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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Oktoberheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Deutsche Buchkünstler und Buchkunstwerkstätten der Gegenwart, [3]: Hamburger Buchkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0051

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heißen. Besonnenheit und Gediegenheit zeichnen sie
aus. Dem Bestreben folgend, die Eigenart einer ge-
schriebenen Schrift soweit zu wahren, wie es die 'beson-
deren Anforderungen einer Typenschrift zulassen, um
den Formenausdruck, den die Handschrift sich schafft,
lebendig auch noch in der Letter wirken zu lassen, die
Bedingungen, die einer deutschen 'Schrift von der deut-
schen Sprache gestellt werden, zu erfüllen, und das
alles durch mögliciiste Vereinfachung des Schriftbildes
zu erreichen, steht sie nach ihrem Gebrauchswerte,
also hinsichtlich der Lesbarkeit, unter allen Fraktur-
schriften der Gegenwart wohl an erster Stelle. ühne
nervöse Überkünstelungen ist sie von gleichmäßig
ruhiger, vornehmer Würde, gleich brauchbar für das
Alltags- und das Feiertags-Buch. Und auch nicht ohne
eine feste Bestimmtheit sich gegen den Antiqua- und
Fraktur-Ausgleich wendend, der Eigenart nicht die Ver-
söhnung, auf der mittleren Linie vorziehend. Der An-
tiqua- und Fraktur-Streit hätte seine Schärfe verloren,
wenn man ihn nicht immer von neuern auf die Formel
national und antinational bringen wollte, wenn man mit
ruingerer Sachlichkeit, wie sie diese Senats-Fraktur
vorbildlich macht, die praktischen Tendenzen hervor-
treten ließe. Die allgemeinere Brauchbarkeit einer
Schrift geht aus ihrer Lesbarkeit hervor, durch sie erst
gewinnt eine Schrift allgemeinere Geltung. Das Mär-
chen, daß man im Antiqua-Bereiche, besonders in der
Romania „deutsche“ Schriften nicht lesen könne, wider-
legt sich schon von selbst durch die vielen hier noch
vorhandenen und auch in neuer Zeit wiederholten „go-
tischen“ Drucke, die Übung weniger Stunden läßt zu-
dem den an die Antiqua gewöhnten Leser auch mit ver-
schnörkelten deutschen Schriften vertraut werden.
Wenn er die den eigenen Sprachen genehmeren Anti-
quaschriften bevorzugt, schließt er damit andere
Schriften die für andere Sprachen ein Ausdrucksmittel
sind, nicht aus. Den Deutschen hat der Dualismus in
seiiiem Schriftwesen empfindlich gemacht, anstatt daß
er sich über die Verbreiterung seines Schriftgutes, die
mit ihm gebotene Möglich'keit, die Ausdrucksmittel des
Buches, wie sie in dem Reichtum der Schriften vor-
handen sind, zu steigern, freut. Klarheit und Ruhe
sichern einer Schrift immer ihrer Weitwirkung, wie das
auch die Genzsch-Antiqua zeigte, in der das Bemühen
des Schriftschneiders, befreit von allen Verzierlichun-
gen alte beste Vorbilder weiterzubilden, einen männ-
lich starken Schriftcharakter ausprägen ließ. Ein ge-
wisser Normalismus und Universalismus wird immer
der Vorzug einer allgemeiner anwendbaren Type
bleiben, während die Ausdruckssteigerungen einer
Schrift manchen Gewinn durch manchen Verlust er-
kaufen müssen. Das trifft fiir nicht wenige der Künst-
lerschriften neuester Zeit zu, sie haben ihre besonderen
Schönheiten, aber aucli ihre besonderen Schwächen,
ihre Anwendbarkeit bleibt eingeschränkt, ermangelt der
breiteren Ausdehnung auf das Buchwesen. Insofern
kann etwa die C'zeschka-Antiqua als besonders kenn-
zeichnend für die neue Hamburger Buchkunst genannt
werden, die ihren kunstgewerblichen Mittelpunkt in der

großangelegten Ham'burger Kunstschule hat.
Hier, unter dem Einflusse künstlerischer Persönlich-
keiten, gewann die Buchkunstpflege Hamburgs ihren
lokalen modernen Stil, der freilich mehr der einer
Künstlergruppe und von Werkstattsgemeinschaften ist
als daß er im besonderen Maße auch aus inneren Grün-
den bodenständig wäre. Ähnliches gilt ja auch für die
anderen nach außen hin mit dem Namen eines bestimm-
ten Ortes verbundenen buchkunstgewerblichen Unter-
nehmungen und Werkstätten. Und man meint rnehr
einen solchen äußeren Zusammenhang, wenn man im
zwanzigsten Jahrhundert deutsche Buchkunstpflege-
stätten und deutsche Städtenamen mit einander verbin-
den möchte. Ein freier, frischer Zug welit durch die
Hamburger Lchrwerkstätten, ihn möchte man dem
Hanseatengeiste zurechnen, der Bewegungslust und
Bürgerkraft stärkt, es ist ein produktives Element zu
spüren, das den Hemmungen einer bequemen Geruh-
samkeit, die schließlich in Sterilität verkümmert, ent-
gegenwirkt. Die Einbandkunst hat hier einen Vertreter
in F r a n z W e i s s e , dem die handwerkliche 'I’ücli-
tigkeit nic'ht zum blutleeren Erstarren in der überliefer-
ten Werkstattsgewohnheit wird, der eigene Ziele sucht
und findet und im manchen (so in der Behandlung des
Schweinslederbandes und der Buchbinderstempel-Zei-
chenkunst) vielfach anregend und beispielgebend für die
deutsche Einbandkunst gewesen ist. Eine Hambur-
ger Presse, als deren erster Druck 1918 unter der
Druckleitung von A. K 1 i n g eine von dem gleichen
Künstler illustrierte schöne Ausgabe des Don Carlos
von Schiller erschien, der noch andere ansehnliche
Drucke folgten, war zwar ein Verlagsunternehmen und
nicht eine engere Werkstattgemeinschaft, hatte aber fiir
die geschmacksichere Haltung ihrer Veröffentlichungen
einen festen Stützpunkt in dem Buchkünstlerkreise
Hamburgs, wie denn überhaupt das Buchgewerbe
Hamburgs in manchen Veröffentlichungen, so in der
Ausgabe des Hamburger Stadtrechtes von 1497 durcli
die Gesellschaft hamburgischer Bücherfreunde, eine
aohtunggebietende Höhe zeigte. (Dabei ist nicht zu
übersehen, das Hamburg mit den buchgewerblichen
Hauptstädten Mittel- und Norddeutschlands, Leipzig und
Berlin, schon deshalb schwer zu vergleichen ist, weil
diesen die Zentralisation du'rch ihre quantitative Über-
macht von vörnherein eine Vorrangsstellung schafft,
dcr gegenüber spärlichere Einzelleistungen leiclit als
mehr zufällige Ausnahinen erscheinen, also nicht als
Bestandteile einer selbständigen Entwicklungsreihe.)
1920 fand sich der Dozent der Kunstgeschichte an der
Kunstschule D r. W i 1 h e 1 m N i e m e y e r mit dem
Druckkunstlehrer der Anstalt, Johannes S c h u 1 z ,
zu gemeinsamer Arbeit zusammen. Der „ K u n s t -
b u n d H a m b u r g “ stellte ihnen die Mittel zur Ver-
fügung, um in der „Kündigung, e i n e r Z e i t -
s c h r i f t f ü r Kunst“ ein Organ für jüngste Dich-
tung undGriffelkunst zu schaffen. Die zwölf 1921 heraus-
gegebenen Hefte, in der „ E i n m annwerkstatt“
(so genannt, weil Johannes Schulz allein die Druckaus-
führung besorgte) hergestellt, dürfen in ihrer Gesamt-

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