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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Dezemberheft
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Bode, Wilhelm von: Vandyke über Rembrandt
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0106

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zeichnis seiner 40 Rembrandts und eine Anzahl Abbil-
dungen, sondern auch Verzeichnisse der meisten Schü-
ler und Nachfolger Rembrandts und gibt auch dazu zahl-
reiche Abbildungen. Aber die Gründe fiir seine Zu-
schreibungen und vor allem fiir seine Verurteilungen
von etwa 19 Zwanzigstel des ganzen bisher Rembrandt
zugeschriebenen „Werks“ erspart er sich. Diese be-
ruhen ganz ausschließlich darauf, ob Herr Vandyke ein
Bild ftir gut genung hält, daß er es einem so großen
Meister zuschreiben zu können glaubt. Dokumente, Her-
kunft, Bezeichnungen, Tradition — alles das bedeutet
nichts, wenn das Bild selbst ihn nicht davon überzeugt,
daß es Rembrandt gemalt hat. Wenn der Verf. den
Grundsatz aufstellen wiirde, daß alle jene historischen
Beglaubigungen nichts bedeuten könnten, wenn das
Bild selbst entschieden gegen den eMister spräche, so
könnten wir ihn ja nur beistimmen; denn das wiirde bei
ein paar Dutzend Bildern vielleicht einmal der Fall sein,
aber wie gefährlich es ist, wenn man einfach dem Gut-
diinken oder Schlechtdiinken, dem „Geschmack“ eines
Kenners vom Schlage des Herrn Vandyke ausgeliefert
ist, das beweist sein vorliegendes Buch!

Ein paar der großen Hauptwerke iibernimmt der
Verf. zwar anstandslos, weil ihre Geschichte bis auf die
Aufträge an Rembrandt fast ltickenlos nachweisbar ist:
die „Nachtwaehe“, die „Stallmeesters“, die beiden
„Anatomien“ und schließlich selbst die heute noch in
der Familie befindlichen Porträts des Jan Six und seiner
Mutter. Von den 36 Originalen, die dann noch bei H.
Vandyke verbleiben, sind merkwiirdigerweise die grö-
ßere Hälfte Porträts aus der friihen Zeit von Rembrandt,
gleich nach seiner Übersiedlung nach Amsterdam, in
denen er sich damaligen Modemalern wie Th. de Keyser
anschließen mußte und die daher garnicht besonders
charakteristisch und 'bedeutend für Rembrandt sind.
Weshalb er danebeh mehrere Dutzend ganz iiberein-
stimmender, völlig echt bezeichneter Bilder der-
selben Zeit nicht gelten läßt und iiberhaupt nicht er-
wähnt, verrät er uns nicht. Das noch iibrig bleibende
Dutzend „echter“ Bilder enthält nun wirklich einige der
Hauptwerke Rembrandts —■ unechte sind iiberhaupt
nicht unter den ca. 40 Bildern des Vandyke’schen Rem-
brandt-„oeuvre“ — aber weshalb er hunderte von eben-
so schönen Werken fiir falsch oder Schiilermache er-
klärt, wird uns nicht verraten. Besonderen Zorn hat
der Verf. auf alle, die sich auf die Signaturen auf den
Bildern berufen; „die kann jeder darauf geschrieben
haben“, ist seine Einwendung dagegen. Daß das Stu-
dium der Signaturen fast bei jedem Meister gewisser-
maßen eine eigene Wissenschaft ist, daß sich bei einem
Meister wie Rembrandt, der die große Mehrzahl seiner
Bilder wie seiner Radierungen bezeichnet hat, aus der
Form dieser Bezeichnungen, aus ihrem Ductus, ja bei-
nahe aus jedem einzelnen Buchstaben fast regelmäßig
bestimmen läßt, nicht nur, ob die Bezeichnung echt und
eigenhändig, sondern auch aus welcher Periode des
Künstlers sie stammt, das ist eHrrn Vandyke natürlich
unbekannt oder er will es nicht glauben.

Um uns oder mindestens seine amerikanische Leser

zu überzeugen, daß er mit seinem mehr als mageren
Rembrandt-Werk recht habe, sucht der Verf. für eine
große Zahl der fast 700 Bilder Rembrandts, die er ver-
wirft, eine Unterkunft bei den Rembrandt-Schülern.
Er gibt sich die Mühe, die große Zahl der Rembrandt-
Schüler und Nachahmer (sogar bis auf den Spottvogel
Dietrich) aufzuzählen, eine kurze Biographie derselben
zu geben, für die hervorragenderen Schüler sogar
eine Reihe ihrer bekannteren Werke in Abbildungen zu
geben (wobei er die Hyperkritik wie bei Rembrandt
selbst zum Glück garnicht anwendet) und dann eine
Anzahl der s. E. fälschlich dem großen Meister zu-
geschriebenen Gemälde (meist auch in Abbildungen)
diesen einzelnen Scbüler-oeuvres anzuhängen. Dieser
umfangreichste und durch die leidlichen Abbildungen
auch brauchbare Teil des Buches ist zugleich der aben-
teuerlichste. Es lohnt nicht, auf alle diese geradezu
drolligen Zuschreibungen einzugehen; wer das Buch
zufällig in die bekommt, wird eine Reihe ihm besonders
ans Herz gewachsener Rembrandt-Meisterwerke: den
„David und Saul“ (im Haag), die Susanna-Bilder, „Da-
niels Vision“, den „Verlorenen Sohn“ der Eremitage,
die „Mühle“, die „Ruine“ in Cassel u.s.f. unter den
Werken eines Salomon Koninck, eines Bernaert Fabri-
tius, eines — Carel van der Pluym wiederfinden! Bei
letzterem müssen wir einen Augenblick verweilen, da
das stattliche oeuvre, das Vandyke für ihn rekonstru-
iert, wo<hl die unsinnigste Zusammenstellung ist, die
je unter dem Titel kunstwissenschaftlicher Forschung
gedruckt worden ist. Dr. Bredius hat das Verdienst
gehabt, diesen obscuren jungen Maler, den Rern-
brandt wegen seiner Verwandten unter seine Schüler
mit hatte aufnehmen müssen, gelegentlich bei seinen
jahrzehntelangen archivalischen Forschungen, die über-
haupt erst die rechte Basis für die C.eschichte der hol-
ländischen Malerei geschaffen haben, zu entdecken und
ein paar bezeichnete Bilder von ihm ausfindig zu
machen. Zwei dieser herzlich schwachen Bilder haben
einen gemalten Vorhang vor der Darstellung: ergo ist
auch Rembrandts H. Familie von 1646 in Cassel nach
Vandykes Ansicht ein Pluym, da sie auclr solchen ge-
malten Vorhang hat! Da kann ich ihm noch einen
Plyum verraten, nämlich die große „Anbetung der Hir-
ten“ im Kaiser Friedrich-Museum die bisher alle Welt
für einen Hugo van der Goes hielt; hat sie doch auch
ebensolchen gemlaten Vorhang an Messingstangen vor
der Darstellung. Noch andere Meisterwerke Rem-
brandts werden unter des Verf. ,kritischer“ Lupe zu
Werken des mittelmäßigen Pluym, Perlen aus der mitt-
leren wie aus seiner spätesten Zeit. Aber auch aller-
früheste Jugendwerke Rembrandts: die Haager „Dar-
stellung im Ternpel“ von 1631, ja selbst der alte Tobias
der Sammlung Tschukine in Moskau (jetzt Moskauer
Nationalgalerie), den Rembrandt nach der Aufschrift
1626 malte, obgleich diese Bilder gemalt wurden, als
Pluym noch nicht geboren war! „Was schert mich die
Inschrift und das Datum; die sind natürlich gefälscht“,
so wird uns Vandyke erwidern. Ja, wenn Sie das nicht
gelten lassen — sagen wir dagegen — so müssen Sie

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