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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Dezemberheft
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Waetzoldt, Wilhelm: Ein Altberliner Gelehrtenheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0118

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Zimmer. Weder sein Spiel noch sein Gesang erhob An-
spruch, etwas Vollkommenes zu sein, aber gerade das
Unvirtuose gab allem einen besonderen Reiz. Hr
selbst spielte sich dabei den Aktenstaub von der Seele.“

Nicht allzu weit von Kuglers Wohnung, die dem
jungen Burckhardt in dem von ihm so wenig geliebten
Berlin eine Heitnat wurde, verkehrte in den ftinfziger
Jahren ein anderer berühmt gewordener junger
Schweizer, Gottfried Keller, in Varnhagen von Enses
Haus, Mauerstraße 36. Den spröden und spottfrohen
Dichter wußte Varnhagens Niclite, Ludmilla Assing, zu
fesseln. Dort das Gelehrten- und Beamtenheim alt-
preußisch-sparsamen Zuschnittes, aber belebt von
jungen talentvollen Menschen, denen die Zukunft ge-
hörte. Hier in den „schloßartigen“ einstigen Räumen
Rahels einer der letzten ästhetisch-literarischen Salons
Berlins, wo Bettina von Arnim und der Fürst Dückler-
Muskau, Lassalle und Ranke als die interessantesten
Figuren um Varnhagens vornehme Repräsentanz einer
große.n, aber vergangenen geistigen Welt sich sam-
melten. —

Als der junge Student und Kunstbeflissene Kugler

sich in Berlin beim alten Schadow zum Zeichenunter-
richt anmeldete, faßte dieser statt jeder Antwort den
Kopf des Jünglings fest ins Auge, betastete dann den
Schädel und bat schließlich um erneuten Besuch, um die
auffallende Kopfform zu messen. Dieses mächtige,
schöngebildete Haupt, wie es Bernhard Afingers Büste
vor dem Neuen Museum in Berlin zeigt, gehörte einem
Menschen, der nicht im Spezialistentum aufgegangen
ist, sondern dem Bildung eigen war, die das Fachwissen
nur als einen freilich unentbehrlichen Besitz neben an-
deren Werten in sich barg. Kuglers Bildung gab ihm
jene Höhe der Auffassung und jenes Ethos als Gelehrter
wie als Verwaltungsbeamter, das ihn zum Motto für die
Schrift „Über die Kunst als Gegenstand der Staats-
verwaitung“ das Wort Wilhelm von Huinboidts wählen
ließ: „Man kann es überhaupt nicht genug wieder-
holen: Kunstgenuß ist einer Nation durchaus unent-
behrlich, wenn sie noch für irgend etwa Höheres em-
pfängiich bleiben soll.“ Es waren die gleichen Anlagen
und Kräfte, die das Geschichtsbild des Kunsthistorikers
Kugler bestimmt und ihm die Möglichkeit erfolgreicher
kunstpolitischer Wirksamkeit als Beamter gegeben
haben.

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