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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Aprilheft
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Revision des englischen Urteils über Leonardos "Flora" / Die Messeausstellung des Kunstgewerbemuseums Leipzig / Der Lehensnbecher / Aus der Künstlerwelt / Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Schweizerische Kunstchronik / Kunsthistorisches institut in Florenz / Sammlung Glückstadt Kopenhagen / Neuere französische Kunst aus Pariser Privatbesitz / Verkauf Cumberlandscher Gobelins in London / Aus der Museumswelt / Neue Kunstbücher / Neues vom Kunstantiquariat
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0251

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Die Jvldfeaustfellunö
des Kunfceu)et’bemufeums teipEig.

■Eine Welt des Auserlesenen im wörtlichen Sirane tut sich auf,
wenn man die Schau deutschen un;d österreichiischen Könnens auf
der Leipzger Messe dn den Rä.umen des Kunstgewerbemuseums,
die dieses Jahr durch den sehr geschickten Neubau des Textil-
messhauses erweitert sind, durchw.andert. Als gemeinnütziges
Unternehmen des 'Museums ist diese Zus'ammenfassung für die Aus-
steller ein großer Gewinn und, da die Sachen einer vorherigen
Beurteiiung M.nterliegen, ist eine Höh-e der Q.ualitä.t igewährleistet,
die wirklich außerordentlich ist. Es ist kein Herumprobieren, kein
gewaltsames und krampf.haftes Stil und Formsuchen mehr zu
vermerken, der sorgfälti.gen materialgerechten Behandlung gesellt
sich e.ine unbed.ingte Sicherbeit der Formen. iBei aller Phantasie,
allem Farben- und Formenreichtum erkennt man jedoch deutlich
einen 'bestimimten einheitlichen Gbarakter. Alle diese Din.ge sind
mo'dern ini besten Sinne, siie erborgen ndc.hts mehr von der V.er-
gangenheit, sie haben daher Stil. Es fragt sicli nur, ob in
Deutschland schon wieder eine eimheitliche gesellisohaftliiche Schlicht
von Menschen vorhanden ist, di.e diese Dinge nicht nur kaufen
kan.n, sondern aucli mit i.hnen umzugehen, sie in den Rythmus i'hres
Leibens ebenso sicher und se]bstverstä.ndlich einzuordn'en versteht,
wie sie dia vorhanden siind.

Bei den Stoffen herrscht das Streben, die Technik der licht-
und waschechten Färb.ung immer weliter auszubauen u.nd bei aller
Far.benifreudigkeit das allzu Auffallende zu vermei.den, und so
die Kleider trag.bar zu machen, ohne ibnen das Besondere zu neh-
men. Gamz Hervorragendeis br.ingen die deutschen Werkstätten
Dresde.n in ieichten Sommerstoffen mit dn einer Fülle zartester
Muster, währenid S. von Weech ,in .Müncben bei den schwereren
lianidgewebten Stoffen ,und leuchtenden Streifenm.ustern geblieben
ist, ebenso Lisbet Haibliik-Li.ndeiniann, Itzehoe. Matter abgestimmt
sind die Webereien der Kunstwerkistätten Halle. Die beliebten
Blaudruckmuster erscheinen in Menge, zum Teil mit Benutzung
alter iDr.uckstöcike, wie bei der Werkstätte von Paula Firnau,
Er.furt. iAus solchen Stoffen ebenso schön und stilgerecht geiarbei-
tete Kieider bringe.u d,ie Nürnberger Werkstätten für deutsche
Frauenkleidung; Lilly Reich, Fnankfurt, deren fein gearbeitete
weiße .Biusen hervorzuheben s.ind, und Käte Woywod, Schreiber-
hau. Kissen und Decken i.n matt gestimmten Fariben von Maria
Rickert und die leuchtenden iBilaststiokereie.n von iLiiili Vetter,
Hohenaschau am Chiemsee stellen zwei P.ole an Mögliohkeiten dar.
Als etwais Neues bietet M. Naumamn, Plaluen (Margaretentechndk)
sog. Sonnenfadensipitzen, idie aus ziemlich stariken Fäden, die doch
sehr zart wirken, durch die Art wie das M.uster duroh Spannen
und Zusiammenfassen der Fäden g.ebildet wiird.

Die Formen der Keraniik sind dm Allgemeinen einfach, leicht
idem Auge faßbar und der Wert ideis Dekor.s liegit in de.r 'sorgfältigien
Gliasur und der geschickten Musterung. Die Majol.iken von Läu-
ger, Karlsr.uhe, figürliche Fliesen, Schalen, Vasen, meist auf Blau
gestimmt, d'ie Fayenoen der Werkstätten in H-errsching, klare
M.uster auf hellem Grund, die Töpferei Grootenbu'rg, Kreieid.
.schimmcrnde einfache Schalen b.ieten Hervorragendeis. Meissen
stel.lt iden großen Tafelaufsiatz von Esser, Figuren von Scheurich,
mon.umental'e Modelle in rotem Böttger-Stein.zeug von .Barlach und
Tfere von Gaul aus. Das Bliaue Haus, Berlin öffnet mit seinen aus
Glias geblasene.n phiantalsitiisch'en Tieren und Figuren d-er origiinellen
und kapriziösen Phantasie ein n-eues Feld. Der Wirtschaftsbund
deutsclier Kunsthandwerker vereinigt eime Menge Aussteiler aus
venschiedenien Städten mit durchweg ausgeze.ichneten Leistungen
in Keramik, Metall, iStoff.en, Wollanbeiten, kleinen lArbeiten für
den Ge'brauch, lals wie Perltäschchen, Filet- und Tüllafbeiten,
Bucheinbände, Spielsiacben (Seifeirt).

Kleinniöbel und Hol'zarbeiten, Schalen und Sc'hrei'btiisch.geräte
in einfachen Formen und hellen Farben bringen die d'eutschen
Werkstätten Hellerau; Max Krüger, Berlin Beleuchtungskörper
in modernen Formen, an deren elieganter Glätte das Auge entlaäig
gleitet, urad die einen ebenso stabilen wie leichten Eindruok
miachen. .

Die Wieraer Weirkstätte urad der oesterreichiische Werkbund
bilden ihr Reich für sich und häufen das Erdenklicbste an auserie-
senen Gegenständen, kostbar durch Arbeit und Material auf. Wiaihre
Wunderwirkungen gewinnt die Wiener Werkstätte dom Silber
und M-essing »b, durch elne Oberfläch'en'behanidlunig, die deim Spiel
deis Lichtes auf de.n igetriebenen Formen eiine iHauptwirkung iiber-
läßt. Glas in kostbiarem Schliff und Ätzung (Heida) oder in zartem
Sclrimimer bei glatten Fo'rmen, Leder, Wollsiachen, Kleiider, Spitzen,
Stickereien, gemusterte Seiden, bizzarre bewegte Püppchen aus
Wollfädien oder Tüll, Spielz'e.ugpuppen, Basthüte, Schmuck, alles
ist da und sehr gut.

Aus der Fülle konnte hier nur Weniges ein.zeln gemannt
werden, dias ganze bedeutet eine Spitzenleiistung deutscher Arbeit
und deutschen Könnens.

D r. E m m y V o i g 11 ä n d e r.

Deu lebcnsbccber*

6in Dtebtfaf^ auf Scbloß pt?öbUebe lÜicdcükunft.

Vor kiurzem konnte man in der Zeitung lesen: Wertvolles
iSiilber 'erb'eutbten Einbrecher auf idem Scbloß F r ö fi 1 (i c h c
W i ed e r k u n.f t des iHer.zogs Ernst II. von Sachsen-Altenibur.g
in Wolfersdorf bei Ncustadt a. d. Orla . . . Hier erbeuteten sie eine
15 iPfund schwere ovale si'lberne Terrine mit zwei Henkeln und
Knopfdeckel iim Empirestil und viele andere wertvolle Gefäßc.
Den Fuß eines innenvergoldeten 45 Zentimeter hohen Leli.en.s-
bechers mit einer Heriolidsfigiur iund eine abgeschraiUbte Eugel'sfigur
ha-ben sie .zurückgefassen. Dem iBestohlenen iliegt besonders dar-
ian, den Lehen.kb.ech'er unv'ersehrt wfeider izu er.li.alten . . .

Als 'ich das gelesen, kam über mich eiue zornigweliniiitige
Stimimung. Diese obeniangeführten Sachen waren mir wolilbe-
kannt, habe ich ,sie doc.li vor 14 J.ahren (1910) in einer Ablniidlung
zum ersten und einzigsten Male V'eröffentl'icht, in Wort und Bild, die
den Titel fülirt: 1) i c L a nd s c h a f t s u h r und e'nlge a n -
d e r e ä 11 e r e A r b e i t e n d e is K u n s t g ewerbes . i m
h c r z o g 1 i c h e li S c li 1 o s s e z u A 11 e n b u r g. Dort heißt
es ü'ber die T errine : Noch gewichtiger (als das Taufgerät, das
vorher besprocben w.urde) erscheint die im Inventar (der Silber-
kammer v. J. 1839) unter Nr. 2 aufgeführte schwerS'ilberiie ovale
Suppenterrine mit dem nicht m'in'dierschweren, dazugehörigen
Deckel (Glocke). Das Gewicht der Terrine ist rund .13 ;Mk. Köln,
Ge.w., das des Decke.ls etwa das gleiche. Die Höhe dieses ganzeii
aius S.iliber .gct'riieben.en Stiickes (Terr.ine mit Deckel) beträgt 34,
der iDurchmesser 58 cm. iDas Musterzeichen b'ilden die Buch-
staben ISW. Das Beschauzeichen ist das Wiener v. J. 1781, einc
Zeit, ni.it der sicli der Stil des Geräts, ein vornehmes Loiiiis XVI.,
gut verträgt. Aufbew,ahrungsort: die Silberkammev. feh ent-
sinne imich heute noch, wie sehr mich damals die Terrine anspracli
als gediegenes, aber auch diurcli iscine äußere Erschejnting wohl-
gefälliges Stiick: eine vornefimc Silberarbeit von Rang.

Über den Lehensbecher lasse icli m.ich in meiner Ab-
hanidiliiin.g so vernehmen: Der in dem Tnventar der Sil.berkanuner
als Lehensbecher bezeichnete Tafelaiifsatz (Silber vergofdet) ist iii
vielfacher 'Hinsic.ht ein merkwiirdiges Stiick. Es kann nicht zwei-
felhaft sein, daß cr keine e'iiiheitlichc Arbeit darsteilt. Der Fali.ne.n-
träger und die Göttin mit der Drommete zu o'berst sind siclier aus
.iiingerer Zeit. dfe iibnigen Teile insbesonclere der Fuße zeigen dic
Formen des Barocks (17. Jä.hrli.). Hier ünten am Fuße s'ind aucli
das iBeschiauzeicbcn Augsburgs, der Pinienzapfen, und das -Me.i-
ster.zeichien G S eingeschlagen. Die gleichen Marken weist ancli
die Schale laiuf. Ei.n dem A.Itenburger Stiicke gleiches oder doeli
sehr ähnfiches Stiick sollte die Srlberkammer in der Hofburg z.n
Wien 'besit.zen. Meinc Anfrage in Wjen wurde indessen verneinend
beantwortet. Ein solcher Tafelaufsatz, liieß es, befiradet sich wc-
der ,in der Hofsilber- nocli Schatzkiammer, auc.h n'icht im kunst-
historischen Musaum. Die Hölie des Altenburger sog. Leliens-
bechers ist 68 cm. Dais iKölnische Gewicht beträgt .Mk. 10 Ltlr. 12.
Im Inventar frih.rt d.as Stiick die Nr. 45. Er wird anfbewahrt in der
Sil'berkammer.

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