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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Augustheft
DOI Artikel:
Das neue Frozzel-Ornament: Eine wehmütige Betrachtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0377

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Herausgßber: TXdOlpfl DonQill

1./2. Augusi-Jh-ßft

Das neue proeeei - Ornament

Sine toebinüttge Bett?acf)tung
üon

öußaü 6. pasauüek

jas Wort „Ornament" hat in unseren Tagen keinen
guten Klang. Von Ornamenten oder Motiven zu
sprechen gilt als unmodern. Man hat jetzt viel schiönere
Ausdrücke dafür, wie etwa ..kosmisclies Empfinden“,
wie etwa einer der Weimarer Bauhaus-Häuptlinge sich
zu äußern belieht, und wird bald noch hundert weitere
erfunden haben, etwa: Offenbarungen künstlerischer
Seelenschwingungen, Emanationen ästhetischer Potenz,
Ausstrahlungen transzendentaler Befruchtung, materia-
lisierte Protuberanzen des Ich-Bewußtseins oder ähn-
liche schöne Bildungen statt der zu unbedeutenden
Wörtlein „S c h m u c k“ oder „Z i e r“.

Aber nicht nur das Wort, auch der Begriff ist in
weiten Kreisen verfehmt, was man noch erklärlicher
findet, wenn man bedenkt, daß wir in diesem „Artikel“
eine geradezu skandalöse Baisse erreicht häben. Ent-
weder wurden die Ornamente recht ä u ß e r 1 i c h und
ungeschickt einem Gegenstand angepappt oder angehef-
tet und dadurch vielfach die Formgebung unglücklich
beeinträchtigt, oder aber man berücksichtigte wohl die
Unterordnung des Ornamentalen unter das Konstruk-
tive, Tektonische, brachte es wohl auch in entsprechen-
dem Ausmaß und an der richtigen Stelle an, aber der
Schmuck sel'bst war gänzlich phantasielos, nur eine
Wie d e r g a b e jahrtausende a11 e r M o -
t i v e, als ob es außer Akanthus, Palmette, Mäander
und dergleichen garnichts rnehr in der Welt gäbe. Die
Folge davon, bezw. die Reaktion dagegen, war eine un-
glaublich weitgehende Enthaltsamkeit, die in dem
Schlagwort „L o s v o m 0 r n a m e n t“ ihren Aus-

druck und zufällig in dem Wiener Architekten Loos
einen seiner wesentlichsten Herolde fand. Man begann
gegen alle „Ornamentiererei“ zu wüten, ja sogar jede
Kunstform zu leugnen und wollte nur die nüchterne
Zweckform gelten lassen. Aber die „S c h ö n h e i t
d e r M a s c h i n e“ — auch eines von den beliebten
Schlägwörtern —, die jede ästhetische Phantasietätig-
keit ausschließt, konnte sich auch nicht halten, da die
Kunst doch dazu berufen ist, atle ihr gestellten Aufgaben
zu lösen, also auch für r e i c h e r e, repräsentative
Zwecke und zwar gerade da nicht an letzter Stelle zur
Verfügung zu stehen hat. Und wenn sich die modernen
Künstler ablehnend verhielten und in solchen Fragen
lediglich die etwas bequeme Auskunft der S c h ö n h e i t
eines vornehmen Materials zu wählen wuß-
ten, so kamen die immer willfährigen Handlanger hinzu
und variierten wieder ein wenig den alten Kleinkram,
oder aber sie wurden naturali-stisch, was man
in Verlegenheitsperioden immer wird, und pflückten
einige Blümchen am Wege, um sie m’it mehr oder weni-
ger Geschicklichkeit an dem zu schmückenden Gegen-
stand anzubringen.

Gewiß ist die Natur die erste und wesentlichste
Anregungsquelle für sämtliche Kunstleistungen; das
war in der ganzen Welt zu allen Zeiten so und wird
ewig so bleiben. Aber die d r e i N a t u r r e i c h e, in
erster Reihe die Botanik, sind keine Kompendien für
eine geistlose Abschriftnahme. Ob sich der Künstler,
der diesen Namen wirklich verdient, analytisch von
ihnen anregen läßt oder aber auf dem Wege der Syn-
 
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