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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Augustheft
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Das neue Frozzel-Ornament: Eine wehmütige Betrachtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0378

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these vorwiegend unter bewußter oder noch mehr
unbewußter Zuhilfenahme der Geometrie oder
Stereometrie zu neuen Gebilden gelangt, ist
nebensächlich. Interessant wird diese Angelegenheit
erst, wenn ein wirklich künstlerisches Können irgend-
wo gesehene Momente ganz verarbeitet und u m g e -
f o r ni t hat, ähnlich wie dies eine Biene tut, die keine
nnveränderten Blütenstäubchen sondern aus diesen ge-
bildeten Honig und Wachs nach Hause bringt. Dies
kann aber eben nur eine Biene und nicht etwa eine ge-
wöhnliche Fliege.

Weil nun gerade in unserer Zeit, trotzdem die
Sehnsucht nach brauchbaren Zierelementen vielleicht
noch nie so stark war 'wie jetzt, die Fähigkeit, entwick-
lungsfähige Ornamente zu schaffen, sonderbarerweise
sehr wenig entwickelt ist, so leiden wir darunter un-
säglich und müssen zu allerhand Auskunftsmitteln grei-
fen. Unsere Zeit ist eben ungleich stärker nach d e r
technischen Seite entwickelt, sodaß wir auf
diesem Gebiete auch den schwersten Anforderungen
mit Leichtigkeit genügen, während das Spiel der 'Fhan-
tasie dadurch zurückgedrängt wurde.

Verfolgen wir einmal aufmerksam die verschie-
densten Gegenstände des Kunsthandwerks mit Aus-
schluß derjenigen, die nur Elemente historischer Stil-
arten herangezogen haben. Gerade bei den geschmack-
vollsten Erzeugnissen unseres modernen Kunsthand-
werks werden wir, sofern der Schmuck nicht lediglich
in der Farbe zum Ausdruck kommt, viel 'weniger soge-
nannte Ornamente finden, als eine Teilung der
Fläche oder Körperoberfläche durch Striche, Bänder,
Streifen, Punktreihen und dergleichen, die die Profile
und Linien begleiten oder irgendwie aufteilen. Heute
stehen die Streifen, namentlich überall dort, wo die Far-
be hinzutritt, weitaus im Vordergruude; gestern waren
es die Karos oder Würfelmuster, also auch nichts ande-
res als eine Teilung durch senkrechte und 'wagrechte
Linien. Das kann ja alles, namentlich wenn aucli die
Schönheit des Materials mitspricht, ohne Zwei'fe'l sehr
gefällig sein, ist jedoch niemals modern, ebenso 'wie es
nie ganz unmodern werden kann, weil jede Teilung
lediglich z e i 11 o s ist. Erst wo die Zier m i t b e -
stimmte u Umriss e n rechnet, entsteht ein Zeit-
stil-Element, das natürlich, wenn es rasch zu Tode ge-
hetzt wird, auch nur ein Mode.-Element bleiben
kann. Das charakteristische Beispiel dafür sind die sti-
l’isierten Wiener Blumen, die von Josef Hoffmann,
Dagobert Peche und anderen Führern der Wiener
Werkstätte ihren Ausgang nahrnen, nun überall in gei'st-
losen Repliken von nur geringen Variationen verwendet
werden, sodaß man es begreiflich findet, däß z. B. der
aus Österreich stammende Darmstädter Künstler Mar-
gold seine eigenen Bahlsen-Keks-Packungen, die doch
auf diesem Gebiete gewiß zum Besten zählen, garnicht
mehr sehen kann und nun auch gegen jedes Orament
wettert. Und trotzdem sieht es so aus, als ob es an
Stelle der früheren hoffnungsvollen Vielgestaltigkeit
nur dieses eine Rezept gäbe, das auf diese Weise

leider bald ganz erledigt sein wird, weil man sich nicht
die Mühe nahm, neue hoffnugsvolle Keime hinzuzufügen.

In der jüngsten Zeit beginnt sich allerdings noch
ein zweites leider weniger hoffnugsvolles Ornament
hinzu zu gesellen, dem wir unsere Aufmerksamkeit
frühzeitig zuzuwenden haben, damit es nicht im Kunst-
gewerbe eine ähnliche Verheerung anrichte ’wie in der
sogenannten hohen Kunst, von der wir diese zweifel-
hafte Erbschaft zu übernehmen im Begriffe sind.

Das Staatliche Bauhaus in W e i m a r, das in seiuer
letztjährigen Ausstellung wie in dem damit zusammen-
hängenden von Carl Nierendorf-Köln herausgegebenen
Buch endlich eine Rechenschaft über seine bisherige
Wirksamkeit gibt, ist zwar nicht die einzige Stätte, wo
dieses für unser Kunsthandwerk neue Element auf-
taucht, äber doch jener Ort, von dem aus es am meisten
Eingang und Verbreitung finden könnte, zumal doch
jeder von uns „rerum novarum cupidus“ ist. Hier ent-
wickelt sich so etwas wie eine Methode in diesen Din-
gen, sodaß wir uns zur Charakterisierung dieser Ele-
mente vielleicht mit dem Weimarer Beispiel begnügen
können. Von Gropius, der zu unseren interessantesten
Architekten zählt, obwohl ihn nur die Raumgestaltung
interessiert und er, wie viele andere moderne Architek-
ten, für eine phantasievolle, weitere Ausschmückung
nicht v.iel übrig hat, soll hier ebenso wenig die Rede
sein, wie von jenen Erzeugnissen des Weimarer Bau-
hauses, die rein oder vorwiegend konstruktiv gehalten
sind und unter den namentlich die entzückenden ge-
streiften Textilien weitaus die erste Stelle einnehmen.
Aber das Kleeblatt Kan dinsky, Schlemmer
und K 1 e e erfordert eine umso schärfere Releuchtung,
weil überaus geschickte Reklame deren Arbeiten als
unerhörte Offenbarungen eines großen küustlerischen
Wollens hinzustelfen sucht.

Wollen wir zunächst bei den flächenhaften wie
auch bei den körperlichen Gebilden, die sich bei Schlem-
mer und seinem Anhang keineswegs so reinlich von
einander scheiden, wie dies sonst in der ganzen Kunst-
entwicklung der Fall ist und bei guten Kunstschöpfun-
gen auch stets der Fall sein wird, von allem abgesehen,
was mit der Frage von Heil-Dunkel-Wirkungen und
was mit der Farbe zusammenhängt, sondern uns ledig-
licli auf die wahrnehmbare Zeichnung einlassen.
Da wir uns im Bereiche der bildenden Kunst befinden
und nicht in dem der Musik haben wir auch die selbst-
verständlichen Voraussetzungen und Grundiagen für
jede Art von bildender Kunst, die uns durch die Augen
vermittelt wird, einzuhalten. Die genannten Kiinstler
und manche anderen, denen jede kritische Behandlung
ihrer Schöpfungen ein Dorn im Auge ist, mögen sich,
da sie innerhalb der alies umnebelnden Weihrauchwolke
ihrer Freundesclique selbst jede Klarheit verloren ha-
ben, noch so sehr dagegen wehren, daß man sie mit
Fragen behellige. Es ist natürlich viel bequemer, solche
Erzeugnisse als eine unantastbare Eingebung göttlicher
Inspiration hinzustellen, die einfach hingenommen wer-
den muß und in ebenso gefälligen als verschwommenen
Redewendungen gewandter Herolde daraui hinweisen

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