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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Juliheft
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Justi, Ludwig: Slevogts Zauberflöten-Fries
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Schoenberger, Guido: Handzeichnungen alter Meister aus deutschem Privatbesitz: Ausstellung im Städel'schen Kunstinstitut in Frankfurt am Main. (Juli - September 1924)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0346

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lung gezeichnet, eine ganze Saramlung von dorischen
Kapitälen gedreht (das war die Hauptschwierigkeit).
Die Form lehnt sich an die Säulen an, die Schultze-
Naumburg in die Vorderflucht der Halle gestellt hatte,
und das hat noch eine gewisse Bedeutung, indem Sle-
vogt (selbige Säulen (auoh als Viertel) viermal auf die
Seitenwände gemalt hat; also nun stehen diese Ansatz-
stiicke seiner Erfindung zwar nicht mehr vorn in der
Mitte, aber doch wenigstens als Erinnerung an den
Ecken. Darum haben sie auch ungefähr die hellgraue
Farbe wieder bekommen wie einst in Cladow, und die
Flächen daneben den Ockerton der mancherlei umge-
benden Gutsgebäude und der Halle selbst, und das Stück
Decke, das sich jetzt davor spannt, ist eine — allerdings

gedämpfte—Erinnerung an den tiefblauen Himmel jenes
unerhört strahlenden Sommers 1911, in dessen Kristall-
schönheit das köstliche Werk entstand. Mit der Andeu-
tung der Farben, die damals den Maler beim Betreten
der Halle umgaben, giaubt er selbst, näch vielen Ver-
suchen, die beste Umrabmung gefunden zu haben, zu-
rückhaltend genug, um eben nur Umrahmung zu sein.
Er hat oft gesagt, daß dies viel schwieriger sei als seiner
Zeit das Ausmalen der Halle! Ermüdendes Herumpro-
bieren gegen glücklich beschwingtes Schaffen! Aber
wir hoffen, daß die Besucher der Galerie von allen
Regiesorgen niclrts merken, sondern sich ganz dem
Zauber hingeben werden, der dieser Sdhöpfung klingend
und immer voller klingend entströmt.

jiandEetcbnungen aItev Metffec aus
deutfcbem Pctoatbeßb

Aus(ieUung fm Städel’fcbßu Kun(iin(iitut in prankfurt am Jvlain. (lulisSeptembet’ 1924)

oon

0utdo Scboenbengcü

A usstellungen’ aus Privatbesitz haben immer den
1 *• Reiz der Spannung auf Neues und Unerwartetes.
Wenn nun giar die Sammler kostbarer Handzeichnun-
gen sich entsclrließen, ihre Schätze, die nur wenige Be-
vorzugte kennen, aus den sorgsam verwahrten Mappen
einem weiten Kreise von Kunstfreunden darzubieten,
dann gibt es gewiß Ueberraschungen. Umso dankbarc"
muß man den Sammlern sein, die dieAusstellung imStä-
del ermöglichten; vor allem llerrn J. F. Lahmann in
Dresden, dem die Mehrzahl der altdeutschen Zeichnun-
gen gehört, Dr. C. Otto, Leipzig, der prachtvolle flämi-
sche und holländische Landschaften, und Dr. Valentiner,
Berlin, der 6 Rembrandt-Zeichnungen beigesteuert hat.
Außerdem sind aber tioch eine große Anzahl Sammler
aus Frankfurt a. M., Homburg v. d. H., Berlin, München
und Freiburg i. Br. mit wertvollen Stücken vertreten.
Die Ausstellung ist in der unteren großen Halle des
Städel untergebracht, einem vorzüglich geeigneten
ruhigen Raum, wo man in bequemen Schaukästen bei
bester Beleuchtung die Zeichnungen studieren und ge-
nießen kann. Daß viele der schönsten Blätter in
prachtvollen alten Rahmen liegen, ist ein besonders fei-
ner Akzent, und rnan erstaunt, wie stark und bildmäßig
sie wirken.

Der folgende, kurze Ueberblick will nur eine
knappe Andeutung geben von dem wirklich ganz außer-
gewöhnlichen Reichtum des Gebotenen; Buchminia-
turen, aquarellierte Federzeichnungen aus einer Augs-
burger und einer Hagenauer Werkstatt machen zusam-
men mit Blättern aus dem Schongauerkreis und von
anderen Oberdeutschen Meistern der Spätgotik den
Beginn. Dazwischen liegt ein kle'ines Blättchen von

Bosch, zwei alte Weiblein, ganz sachlich gezeichnet.
aber doch ein wenig unheimlich: zwei richtige Hexen.
Eine prachtvoll ins Rund komponierte Dornenkrönung
von Lukas von Leyden selbst oder doch aus seiner
Richtung, leitet ins 16. Jahrhundert über. Hier ver-
weilt man zuerst be'i Hans Baldung. Von ilnn drei ab-
solut sichere Blätter: eine Clairobscurzeichnung einer
Beweinung Christi von 1518, die die Komposition des
Berliner Gemäldes variiert, indem sie die Gruppe unter
dem Kreuz noch geschlossener sy.metrisch aufbaut, und
zwei Federzeichnungen, eine bisher unbekannte An-
betung des Kiudes und die fiir Baldung nach fnhalt und
Form so ungemein charakteristische Allegorie auf die
Vergänglichkeit, die aus der Sämmlung Rodriguez in
eine Frankfurter Sammkmg gelangt ist. Die Ausstellung
hat zwei ragende Gipfel: der eine ist Dürer, der andere
Rembrandt. Von Dürer überrascht vor allem ein noch
unpubliziertes Blatt aus der Sammlung Lahmann mit
zwei stehenden Heiligen, einem Heil. Sebastian und ei-
nem Heil. Rochus. Es zeigt im Stil noch Beziehung zu
ganz frühen Zeichnungen, wie z. B. der Enthauptung
Johännes des Täufers im British Museum, ist aber im
Linienzug doch großzügiger, fester die Form bezeich-
nend und weist damit schon auf die großen Werke vom
Ende der neunziger Jahre hin. Dann der Oelberg von
1520, ehemals in der Sammlung Lord Hamptons, jetzt
auch in Frankfurter Privatbcsitz (Abb. 1). Es ist ein
besonderes Glück, daß man augenblicklich die drei gro-
ßen Oelbergzeichnungen zusammen sehen kann. Man
möchte wünschen, daß die Ausstellungsleitung wenig-
stens eine Zeit lang die beiden Blätter des Städel mit
der Leihgabe vereinigt.

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