Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI issue:
1./2. Juliheft
DOI article:
Köhler, Ida: Geschnittene Steine, Glaspasten und Wedgwood - Kameen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0353

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Qefcbnittene Stetne, Qtaspaffen und LDedgu)Ood^Kameen

oon

Ida Kö £) leüclÜien

jie einst weitverbreitete Kunst des Steinschnittes
wird in unseren Tagen nur mehr wenig ausgeübt.
Seit frühesten Zeiten bei Phöniziern und Griechen be-
kannt, wird sie auch schon im alten Testament erwähnt.
Der Hohepriester Aaron trug eine Brustplatte mit
zwölf verschiedenen Gemmen, in welchen die Namen
der zwölf Stämme Israels eingegraben waren. Hero-
dot berichtet, daß jeder Babylonier einen Siegelring
trug; an den Fingern von Mumien, beispielsweise im
Berliner Museum, stecken noch Siegelringe. Auch in
Rom war die Sitte derartige Ringe zu tragen seit der
letzten Zeit der Republik allgemein geworden und die
Vorliebe für geschnittene Steine führte zur Anlegung
großer Sammlungen, die oft in Tempeln aufgestellt
wurden. Julius Cäsar stiftete sechs Daktylotheken für
die Tempel der Venus Genetrix.

Allerlei Geräte und Gefäße wurden mit Gemmen
besetzt und es entstanden damals die kostbaren Ka-
meen, die in den großen Sammlungen aufbewahrt
werden. Auch Glaspasten nach gravierten Modellen
wurden zur Zeit der Antike hergestellt. Plinius sagt,
daß man Glas nicht nur blase, sondern auch auf der
Drehbank zu bearbeiten und wie in Silber etwas hinein
zugraben verstände.

In der großen Sammlung des Wiener Museums,
zu der Kaiser Rudolf II. den Grundstock legte, findet
man Werke des Altertums, der Renaissance und der
neueren Zeit; unter ersteren bekanntlich die berühmte
Gemma Augustea. Die Kameen der Renaissance haben
wohl nicht ihresgleichen, sind nicht allein nac'h ihrem
innern Wert zu beurteilen, sondern auch nach dem der
prachtvollen Fassungen, Meisterwerken der damaligen
Goldschmiedekunst. Ein besonders schönes Stück ist
die Leda mit dem Schwan von Benvenuto Cellini, für
Gabriello Cesarino-, Gonfaloniere von Rom, 1524 als
Hutzierde gemacht. Der Torso der Leda ist antik, die
Fassung aus emailliertem Gold. Man verwendete außer
Hdelsteinen die verschiedenen Sorten von Onyx, Sar-
donyx und Achat und auch einige Muschelsorten, deren
Substanz aus mehreren Lagen in verschiedenen Farben
besteht. Die ausgeschnittene Zeichnung war meist weiß
oder in lichterer Farbe als der Hintergrund. Manches
Meisterwerk der Antike ist durch die Wiedergabe in
derartig verkleinerten Kopien der Nachwelt erhalten
worden. Im Mittelalter verwendete man zur Verzie-
rung von kirchlichen Geräten antike Gemmen, die erst
durch eine der Teufelsausbreitung ähnliche Zeremonie
ihren Zweck erfüllen durften. *)

Zur Zeit der Hochrenaissance erwachte in Italien
neuerlich das Interesse an Gemmen, nachdem im 14.

b Haendke, Entwicklungsgeschichte d. Stilarten.

Jahrhundert Petrarca auf diese Werke der antiken
Kleinkunst hingewiesen hatte. Viel Wertvolles kam bei
Ausgrabungen zutage und in den Kirchenschätzen fan-
den sich kostbare Stücke. Papst Paul soll einmal ver-
geblich der Stadt Toulouse angeboten haben, ihr eine
Brücke über die Garonne zu bauen, wenn sie ihm den
großeti Kameo (gemma augustea) der bei der Stadt
belegenen Kirche von Saint Sernin, geben würde.
Franz I. machte später kurzen Prozeß, er nahm als
Landesfürst der Kirche ganz einfach den Kameo weg
und steckte ihn in sein „Kabinett“.2)

Die größten Sammler des 15. Jahrhunderts waren
Lorenzo di Medici und Papst Paul II. (1464—71), der
schon als Kardinal gesammelt hatte, Die Häuser Gon-
zaga, Farnese in Rom, im Cinquecento die Päpste Ju-
lius II. und Leo X. legten Sammlungen an, letzterer er-
rang hohen Ruhm, nicht nur als Sammler, sondern auch
als Kenner und Förderer der Künste. Auswärtige
Fürsten, wie Franz I. von Frankreich folgten den glanz-
vollen Vorbildern in Italien.

Kameen wurden damals vielfältig verwendet, als
Schmuck-steine in Ringen und an Kopfbedeckungen,
Halsketten und Kleidungsstücke wurden damit besetzt.
Die Darstellungen waren teils religiöse, teils mytholo-
gische, Werke der gleichzeitigen Maler und Kupfer-
stecher dienten zum Vorbild, sowie antike Münzen und
natürlich wurden auch berühmte antike Gemmen durch
Kopien vervielfältigt. Vasari nennt einen Steinschnei-
der dieser Zeit, der bei Lorenzo de Medici in großer
Gunst stand. Er hieß Giovanni della Carniole, da er
hauptsächlich Intaglien in Carneol schnitt; als sein
Meisterwerk galt ein Porträt von Savonarola. Vorzüg-
lich, mit Zartheit und doch mit größter Schärfe soll
der im Jahre 1545 verstorbene Francesco Anichini, der
in Venedig lebte, Gemmen geschnitten haben.

Das achtzehnte Jahrhundert war die Zeit der zwei-
ten Blüte der Steinschneidekunst; die damaligen Arbei-
ten nähern sich denen der Antike. Um derartige Samm-
lungen auch den weniger bemittelten Kunstfreunden
zu ermöglichen, wurden Abdrücke berühmter alter und
neuerer Steine in gefärbtem Schwefel, in Gips und in
Glasabgüssen hergestellt. In der Sammlung Stosch, die
später genannt werden soll, gab es allein 28 000 Stück
dieser Schwefelpasten, die verschollen sind; früher er-
warb sie der englische Modelleur Tassie, von dem
ebenfalls noch gesprochen werden wird. In dem Werk
von Chledowski „Das Italien des Rokoko“ („Die
Sammler“, 14. Kap.) wird der Kardinal Alessandro Al-
bani als einer der besten Kenner des Altertums bezeich-
net. Die ihm nahestehende Marquise Checca Cheruffini

2) Furtwängler, Die antiken Gemmen.

315
 
Annotationen