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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI Heft:
1./2. Septemberheft
DOI Artikel:
Friedländer, Max J.: Über die Zukunft der deutschen Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0013

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lage tatkräftiger und ersprießlicher Wirklichkeit. Der
Museumsleiter fühlt sich nicht nur als ein Mehrer des
Reichs, sondern auch als ein Herkules, der den Augias-
stall reinigt, und bewährt sein persönliches Kunsturteil
doppelt, nämlich in Wahl des Guten und in Verbannung
des Schlechten. Er widmet den ihm anvertrauten Be-
ständen ein kritisch sonderndes Studium auf „Entbehr-
liches“ hin, und dies ist oft das erste Studium, das er
diesen Beständen überhaupt widmet. Aus der Tendenz,
Geld zu beschaffen, wird der Begriff „Dublette“ ausge-
weitet. Dubletten im eigentlichen Sinne des Wortes
gibt es nur von Werken der vervielfältigenden Kunst,
also in Kupferstichkabinetten und allenfalls in Samm-
lungen von Münzen, Medaillen, Plaketten und Bronze-
güssen anderer Art. Möbel, Porzellane, Stoffe, kunst-
gewerbliche Dinge überhaupt mögen noch mit einigem
Recht als Dubletten ausgeschieden und verkauft
werden. Je mehr sich der Gegenstand der Sphärc
freien Kunstschaffens nähert, um so problematischer
wird der Begriff „Dublette“, und um so schwerere Ver-
antwortung fällt dem Kunsturteil zu, das Stiicke als
minderwertig abstößt oder als überfliissig, etwa mit
der Begründung, daß sie neben gleichartigen oder im
Rahmen gerade dieses Museums entbehrl'ich seien.
Schließlich kann ein Museumsleiter argumentieren: wir
haben zwei Bilder von Rubens und keines von van
Dyck, also vertausche ich den einen „Rubens“ gegen
einen „van Dyck“.

Wenn ein Museum einen „Griitzner“ veräußert, um
für den Erlös einen „Kokoschka“ zu erwerben, so mag
der Gewinn zweifelhaft sein, der Verlust ist sicherlich
gering. Wenn aber ein Porzellankenner Bronzen weg-
gibt, um Porzellane kaufen zu können, so droht die Ge-
fahr, daß er Dinge, die er nicht versteht, unterschätzt,
die Gegenstände seines Studiums aber überschätzt. Und
die Leidenschaft, mit der die Kunsthändler sich zu
soichen Tauschgeschäften drängen, sollte als ein War-
nungszeichen betrachtet werden. Im allgemeinen sind
die Händler als erfahrene Kaufleute, die den Kunstmarkt
genau kennen, den Museumsleitern als Vertragskontra-
henten bei weitem überlegen.

Weniger anklagend aus der Kenntnis bestimmter
Vorfälle, als warnend für die Zukunft spreche ich
grundsätzliche Bedenken aus gegen eine verlockende
Methode der Geldbeschaffung, die den „tüchtigen“
Museumsbeamten in arm gewordenen Ländern zur
lieben Gewohnheit und natürlichen Funktion werden
diirfte.

Im Statut der preußischen Kunstsammlungen gab es
die verständige, wenn aucli etwas ängstliche Bestim-
mung, daß Dubletten, nämlich wirkliche Dubletten, nicht
anders als auf dem Wege öffentlicher Versteigerung
verkauft werden dürften. Wie weit haben wir uns ent-

fernt von dem Mißtrauen, das sich in dieser Anordnung
ausdrückt.

Im Statut des British Museums gibt es die Bestim-
mung, daß geschenkte Gegenstände unter keinen Um-
ständen, auch nicht als Dubletten im eigentlichen Sinne,
fortgegeben werdeii dürfen. An solchen pietätvollen
Schutz, der den Geschenkgebern die Gewißheit bietet,
daß S'inn und Absicht ihrer Großherzigkeit für alle
Zeiten wirksam bleiben, denkt bei uns niemand mehr,
und die Selbstherrlichkeit, mit der Museumsleute über
die ihnen überkommenen Bestände verfügen, trägt
sicherlich dazu bei, die Gebefreudigkeit der Privat-
sammler zu vermindern.

Keineswegs ist Weggabe von Museumsgut oder
Tauschaktion unter allen Umständen schädlich. Die
Museen sind so verschieden voneinander den Beständen
nach und den Aufgaben nach, daß allgemeingültige
Regeln ftir die Verwaltung nicht aufgestellt werden
können. Was hier das Richtige ist, kann dort ein
schwerer Fehler sein. Manche Galerie besitzt große
Mengen gleichartiger Dinge, die, ehemals zur Dekora-
tion fürstlicher Schlösser bestimmt, im Zusammenhang
der öffentlichen Kunstsammlung als überflüssig betrach-
tet werden können. So steht es z. B. in Dresden. An-
dere Galerien, in die große Privatsammlungen ge-
mündet sind, leiden an Überfülle geringwertiger Bilder,
die in Depoträume verbannt sind. Ausscheidung, Ver-
kauf oder Tausch werden die Le'itungen solcher Gale-
rien mit glücklicher Wirkung durchführen können.

Enge Spezialisierung, Beschränkung, feste Ziel-
setzung wird in Zukunft mehr als bisher das Gebot für
d'ie deutschen Museen werden. Bei Bestrebung, die in-
dividuelle Eigenart zu pflegen, wird manches Stück aus
dem ererbten Zufallsbesitz hingegeben werden, um da-
für etwas zu gewinnen, das in dem speziellen Wir-
kungskreise nützlich und wertvoll erscheint. Fällt nun
dem Museumsleiter das.Recht und die Pflicht zu, aus-
scheidend über die ihm anvertrauten Bestände zu ver-
fügen, und wird dieses Tun, wie die wirtschaftlichen
Verhältnisse sich gestaltet haben, zu einem wesent-
lichen, vielenorts dem einzigen Mittel, die Kauffähigkeit
des Museüms am Leben zu erhalten, so sollte sich jeder
Beamte, der es mit seiner Verantwortlichkeit ernst
nimmt, tief durchdringen lassen von der Bedenklichkeit,
die solcher Entscheidung anhaftet, und sich alle Ge-
fahren ausmalen, die damit verbunden sind.

lst es für den subjektiven Geschmack des Einzelnen
schon eine schwere Aufgabe, den öffentlichen Kunst-
besitz nach seiner Wahl zu vergrößern, so sollte der
Gewissenhafte dreimal zögern, ehe daß er nach subjek-
tivem Geschmacke den öffentlichen Kunstbesitz ver-
kleinert, weil Fehler, die bei Verkauf und Abgebung ge-
macht werden, nicht wieder gutzumachen sind.

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