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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI issue:
1./2. Januar
DOI article:
Scherer, Christian: Gläser der Empire- und Biedermeierzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0148

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J ie Gläser der Empire- und Biedermeierzeit haben
sich, obwohl sie schon seit langem einen beliebten
Sammlergegenstand für weite Kreise bilden, doch bis
jetzt seitens der Forschung eine etwas stiefmütterliche
Behandlung gefalien lassen müssen. Pflegte man doch
jede geschichtliche Darstellung der Glaskunst in der
Regel mit dem Ende des 18. Jahrhunderts abzuschließen
und das, was in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
darin geleistet worden ist, höchstens noch als Anhang
oder in einer Schlußbetrachtung kurz zusammenfassend
zu behandeln. So ist es auch noch in der zweiten Auf-
lage von Robert Schmidts Glashandbuch geschehen,
dem besten und brauchbarsten, das wir z. Z. besitzen.
Allerdings können sich die Gläser dieser Zeit nicht mit
den künstlerisch meist höher stehenden der vorher-
gehenden Perioden messen; welche Fülle von Schön-
heit aber und welche Mannigfaltigkeit in den Formen
wie in den Dekorationsweisen auch ihnen innewohnt,
haben uns die Ausstellungen gezeigt, die 1907 und 1915
im kunstgewerblichen Museum in Prag und vor allem
1922 zu Wien im dortigen Österreichischen Museum für
Kunst und Industrie veranstaltet waren. Man braucht
nur Trenkwalds trefflichen Katalog der letztgenannten
Ausstellung zu durchblättern, um sofort zu erkennen,
daß es sich hier um Objekte von meist hoher Qualität
und Eigenart handelt, die, von einzelnen Ausnahmen ab-
gesehen, mit Unrecht von der Forschung bislier so stark
vernachlässigt worden sind. Schon aus diesem Grunde
m.uß es G. E. Pazaurek als ein besonderes Verdienst an-
gerechnet werden, daß er diese fühlbare Lücke in unse-
rer kunstgewerblichen Literatur ausgefüllt und uns in
einem inhaltreichen Buche die erste objektive Darstel-
lung der Hohlgläser aus der ersten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts geliefert hat. Q

Wie alle Bücher Pazaureks zeugt auch das vorlie-
gende von einer bis ins Einzelste gehenden Beherr-
schung seines Stoffes und von einer Sachkenntnis, wie
sie nur sorgfältigstes Studium und jahrelange Beschäf-
tigung mit diesem Gegenstand zu geben vermögen.
Freilich handelt es sich hier um das Spezialgebiet dieses
Forschers, dem er schon seit langem seine ganze Liebe
gewidmet hat, so daß er heute ohne Frage als einer der
besten, wenn nicht gar als der beste und berufenste
Kenner des Glases und seiner Geschichte gelten darf.
Als solcher weiß er nicht nur aufs genaueste Bescheid
mit allen öffentlichen und privaten Sammlungen, deren
Schätze er'sich in geschickter Weise für seine Zwecke
dienstbar zu machen versteht, sondern er sucht auch
den Glaskünstler bei der Arbeit auf, um ihm seine

b Gläser der Empire- und Biedermeierzeit von Gustav E.
Pazaurek. Mit 6 Farbentafeln und 332 Textabbildungen. 1923.
Verlag von Klinkhardt u. Biermann in Leipzig. Monographien des
Kunstgewerbes XIII/XV.

Kunstgriffe abzusehen und seine Werkstattgeheimnisse
zu entlocken. Auf diese Weise hat er sich allmählich
eine umfassende Material- und Sachkenntnis erworben,
die ihn in Verbindung mit einer nicht weniger gründ-
lichen Beherrschung der weit zerstreuten Ltiteratur be-
fähigt, über alle, in dieses Fach einschlagende Fragen
künstlerischer wie technischer Art mit fast souveräner
Sicherheit urteilen zu können.

Pazaureks Buch gliedert sich in einen allgemeinen
Teil, in dem vor allem der Anteil der einzelnen Länder,
unter denen Deutsch-Böhmen an erster Stelle steht, so-
wie die ästhetischen Fortschritte und technischen Er-
rungenschaften des Glases dieser Periode behandelt
werden,2) und in einen besonderen Teil, der die einzel-
nen Gläsergruppen einer eingehenden Betrachtung un-

Kallistobecher von Fr. Gottstein 1830

terzieht. Dabei staunt man über die außerordentliche
Vielseitigkeit des Biedermeierglases, von der man sich
bis jetzt kaum eine genügende Vorstellung hat machen
können. Es ist nicht nur der oft sehr eigenartige und
geschmackvolle Schliff und der z. J’. mit höchster
Vollendung geübte Tief- und Hochschnitt; es sind nicht

-) Zu der in diesem allgemeinen Teil kurz behandelten Fa-
brikmarkenfrage (S. 12) möchte ich mir ergänzend die Bemerkung
crlauben, daß sich auch auf Lauensteiner Gläsern der Biedermeier-
zeit öfters die bekannte Marke dieser auch in dem vorliegenden
Buche (S. 8) kurz erwähnten Hütte, der steigende Löwe, findet,
in derselben Form, wie er uns hier schon im 18. Jahrhundert be-
gegnet. Vgl. Cicerone V (1913) S. 403.

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