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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Dezemberheft
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Schottmüller, Frida: Italienische Möbel
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Waldmann, Emil: Hundert Jahre Bremer Kunstverein
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0114

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Sehr vielartig war die Gestaltung von Tisch und
Stuhl. Fürs Festmahl freilich hatte man bis ins 16. Jahr-
hundert hinein keine schwere Tafel. Etliche Böcke,
die leicht fortzuschaffen waren, trugen die lange Platte.
Auf Lionardos Fresko vom Abendmahl und anderen Ge-
mälden läßt sich diese Art Aufbau, verhüllt mit großem,
rei.ch bestickten Tafeltuch, deutlich erkennen. Der
Gebrauchstisch im Wohnraum hatte pfostenartige oder
gedrechselte Füße; die letztgenannte Form ist am
reichsten und vielartigsten in Bologna im 17. Jahrhun-
dert ausgebildet worden (Abb. 8, im Besitz von Herr-
mann Gerson), aber daneben haben aucli Standbretter
als Träger seit der Frührenaissance eine große Rolle
gespielt. Bei polygonaler und runder Platte stoßen sie
in der Mitte an einander; bei langen Tischen stehen sie
naturgemäß an den Enden und werden durch ein Ouer-
holz verbunden. Die Form der Standbretter ist oft ari-
tiken Marmortischen nachgebildet, und da dieser Typus
häufig — von allen Seiten sichtbar — in der Mitte des
Festsaals stand, ist an gesclmitzter Verzierung bei
Standbrett und Querholz oftmals nicht gespart. ln-
dessen sind auch hier mit dem anspruchsloserem Mittel
einer reich bewegten Silhouette selir dekorative Wir-
kungen möglich; und die Funktion der einzelnen J'eile
kommt grade bei diesen einfacheren Tischen sinnge-
mäß zur Erscheinung (Abb. 7, im Besitz von Herrmann
Gerson in Berlin).

Bemerkenswert ist die Höhe italienischer Tische,
und ihnen entspricht die der gradlinigen Stühle, die
trctz Rücken- und Seitenlehne selten ein bequemes

Sitzen nach heutigem Anspruch möglich machen. Auch
die Schemel, bei denen das Ziermotiv der tragenden
Standbretter sich häufig in der Lehne wiederholt, sind
merkwürdig hoch bei schmalem Sitz. Ausruhsam dürf-
ten für den modernen Menschen nur die weniger hohen
Faltstühle sein, bei denen Sitz und Rücken aus Leder
oder Stoff besteht. Übrigens haben Kissen — schöne
Exemplare im Berliner Schloß- und anderen Museen —
im Wohnraüm der Renaissance und des Barock eine
wichtige Rolle gespielt.

Als im verflossenen Jahrhundert das Sammeln ita-
lienischer Möbel aufkam, hat man, gemäß dem Stil im
damaligen Kunstgewerbe, die reichverzierten Typen
bevorzugt. Römische Truhen mit figürlichen Reliefs,
Schemel und Kabinettschränke, die mit Schnitzereien
ganz bedeckt sind, kamen zunächst in die Museen und
Privathäuser diesseits der Alpen. — In Italien selbst ist
das Interesse für Mobiliar neueren Datums. — Als die
Bestände solcher Prunkmöbel sich zu erschöpfen be-
gannen, erschienen auch schlichtere Typen im Handel.
Auch sie fanden Abnehmer; das Verständnis verfei-
nerte sich, und man erkannte immer deutlicher den Reiz
dieser strengeren Schöpfungen; umso mehr, da aucli
die moderne Werkkunst ähnliche Ziele, wie sie er-
strebte. Dem Interieur ordnen sie sich williger ein, als
die anspruchsvoll verzierten Gebilde und behaupten
sich doch neben andersartiger Kunst durch ihren mei-
sterlichen Rhythmus und die diskrete Schönheit des
gepflegten Materials.

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6mÜ IDaldmann

unstvereine haben meistens keinen zureichenden
Grund, auf ihren Geburtstag aufmehksam zu
machen. Sie hätten auch ungeboren bleiben können
und es wäre auch gegangen. Der Bremer Kunstverein
aber hat die Bremer Kunsthalle geschaffen. Ui " wenn
diese Galerie, die zu den besten ihrer Art gehöiü, neute
noch Eigentum nicht des Staates oder der Kommune ist
(wenn aucli der Staat große Zuschiisse leistet und auch
ein wenig an der Verwaltung teilnimmt), sondern sich
immer noch der Selbstverwaltung erfreut, so zeigt dies,
daß hier minimal ein Kunstverein 'schöpferisch ge-
arbeitet hat.

Als er vor 100 Jahren gegründet 'wurde, war seine
Mitgliederzahl beschränkt; auf 30, dann auf 50 Per-
sonen. Es war mehr ein Klub. Als er dann Ausstel-
lungen machte, erst alte Meister aus Privatbesitz, dann
auch Werke lebender Kün'stler zeigte; als die beiden
Sammler Klugkist und Albers ihre Gemäldesammlungen
vennachten und der Kunstverein sich anno 1849 ein
eigenes Haus baute, da war der Grundstein zur Gälerie

und den anderen Sammlungen gelegt, die man heute
unter dem Namen der Bremer Kunsthalle zusammen-
faßt.

Die Bildersäle waren damals noch nicht die Haupt-
sache. Zwar sind die alten Meister sehr schön. Klug-
kist hatte drei Bilder von Dürer, einen Altdorfer, einen
Beham, einen ganz prachtvollen Lucas von Leyden
(ebenso schön, höflich gesagt, wie das Berliner Schach-
spiel). Der Rafaelkopist Bäse machte sicli dadurch un-
sterblich, daß er ein altflorentinische's Hausandachts-
bild von 1423, im alten Rathaus, stiftete, welches dann
Schmarsow, Venturi und die Anderen als Masolino er-
kannten. Und die Sammlung holländischer Bilder des
17. Jahrhunderts aus dem Nachlaß Albers, -später dann
vennehrt durch Einiges aus der Lürman-Sammlung,
ist eine sehr gewählte Sammlung. Aber so schön dles
Alles ist, die Hauptsache war doch das Kupferstich-
kabinett damals, um die Mitte des 19. Jahrhunderts.
Die beiden Sammler, Klugkist und Albers, hatten sich
geeinigt. Klugkist sammelte nur Dürer und Lucas vori

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