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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Oktoberheft
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Bode, Wilhelm von: Neuerwerbungen im Kaiser-Friedrich-Museum: die französische "Madonna Opopenheim" und zwei verwandte Madonnen aus Italien und Süddeutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0047

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fernt worden ist, — stammt aus der Nähe von Schwä-
bisch-Gmünd; sie muß dort oder in der Nachbarschaft
enstanden sein, ist sie doch auch in Lindenhotz gearbei-
tet, wie die schwäbisdhen Holzfiguren fast ausnahmslos.
Auc'h diese Madonna erscheint auf den ersten Bliok wie
eine treue Kopie nach einem nordfranzösischen Vor-
bild in der Art der Oppenheim-Madonna; am auffällig-
sten wieder in der gesucht steifen Haltung des rechten
Armes und in der gezierten Bildung der Hand. Aber
bei näherer Betrachtung erge'ben sicb auch hier wesent-
liche Abweiohungen, die trotz dem französisöhen Vor-

so hat das seinen Grund darin, daß das Holz ursprüng-
lich mit einer dicken Kreideschicht bedeckt war, in der
solche Einzelheiten erst ausgeführt wurden. Diese
Schicht ist leider bei Entfernung der Farbenreste —
wolil weil sie zum Teil schon abgeblättert war — mit
beseitigt worden.

Schon jene Verwandtschaft mit den Naumburger
Figuren verweist diese schwäbisohe Madonna noch in
das erste Viertel des 14. Jahrhunderts, etwa um das
Ja'hr 1325; jedenfalls um mindestens ein Jährzehnt
früher als die beiden anderen Madonnen. Dadurch

a) Die französisclie
„Madonna
Oppenheim“

14. Jalirh.

b) Marmor-
Madonna aus Pisa

c) Scliwäbische
Madonna um 1325

b

a

c

bild den deutscben Künstler fast noch deutliclier er-
weisen als unsere Madonna aus Pisa den Italiener. Die
Gestalten sind schlanker und feiner bewegt; nicht nur
Maria, sondern audh das Kind ridhtet den Blick auf die
Gemeinde, während zugleich seine Liebe zur Mutter
durcli die Wendung zu ihr und den Griff nach ilirem
Hals ausgedrückt ist. Gegenüber der feierliöhen, aber
etwas kalten Würde des französischen Vorbildes hat
die deutsche Figur jene herzliche Freundlichkeit, die
in einem gewinnenden Lächeln sich ausdrückt. Ganz
auffallend erinnert die Maria dar'in an einzelne Fürstin-
nenfiguren des Domes (zu Naümburg, mit denen sie die
rundliche Kopfform und das starke Grübchen in den
Badken gemein hat. W'enn die Andeutung der Rippen
im Brustkasten des Kindes sehr primitiv erscheint,

wenn die Locken der Maria wie dcs Kindes nur wie roh
angelegt, die Hände der Maria skeletthaft erscheinen,
wird aber die Annahme des französischen Einflusses
keineswegs entkräftet; nioht unsere Madonna Oppen-
■heim oder eine ähnliche französische Madonnenfigur, die
gegen die Mitte des 14. Jahrhunderts entstand, aber
ältere derartige Statuen der Ile-de-France, deren Ent-
stehung bis in den Anfang dieses Jahrhunderts zurück-
gehen und die jenen noch überlegen sind, 'haben den
schwäbischen Künstler auf seiner Wanderschaft zu
seiner Arbeit angeregt. Steht der brave Deutsche den
französischen Meistern, die seine Vorbilder waren,
weder in Erfindung noch im Können gleich, so kommt
er ihnen doch in Anmut nahe und übertrifft sie in Tiefe
der Empfindung.

Borte, kufischer Schrift ähn-
lich, aus einem kaukasischen
Teppich, dat. 1221 d. H. -
1806 A. D.

Aus Heinrich Jacoby’s
„Sammlung orientalischer
Teppiche.“

Scarabeus-Verlag, Berlin.

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