dgl. stark zu schädigen. Uns erscheint ein solches Ver-
fahren weit weniger gerechtfertigt und für die Rem-
brandt-Forschung gefährlicher als die Aufnahme eirier
kleinen Zahl „nicht absolut gesicherter“ Werke. Wenn
wir in den ersten Bänden — damals noch auf der müh-
samen Suche nach den fast ganz vergessenen Jugend-
werken ein erstes kleinesBild von„Rembrandts Mutter“
oder von „Rembrandts Vater“, ein frühes Selbst-
bildnis u. s. f. mit aufgnommen haben, so haben wir da-
durch, aucli wenn jetzt Zweifel an dem e'inen oder
andern ausgesprochen werden, dem Rembrandt-Stu-
dium weit mehr gentitzt als geschadet, denn wir haben
dadurch auf Bilder aufmerksam gemaoht, deren Er-
findung sicher auf den Meister zurückgeht; ob das be-
treffende Stück gerade von Rembrandt selbst herrührt
oder wie sich durch weitere Furide vielleicht ergibt
oder schon ergeben hat, die gute Wiederholung eines
G. Dou oder eines anderen Schülers seiner Leidener
Zeit ist, ist doch aus einer Zinkätzung oder selbst aus
einer Heliogravüre wahrlich nicht zu entscheiden. Bis
heute ist von verschiedenen der so häufig vorkommen-
den Köpfe der „Mutter“ und des „Vaters“ das ge-
sicherte Original wahrscheinlich nooh nicht gefunden,
oline daß der Rembrandt-Kenntnis ein Schaden dadurch
zugefügf wäre. Ein wesentlic'her Schaden scheint mir
vielmehr durch Anzweiflung oder selbst Verdammung
von Meisterwerken Rembrandts wie der „Mühle“ in
der Sammlung Widener durch Dr. Martin, oder des be-
zeiohneten „Brustbildes eines älteren Mannes“ von 1667
durcli Dr. Bredius uud ähnlich hervorragender Werke,
die durch ihre Eigenartigkeit für die Rembrandt-For-
schung von wirklicher Bedeutung sind. Das zuneh-
mende Interesse an dem großen Meister hat vor ein
paar Jahrzehnten Monstrositäten wie das Buch „Wer
ist Rembrandt“ gezeitigt, ohne der Kenntnis des Künst-
lers zu schaden; da werden auch solche Angriffe auf
einzelne Mcisterwerke diesen keinen Schaden tun, oder
dazu zwingen, daß sich die „Kritik“ ernstlich damit
beschäftigt.
Auch von Dr. Martins Kritik, wie er sie in den Auf-
sätzen des „Kunstwanderers“ übt, läßt sich keineswegs
eine neue Art der RembrandUForsc'hung erwarten;
wenn er Bilder einfach mit Schlagworten wie „für mich
nicht echt“, „ganz bestimmt kein Original“, „für mich
ein J. Livens“ und dergl. abfertigt, so ist das wahrlich
keine „Kritik“! Was Martin „kategorisch“ hier wieder-
holt als Basis für die Rembrandt-Kenntnis aufstellt, ist
durchaus niclit neu: die „historisch belegten Bilder“,
wie die „echt bezeichneten Bilder“ hat bei der For-
schung über den Meister jeder stets in den Vordergrund
gestellt; die „Zuschreibung auf gesicherte Zeichnungen
Rembrandts“ ist auch schon von uns Alten gern benutzt
worden, aber diese Beweiskraft sucht gerade die
Jugend möglichst zu erschüttern, inidem sie zahlreiche
Zeichnungen des Meisters ihm aberkennt. Dr. Hofstede
de Groot hat auf Prof. Martins alte Angriffe, die er jetzt
im „Kunstwanderer“ einfach wiederholt, in einer
besonderen Schrift 1922 so gründlich und überzeugend
beantwortet, daß es keinen Zweck hat, darauf noch
einmal zurückzukommen. Daß kein ernster Forscher
auf den traditionellen Benennungen seine Kritik
aufbaut, dafür möchte ich Herrn Prof. Martin auf
unsere älteren Werke über den Meister verweisen;
gerade w i r haben mit den traditionellen Bestim-
mungen gebrochen, haben hunderte von Bildern, die
als Rembrandts Werke gingen, ablehnen und fast eben-
soviele dafür seinen Werken hinzugewinnen können.
Das ist nach unserer Ansicht wahre Rembrandt-For-
scliung! Daß der gestrenge Richter Martin vor „Be-
stimmungen aus der Stilkritik“ dringend warnt, ist wohl
nur seiner Abneigung gegen die „Rembrandt-Spezia-
listen“ zuzuschreiben; wodurch will er denn sonst,
wenn andere Beweismittel nicht vorhanden sind, über
Werke, die Rembrandt zugeschrieben sind, überhaupt
urteilen? Und die von Prof. Martin geforderten Be-
weise fehlen in der Tat, wie Dr. Hofstede de Groot
schlagend nachgewiesen hat, fast immer, da selbst für
die bezeiclmeten Gemälde der Nachweis, daß die Be-
zeichnung echt ist, nur ein stilkritischer sein kann.
Eine Forderung, die Martin aufstellt, daß für
neue Monographien über die Rembrandt-Schüler ge-
sorgt werden müsse, ist so alt wie die Rembrandt-For-
schung überhaupt. Er hat ja selbst mit seiner G. Dou-
Monographie einen Anfang gemacht, warum nimmt er
nicht die Aufgabe weiter ernstlich in Angriff? Freilich
müßten dann die Abbildungen viel besser sein als in
seinem Dou-Werk der „Klassiker der Kunst“; auch
diirfte sich eine solche Publikation nicht etwa „vorläu-
fig“ auf ZuSammenstellung ganzer „Gruppen“ von
Künstlern beschränken — wie Martin meint —, denn
dadurch würde die Konfusion jnur noch größer. Vor
allem darf man nicht an die Stclle der alten Benennun-
gen von Schulbildcrn als Flinck, Eeckhout u. s. f. neue
noch zweifelhaftere Namen setzen, wenn ein glücklicher
Fund ein oder zwei Bilder eines van der Pluym odcr
Jouderville zutagegefördert hat.
Möge jeder, der den Beruf zu einem Rembrandt-
Forscher in sich fülilt, durch eigene gründliche Arbeiten
zur Förderung der Kenntnis des Meisters beitragen,
statt durch unkritische Nörgelei das zu verdächtigen,
was die bisherige Forschung dafür geleistet hat; das ist
die wirkliche Gefahr der Rembrandt-Forschung!
Kleinasiatische Wandfliese.
Ende 16. Jahrh.
Aus: „Eine Sammlung orientalischer
Teppiche“ von Heinrich Jacoby.
Berlin, Scaräbaeus-Verlag
b
fahren weit weniger gerechtfertigt und für die Rem-
brandt-Forschung gefährlicher als die Aufnahme eirier
kleinen Zahl „nicht absolut gesicherter“ Werke. Wenn
wir in den ersten Bänden — damals noch auf der müh-
samen Suche nach den fast ganz vergessenen Jugend-
werken ein erstes kleinesBild von„Rembrandts Mutter“
oder von „Rembrandts Vater“, ein frühes Selbst-
bildnis u. s. f. mit aufgnommen haben, so haben wir da-
durch, aucli wenn jetzt Zweifel an dem e'inen oder
andern ausgesprochen werden, dem Rembrandt-Stu-
dium weit mehr gentitzt als geschadet, denn wir haben
dadurch auf Bilder aufmerksam gemaoht, deren Er-
findung sicher auf den Meister zurückgeht; ob das be-
treffende Stück gerade von Rembrandt selbst herrührt
oder wie sich durch weitere Furide vielleicht ergibt
oder schon ergeben hat, die gute Wiederholung eines
G. Dou oder eines anderen Schülers seiner Leidener
Zeit ist, ist doch aus einer Zinkätzung oder selbst aus
einer Heliogravüre wahrlich nicht zu entscheiden. Bis
heute ist von verschiedenen der so häufig vorkommen-
den Köpfe der „Mutter“ und des „Vaters“ das ge-
sicherte Original wahrscheinlich nooh nicht gefunden,
oline daß der Rembrandt-Kenntnis ein Schaden dadurch
zugefügf wäre. Ein wesentlic'her Schaden scheint mir
vielmehr durch Anzweiflung oder selbst Verdammung
von Meisterwerken Rembrandts wie der „Mühle“ in
der Sammlung Widener durch Dr. Martin, oder des be-
zeiohneten „Brustbildes eines älteren Mannes“ von 1667
durcli Dr. Bredius uud ähnlich hervorragender Werke,
die durch ihre Eigenartigkeit für die Rembrandt-For-
schung von wirklicher Bedeutung sind. Das zuneh-
mende Interesse an dem großen Meister hat vor ein
paar Jahrzehnten Monstrositäten wie das Buch „Wer
ist Rembrandt“ gezeitigt, ohne der Kenntnis des Künst-
lers zu schaden; da werden auch solche Angriffe auf
einzelne Mcisterwerke diesen keinen Schaden tun, oder
dazu zwingen, daß sich die „Kritik“ ernstlich damit
beschäftigt.
Auch von Dr. Martins Kritik, wie er sie in den Auf-
sätzen des „Kunstwanderers“ übt, läßt sich keineswegs
eine neue Art der RembrandUForsc'hung erwarten;
wenn er Bilder einfach mit Schlagworten wie „für mich
nicht echt“, „ganz bestimmt kein Original“, „für mich
ein J. Livens“ und dergl. abfertigt, so ist das wahrlich
keine „Kritik“! Was Martin „kategorisch“ hier wieder-
holt als Basis für die Rembrandt-Kenntnis aufstellt, ist
durchaus niclit neu: die „historisch belegten Bilder“,
wie die „echt bezeichneten Bilder“ hat bei der For-
schung über den Meister jeder stets in den Vordergrund
gestellt; die „Zuschreibung auf gesicherte Zeichnungen
Rembrandts“ ist auch schon von uns Alten gern benutzt
worden, aber diese Beweiskraft sucht gerade die
Jugend möglichst zu erschüttern, inidem sie zahlreiche
Zeichnungen des Meisters ihm aberkennt. Dr. Hofstede
de Groot hat auf Prof. Martins alte Angriffe, die er jetzt
im „Kunstwanderer“ einfach wiederholt, in einer
besonderen Schrift 1922 so gründlich und überzeugend
beantwortet, daß es keinen Zweck hat, darauf noch
einmal zurückzukommen. Daß kein ernster Forscher
auf den traditionellen Benennungen seine Kritik
aufbaut, dafür möchte ich Herrn Prof. Martin auf
unsere älteren Werke über den Meister verweisen;
gerade w i r haben mit den traditionellen Bestim-
mungen gebrochen, haben hunderte von Bildern, die
als Rembrandts Werke gingen, ablehnen und fast eben-
soviele dafür seinen Werken hinzugewinnen können.
Das ist nach unserer Ansicht wahre Rembrandt-For-
scliung! Daß der gestrenge Richter Martin vor „Be-
stimmungen aus der Stilkritik“ dringend warnt, ist wohl
nur seiner Abneigung gegen die „Rembrandt-Spezia-
listen“ zuzuschreiben; wodurch will er denn sonst,
wenn andere Beweismittel nicht vorhanden sind, über
Werke, die Rembrandt zugeschrieben sind, überhaupt
urteilen? Und die von Prof. Martin geforderten Be-
weise fehlen in der Tat, wie Dr. Hofstede de Groot
schlagend nachgewiesen hat, fast immer, da selbst für
die bezeiclmeten Gemälde der Nachweis, daß die Be-
zeichnung echt ist, nur ein stilkritischer sein kann.
Eine Forderung, die Martin aufstellt, daß für
neue Monographien über die Rembrandt-Schüler ge-
sorgt werden müsse, ist so alt wie die Rembrandt-For-
schung überhaupt. Er hat ja selbst mit seiner G. Dou-
Monographie einen Anfang gemacht, warum nimmt er
nicht die Aufgabe weiter ernstlich in Angriff? Freilich
müßten dann die Abbildungen viel besser sein als in
seinem Dou-Werk der „Klassiker der Kunst“; auch
diirfte sich eine solche Publikation nicht etwa „vorläu-
fig“ auf ZuSammenstellung ganzer „Gruppen“ von
Künstlern beschränken — wie Martin meint —, denn
dadurch würde die Konfusion jnur noch größer. Vor
allem darf man nicht an die Stclle der alten Benennun-
gen von Schulbildcrn als Flinck, Eeckhout u. s. f. neue
noch zweifelhaftere Namen setzen, wenn ein glücklicher
Fund ein oder zwei Bilder eines van der Pluym odcr
Jouderville zutagegefördert hat.
Möge jeder, der den Beruf zu einem Rembrandt-
Forscher in sich fülilt, durch eigene gründliche Arbeiten
zur Förderung der Kenntnis des Meisters beitragen,
statt durch unkritische Nörgelei das zu verdächtigen,
was die bisherige Forschung dafür geleistet hat; das ist
die wirkliche Gefahr der Rembrandt-Forschung!
Kleinasiatische Wandfliese.
Ende 16. Jahrh.
Aus: „Eine Sammlung orientalischer
Teppiche“ von Heinrich Jacoby.
Berlin, Scaräbaeus-Verlag
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