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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Novemberheft
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Donath, Adolph: Die moderne Berliner Malerei in Dresden: zum 30järigen Bestehen der Galerie Arnold
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Heise, Carl Georg: Kunst in Gotenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0082

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Die modetme Bet’tmet? ]Matet?et in Dcesden

Eum 30)äbctQeti Bcstcbcn dcu Qatccic Acnotd

oon

Adolpb Donatb

W. G u t b i e r von der Galerie Ernst Arnold in
Dresden, der gerade in der letzten Oktober-
woche, da sein Kunsthaus die Feier des 30 jährigen Be-
stehens beging, in die Reilie der Fünfziger eintrat, hatte
es sich vor etlichen Monaten in den Kopf gesetzt, die
Frühjahrsausstellung der Berliner Akademie nach Dres-
den zu bringen. Der Gedanke war gut, die Akademie
stimmte zu. Aber die Schwierigkeiten sind zu groß
gewesen. Und so reifte in ihm schnell die Idee, von
sich selbst aus den Dresdnern vorzuführen, was in
I3erlin an Kunst gemacht wird. Leicht war die Sache
nicht, doch man zwang sie.

Die jetzige Dresdner Ausstellung ist natürlich nicht
so umfangreich wie jene der Berliner Akademie, wirkt
aber in ihrer Komprimiertheit umso instruktiver, als
sie zur Entwicklungs-Darstellung der modernen Male-
rei, sofern sie Berlin tangiert, manches wichtige Stiick
bietet, das die Akademie verschwiegen hat. Ich schrieb
damals im „Kunstwanderer“ (1. Maiheft 1923): „Die
Akademie der Kiinste sucht in ihrer Frühjahrsausstel-
lung nicht nur alle „die Prominenten“ zu vereinen, son-
dern auch alle jene älteren und jüngsten Kräfte, die iiber
den Durchschnitt emporragen. Das ist gewiß dankens-
wert, daß Lieberma n n sich darum bemüht, diesen
Plan durchzuführen, aber es gibt dabei doch immerhin
manches, das ihm vorläufig noch nicht geglückt scheint.
Wenn man zum Beispiel S 1 e v o g t ein eigenes Kabi-
nett einriiumt, Munch einen eigenen Saal (sie beide
verdicnen, bei Gott, die Ehrung), Karl H o f e r eineri
ganzen Saal, obgleich Hofer trotz seiner kunstgewerb-
lich-malerischen Tüchtigkeit kein Wegweiser ist —
warum ist dann ein Lovis C o r i n t h , der gerade in
seiner neuesten Epoche eine künstlerische Wucht son-
dergleichen zeigt, bloß mit drei Bildern vertreten und
warum fehlt Lesser Ury überhaupt? Die Akademie
woilte sich offenbar keine Ablehnung liolen; sonst hätte
Ury, dessen bedeutsame Stellung in der Entwicklungs-
geschichte der modernen deutschen Malerei weder zu
leugnen noch zu stürzen ist, zumindest den gleichen
Raum bekommen müssen wie Slevogt usw. Aber viel-
leiclit will das die Akademie ein andermal nachholen.
Liebermann ist ja so fabelhaft klug, daß man ihm
solches Beginnen schon zutrauen kann.“

In der Galerie Arnold in Dresden sind nun C o -
rinth und Ury ganz vorn an der Spitze. Beide
sind, meines Erachtens, Maler-Individualitäten, die aus
sich selbst sich entwickelt haben, jeder von ihnen in
anderer Art und beide ohne Einfluß von außen, rein nur
instinktmäßig, kraft ihrer eigenen Kräfte. So ein Go-
rinth’sches Porträt, wie das des Malers Pasternack, ist
nicht bloß überquellende Malerei künstlerischen Er-
lebens, sondern Erlebnis für den Schauenden, sich in

das Werk Einfühlenden, und so wie die glühenden
Blumen Corinths und seine bergluftschwangeren Wal-
chensee-Ausschnitte kein anderer Maler gleich persön-
licli stark wiederholen könnte, so kann auch keine an-
dere Malerhand die vibrierende Luft und schimmernde
Farbenpoesie eine Uryschen Gardasees einfangen oder
die großstadtfeuchte atmende Dämmerungsatmo-
sphäre einer Ury’schen Unter den Linden-Stimmung.
Wenn sich die Kunstgeschichte einmal über die Ent-
wicklung der Kunst unserer Tage verbreiten wird, dann
wird sie „die Entwicklung“ nicht in der „Richtung“
suchen, die von außenher dekretiert und propagiert
wird, sondern in der Entwicklung der einzelnen Künst-
ler-lndividualitäten, deren Natur- und Menschheitsge-
fühl frei und ungebunden ist, frei von Kunsttheorien
und nicht gebunden an Marschrouten.

Solche Dinge fallen einem ein, wenn man diese
außerordentlich anregende Ausstellung bei Arnold be-
trachtet, die aus dem ganzen Berliner Kreise von und
um Liebermann und abseits von ihm bis zu
Pechstein und C h a g a 11 relativ das stärkste
herauszuholen strebt. Liebermann selbst ist sehr kost-
bar vertreten (Allee in Haarlem 1901 und „Auf der
Bank"), Slevogt mit einem impressionistischen
Bildnis der kunstfreundlichen Frau Gutbier. Von
Dettmann, der sich wieder gefundcn zu haben
scheint, Ulrich H übner, P1 o n t k e , O r 1 i k ,
J a e c k e 1, Heckendorf, P a r t i k e 1 sieht man
liöchst achtbare Stücke und nicht minder fesselt uns das
künstlerisch-frische temperamentvolle Zupacken der
Charlotte Berend (in ihrem Selbstbildnis). Ein zar-
ter Oskar Moll, eine feine helle Landschaft von
H e c k e 1, ein bravouröses Blumenstück von P e c h -
s t e i n bilden dann den Übergang zu der Serie der
K i r c h n e r , R a d z i w i 11, Schmidt-Rott-
1 u f f. Und auch C h a g a 11 ist da und M u n c h , der
doch immerhin mit der Berliner Malerei zusammen-
hängt.

Die Anordnung verdient Respekt. Gutbier geht auf
Farbenklangwirkung aus, stuft ab, indem er gefühls-
mäßig hängt, dämpft die Akkorde, indem er beste
Plastik einfügt (Gau l ist da und Kolbe in seinen
meisterlichsten Bronzeiii, de F i o r i und die S i n t e -
n i s ). Kurzum, es ist wieder einmal eine Ausstellung,
die vorbildlich wirkt. Pie Galerie Arnold hat ja schließ-
lich in diesen dreißig Jahren schon besonders ersprieß-
liches geleistet. Sie ist nicht nur ein Pionier des Kunst-
handels ftir die Pioniere der modernen deutschen
Kunst gewesen, sondern aucli fiir die der französischen
Kunst des 19. Jahrhunderts, der die deutschen Sezes-
sionen vom Ausgang des Jahrhunderts unendlich viel
verdanken.

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