nete Tür“ geschaut hätten. Wir sehen von derselben
Stelle aus in den Raum, können aber von diesen Ge-
senständen nichts entdecken. Sicher hat Kersting, ehe
er sein Bild beffann, die beiden dem Porträt gefähr-
lichen Kolosse beiseite sestellt. —
I)ie kunstgeschichtliche Würdigung des wiederge-
fundenen Bildes von Kersting reiht das Werk nach der
Intimität seiner Auffassung, nacli seinem malerischen
und zeiclmerischen Befund unter die besten Werke des
Künstlers ein. Sein intimer Zug, der so sehr dem Mo-
tiv entspricht, wurde schon von den Zeitgenossen als
hoher Vorzug empfunden. Die malerischen Qualitäten
liegen vor allem in der Tonigkeit und in den feinen
Übergängen der Farben, die meist auf ein mattes Oliv-
grün abgestimmt sind. Eine angenehme Unterbrechung
bringt das leuchtende Grün der Bespannung des
Schreibtisches und das satte Rot im Schnitt einzelner
Bücher. — Die Zeichnung ist überaus sorgfältig und
geht den schwierigsten Verkürzungen und Übersclmei-
dungen mit Gefühl nach. Das ganze Bild ist mit rühren-
der Hingabe an seinen Gegenstand und mit fast kind-
licher Verehrung gemalt.
Die Verbindung dieser Innigkeit mit einer neu-
artigen Lösung des Lichtproblems ergibt Kerstings hi-
storische Stellung. Qhne daß er den Begriff auch nür
theoretisch gekannt hätte, nähert er sich der Freilicht-
Malerei. Aus der Dunkelheit der niederländischen
Genre- und Interieurbilder des 17. Jahrhunderts und aus
den Fesseln ihres Galerietones ringt cr sich entschieden
los. Dabei kommen ilun junge dänische Maler seiner
Zeit wie Bendz, ein Schüler Juels, und andere zu Hilfe.
Das Licht in Kerstings gemalten Innenräumen, strömt
dem Beschauer entgegen. Der Künstler ist auf dem
Wege zu Manet. Kerstings gemalte Figuren stehen
dunkel vor hellem Hintergrund, soweit man überhaupt
von „dunkel“ reden kann bei einem Maler. der grund-
sätzlich Schatten durch Reflexe aufhellt.
Kersting war ein hervorragendes Talent. Hätte er
mehr Kraft besessen, so würde er ein Führer zu neuen
Zielen in der Malerei geworden sein. Aber wie ihn die
Natur geschaffen hatte, weich von Gemüt, liebens-
würdig, beschaulich, träumerisch, brachte er es nur zu
einer Achtung gebietenden Leistung. So sind auch
seiner Tätigkeit als Künstler starke Wirkungen auf die
deutsche Kunst versagt geblieben.
Das Bild Kerstings „Gerhard von Kügelgen in sei-
nem Atelier“ erweitert und vertieft wesentlich die Vor-
stellung von Kerstings Schaffen. Es fiihrt ferner in die
Welt Gerhard von Kügelgens ein, den wir mit seiner
Familie, seinen Freunden, Bekannten und seinen viel-
seitigen Interessen gleichsam persönlich kennen lernen.
Bringt schon die flüchtige Betrachtung des Bildes Ge-
nuß und Gewinn, so verspricht eine planmäßige Unter-
suchung aller Zusammenhänge reichste Ernte. Der
Hauptwert dieses Gemäldes besteht jedoch nicht im
Künstlerischen, sondern in der Fülle seines erzählenden
Inhaltes. Die enge Vcrbindung mit den „Jugender-
innerungen eines alten Mannes“ macht das Werk zu
einer Fundgrube des Wissens fiir die deutsche Kunst-,
Literatur- und Kulturge'schichte. Sie alle werden sicli
wohl noch mit dem Bilde beschäftigen; uns kam es
nur darauf an, mit einigen Erläuterungen die bildliche
Wiedergabe des Gemäldes zu begleiten.
Während frohe Erregung über die Auffindung
des Bildes die Niederschrift dieser Zeilen beflügelt,
kommt die freudig überraschende Nachricht, daß so-
eben der zweite Teil von Wilhelm von Kügelgens Erin-
nerungen gefunden worden ist. Er bildet eine Fort-
setzung der „Jugenderinnerungen“ und umfaßt die Zeit
von 1840—1867, also dem Todesjahr des Verfassers.
Die Schrift enthält tagebuchartige Aufzeichnungen, die
für den damals in Rußiand weilenden Bruder Gerhard
bestimmt waren. Die Veröffentlichung, die bereits von
berufener Seite in Angriff genommen ist, dürfte ein Ge-
schenk werden ftir das deutsche Volk.
t;7
Stelle aus in den Raum, können aber von diesen Ge-
senständen nichts entdecken. Sicher hat Kersting, ehe
er sein Bild beffann, die beiden dem Porträt gefähr-
lichen Kolosse beiseite sestellt. —
I)ie kunstgeschichtliche Würdigung des wiederge-
fundenen Bildes von Kersting reiht das Werk nach der
Intimität seiner Auffassung, nacli seinem malerischen
und zeiclmerischen Befund unter die besten Werke des
Künstlers ein. Sein intimer Zug, der so sehr dem Mo-
tiv entspricht, wurde schon von den Zeitgenossen als
hoher Vorzug empfunden. Die malerischen Qualitäten
liegen vor allem in der Tonigkeit und in den feinen
Übergängen der Farben, die meist auf ein mattes Oliv-
grün abgestimmt sind. Eine angenehme Unterbrechung
bringt das leuchtende Grün der Bespannung des
Schreibtisches und das satte Rot im Schnitt einzelner
Bücher. — Die Zeichnung ist überaus sorgfältig und
geht den schwierigsten Verkürzungen und Übersclmei-
dungen mit Gefühl nach. Das ganze Bild ist mit rühren-
der Hingabe an seinen Gegenstand und mit fast kind-
licher Verehrung gemalt.
Die Verbindung dieser Innigkeit mit einer neu-
artigen Lösung des Lichtproblems ergibt Kerstings hi-
storische Stellung. Qhne daß er den Begriff auch nür
theoretisch gekannt hätte, nähert er sich der Freilicht-
Malerei. Aus der Dunkelheit der niederländischen
Genre- und Interieurbilder des 17. Jahrhunderts und aus
den Fesseln ihres Galerietones ringt cr sich entschieden
los. Dabei kommen ilun junge dänische Maler seiner
Zeit wie Bendz, ein Schüler Juels, und andere zu Hilfe.
Das Licht in Kerstings gemalten Innenräumen, strömt
dem Beschauer entgegen. Der Künstler ist auf dem
Wege zu Manet. Kerstings gemalte Figuren stehen
dunkel vor hellem Hintergrund, soweit man überhaupt
von „dunkel“ reden kann bei einem Maler. der grund-
sätzlich Schatten durch Reflexe aufhellt.
Kersting war ein hervorragendes Talent. Hätte er
mehr Kraft besessen, so würde er ein Führer zu neuen
Zielen in der Malerei geworden sein. Aber wie ihn die
Natur geschaffen hatte, weich von Gemüt, liebens-
würdig, beschaulich, träumerisch, brachte er es nur zu
einer Achtung gebietenden Leistung. So sind auch
seiner Tätigkeit als Künstler starke Wirkungen auf die
deutsche Kunst versagt geblieben.
Das Bild Kerstings „Gerhard von Kügelgen in sei-
nem Atelier“ erweitert und vertieft wesentlich die Vor-
stellung von Kerstings Schaffen. Es fiihrt ferner in die
Welt Gerhard von Kügelgens ein, den wir mit seiner
Familie, seinen Freunden, Bekannten und seinen viel-
seitigen Interessen gleichsam persönlich kennen lernen.
Bringt schon die flüchtige Betrachtung des Bildes Ge-
nuß und Gewinn, so verspricht eine planmäßige Unter-
suchung aller Zusammenhänge reichste Ernte. Der
Hauptwert dieses Gemäldes besteht jedoch nicht im
Künstlerischen, sondern in der Fülle seines erzählenden
Inhaltes. Die enge Vcrbindung mit den „Jugender-
innerungen eines alten Mannes“ macht das Werk zu
einer Fundgrube des Wissens fiir die deutsche Kunst-,
Literatur- und Kulturge'schichte. Sie alle werden sicli
wohl noch mit dem Bilde beschäftigen; uns kam es
nur darauf an, mit einigen Erläuterungen die bildliche
Wiedergabe des Gemäldes zu begleiten.
Während frohe Erregung über die Auffindung
des Bildes die Niederschrift dieser Zeilen beflügelt,
kommt die freudig überraschende Nachricht, daß so-
eben der zweite Teil von Wilhelm von Kügelgens Erin-
nerungen gefunden worden ist. Er bildet eine Fort-
setzung der „Jugenderinnerungen“ und umfaßt die Zeit
von 1840—1867, also dem Todesjahr des Verfassers.
Die Schrift enthält tagebuchartige Aufzeichnungen, die
für den damals in Rußiand weilenden Bruder Gerhard
bestimmt waren. Die Veröffentlichung, die bereits von
berufener Seite in Angriff genommen ist, dürfte ein Ge-
schenk werden ftir das deutsche Volk.
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