Wahlin war die Schilderung Mogens Madsens eine der
wertvollsten Unterlagen. Das Lunder Werk hat in
seiner astronomisch-kalendarischen Anordnung, wie in
seiner Automaten-Mittelgruppe des Huldigungszuges,
wesentliche Verwandtschaft mit der ersten, 1352—54
errichteten Münsteruhr zu Straßburg, der sogenannten
Dreikönigsuhr. Als weitere, namentlich auch zeitlich
der Lunder Uhr naheliegende astronomische Monumen-
taluhren sind diejenigen zu Villingen, Lübeck, Münster,
Wismar, Doberan, Rostock und Danzig als Ge-
schwisterwerke zu nennen.

Seine Überreste wurden 1837 abgebrochen. 1907
begannen die ersten Untersuchungen über seinen Wie-
deraufbau. 1913 wurden durch geeignete Gipsmodelle
die Platzverhältnisse im nördlichen Seitenschiff, wo die
Uhr heute steht, ausprobiert. 1915 bestätigte der König
die Mittel zur Wiederherstellung durch den Domrat.
Die Gesamtkosten der Wiederherrichtung betrugen
141 500 Kronen.

Es dürfte sich an dieser Stelle erübrigen, auf dic
Technik des modernisierten Werkes selbst einzugehen.
Es sei hier nur so viel angedeutet, daß die Schlag-
glocken des Domes mit dem Uhrwerk insofern in Zu-
sammenhang gebraoht wurden, als man ein 1706 ge-
fertigtes, als Trümmerhaufen wieder aufgefundenes
Triebwerk der früheren Domuhr zusammensetzen und
entsprechend seinen Zwecken verbessern konnte. Es
dient nunmehr, außer als Schlagwerk, als primus motor
für die Auslösung der verschiedenen Spezialwerke der
wiedererstandenen Uhr. Der Zusammenhang der
Dom-Schlagglocken mit dem Uhrwerke entsprioht
gleichfalls dem Beriohte des Mogens Madsen.

Die beiden kubischen Massen der Lunder Uhr ver-
lieren, bei aller hervortretenden technischen Sachlich-
keit, durch Vorlagerung des oberen Teiles, dureh die
anziehenden Automatengruppen, durch das feine Maß-
werk und die geschnitzten Zwickelfiguren, durch ihre
Farben alles Profane, was Räderuhren von derartigem
Ausmaße in Kirchenräumen anhaften könnte. Die Wir-
kung auf den Beschauer steigert sich fast noch in der
Seitenansicht durch die stärker hervortretenden Reliefs
der Flächen. Der Lunder Uhr ähnlich dürfte die erste,
1352 fertiggestellte Münsteruhr in Straßburg, nach den
erhaltenen Nachrichten gestaltet gewesen sein.

Das Stundenzifferblatt mit seinen 2 X 12 Stunden
umkreist ein Zeiger, dessen Spitze als die leitende und
mahnende Hand Gottes gestaltet ist. Mit seinem Krei-
sen als Stundenweiser versinnlicht er 'zugleich den
scheinbaren Umlauf der Sonne am Firmament. Der

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