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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Aprilheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Nymphenburger Porzellan: zum Abschluß des Monumentalwerkes von F. H. Hofmann
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Revision des englischen Urteils über Leonardos "Flora" / Die Messeausstellung des Kunstgewerbemuseums Leipzig / Der Lehensnbecher / Aus der Künstlerwelt / Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Schweizerische Kunstchronik / Kunsthistorisches institut in Florenz / Sammlung Glückstadt Kopenhagen / Neuere französische Kunst aus Pariser Privatbesitz / Verkauf Cumberlandscher Gobelins in London / Aus der Museumswelt / Neue Kunstbücher / Neues vom Kunstantiquariat
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0250

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verschiedenen Zeiten wir nun so ausführlich vor uns
seheu, besonders schätzen und liebeu Kelerut; eiu Un-
ternehmen, das der Welt den ersten Rokokoplastiker
aller Zeiten und Völkcr geschenkt hat, erfordert eine so
ausführliche und liebevolie Bearbeitung, wie sie ihm

Hofmann hier angedeihen ließ. Und der renommierte
Hiersemann’sche Verlag hat alles aufgeboten, um das
äußere Gewand dieses stoizen Werkes so zu gestalten,
daß es auch den verwöhntesten Ansprüchen vollauf
genügt.

Rcuißon dcs engtifcben Uüteils Cibet’ teonat’dos „flot’a”.

Man erinnert sicih, daB 19Ü9/1910, als W i 1 h e 1 ,m 'v o n B o d e
in London die Wachsbüste der „Flora“ für das Kaiser Friedrich-
Museum erwarb und sie als Werk des Leonardo bestimmte, die
„Flora“ plötzlich als „Fälschung“ bezeichnet wuride. Der Kampf
ge,gen 'Bode und seine Flora nahm daimals in D'eutschland die
gehässigsten Formen an. Heute nun, nach 15 Jahren, wird idiese
Frage gerade von dem Kunstgelehrten E. V. iLucas, jenem eng-
lischen 'Gegner ßod'es, der danrals d.ie 'Wachsb-üste seinein Namens-
vetter, dem Bildhauer Lucas zuspräch, energisch angeschnitten
und — z u G u n s t e n Bodes und der „Flora“ erledigt.

Lncas veröffenitlicht nämiich ,in den „T i m e s“ innerhalb einer
großen 'Artikelserie über die größten europäischen Museen einen
Aufsatz über dasAKaiser Friedrich-Museum, worin er
u. a. über Bode sehreibt: „Höchstwaihrscheinlich hat noch niemals
ein M'useum einen solchen Direktor gehabt, der glieiohzeitiig solch
ein Flair fiir Seltenhieiten ,und Ou'alitäten besaß, solch ein rieiches
Wissen und solch eiii'e Überredungskunist, von den Reichen eut-
weder Kunstwerke Iierauszulocken oder das Geld, sie für das
Mus,eu:m zu erwerben. Ei'iie Ltste ider Neuerwerhungen der Natio-
nalen Sammlung'en seit Bodes Tätigkeit aufzustellen, wiirde gewiß
ein isehr beime.r;kenswerites Dokument sein; nicht wen.igc der
am meisten geschätzten sind seine eigeiien Stiftungen.

Zugegeben, daß ilun Irirtümer vorgeworfen werden, älber im
Ver.gleich mit dem Ergebnis seines Schaffens sind sie unwichtig.
Man wird sicli erinnern, daß ,im Jahre 1910 Bode aus englischer
OueHe eine Wachsfigur der F 1 o r a erwarto (nur zu of,t lrat er auf
imsereii Auktionen triumphiert!); ob sie nun das Werk des großen
Leonardo war oder eines obskuren englischen Bildhauer's, der d,en
gleichen Namen lrat wie ich, war die Frage des Tages und auch
der W i t z. Icli g e s t e li e, micli bemiiht zu haben, diesen W i t z
z u v e r b r.e i t e n ; aber d a s w a r , b e v o r ich die Figur
geschen liatte. Jedesmal, seit ich sie nun gesehen, bin i'ch
melir und Imehf ii to e r z e u g t, däß sic echter Renais-
s a n c e - A b s t a m m u n g ist, was für iReparaturen ,an ihr von
der spätercn cngli!scheii Hand auch vorgcnommen sein mögen.“

Dieses Urteil des englischen ‘Kunstgelelir.tcn spricht Bände.
Es eriibrigt sicli also, näher auf den „Fall“ eiinzugehen. Doch zu
den sogenaniiteu „Jrrtümern“ ßodes möchten wir toios bemcrken,
daß seinertzeit aucli das Gemälide „Neptun und Amphitrite“ von
Rubens fiir „falsch“ eriklänt wordcn ist oder der von Bode
gespendete „Tobias“ Rembrandts gleichfalls ftir „falsch“,
W.erke, die von der Kunstwissenschaft bereits seit iangem aner-
kannt sind. Wir möchten heute nur die Wor.te wiedergeben, die
Bode selbst iibcr die Flora des Kaiser Friedrich-Museums in sei-

neu „Studien ii'ber Leonardo da Vinci“ (G. Grotesch« Verlags-
buchhandlun«, ßcrlin 1921) niederschrieib; sie hatoen so ehernen
Chärakter, daß sie jegHchen Angriffs spotten. Bode schreitot titoer
die ,FIora“:

,',‘Daß sie jemäls für imodern erklärt worden ist, wird man
kaum noch verstänidlicli finden, wenn die Nacbwirkungen des
Streites, ,der mit eiiner Heftigkeit und Gehäss'igkeit, wie nie iiber
ein anderes Kuinstwerk, in den J.ahren 1909 und 1910 iiber die
Eclitheit der Büste gefiihrt worden ist, einmal ü'berwunden sein
wierden. Nocli heute sieht man, wie die dämals wahrsch,ein!ich
im liesftz von Lord Palimerston oder noch von Lord Cowper be-
lindMche Büste von unniü'tzen Knaben durch Schüss'e aus 'Zimnier-
pistolen schwer 'beschädigt und danni idurc'h den Restaurator
Lucas um 1845 bei deni Versuche, jenc Beschäd'igungen. zu toe-
seitigen, 'den laLten Scliinutz zu entfernen und die nackte Gestai't
durch Bekieidung salonfähig zu machen, irn Gesicht roit heilkrn
Spatel geglättet u.nd d'adurch teilweise modernisiert worden ist.
,Da diese iible Restauraiion aber zum Glück den größten Teil der
Bü'ste ncht iberührt hat, (diie Aibbildung nacli eäner .Photographic
lnit Lvucas eigenhändiiger Aufschrdft: The Flona of iLeonardo da
Vitnci zeigt den Zustand der Büste vor der Restauration), läßt die
Arbeit den alten IMeister um so deutlicher erkennen, wie auch
Leon'ardos Erfindung selbst in den geglätteten Zügen des 'Gesichts
noch uniyerk-enmbar sich ausspricht, mag nun er seibst, mag ein
SchüLer dle Büste ausgeführt haben. Das lAlter der Büste und
Lhre lEntstelumg in Italien zur Zeit der 'Renaissance :ist naeh dem
übereinstimmende'n Urteil der, dan'k fhr'er langjähri'gen Restau-
rationsärbeiten an alten Wiachstoossierungen besten Kenn'er d'er
Wachsplastik, M. Edouard Bo,uet in Paräs utid F.rau Annette von
Eckardt :in Miiiichen, e'benso zweifellos, wie das Alter der Farfoein;
unser erster Faribenchemiker und Kenner der älten Malimethodien,
Prof. E. Raehlmann, liat die Farben der Bemalung — elnige kleinie
ausgebesserte Steilen ausgenommen — als Farben luchgcwiesen,
■die itut 'iin späten Mitte.lalter umd in der Renaissance angewandt
wurden. Daß die Erfindung der Florabüste auf Leonardo zuriick-
gehen muß, daß sie in engst-er Verbindung mit der Gioconda steht
und schon nac.h den kräftigen Formen und dem faszinierenden
Lächeln um 1504/1508 emtstanden sein muß, ist seinerzeit von ver-
schiedenien 'Seiten so ausführlich dargelegt worden, d'aß ich ,auf
die Aufsätze, die darüber 1909/10 im „Jahirbuch“ und in den
„Amtlichen Berich'ten“ erschienen sind, verweisen kann. Als
einer de.r zwinge'ndsten Beweise ftir die Bedeutung, welclne ge'rade
die'se Florakomposition Leonardos auf die Malerei O'beritaliens
gehabt hat, erweiist sic.h die vielfache, zum Teil fast sklavische
Benutz'ung der Büste selbs't durch hervorragende Ma'ler . . . “

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