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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI issue:
1./2. Dezemberheft
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Schneider, Friedrich: Wilhelm Dörpfeld: zum 70. Geburtstag (26. Dezember 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0108

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sche und englische Architektenverbände überreichten
1911 ihre Goldenen Medaillen, Akädemien der Wissen-
schaften boten ihre Sitze an; der äußeren Ehren ist
schier kein Ende.

Im Jahre 1877 erging an Dörpfeld der ehrenvolle
Ruf, an der Erforschung Olympias teilzunehmen. Die
Vermählung von Geschichte und Landschaft auf diesem
geweihten Boden erfiillt die Seele jedes Empfänglichen
mit neuem Leben. Als technischer und architekto-
nischer Leiter der Ausgrabungen konnte Dörpfeld diese
zu großartigen Ergebnissen führen, als hervorragender
und genialer Architekt neue Kriterien zur Lösung der
Probleme der Altertumswissenschaft beibringen.

Es konnte nicht ausbleiben, daß Heinrich Schlie-
mann, dessen Lebensgeschichte jeder deutsche Junge
kennen sollte, auf Dörpfeld aufmerksam wurde und ihn
zu seinen Ausgrabungen heranzog. Wer kennt nicht
schon vom Gymnasium her die Namen der Dörfer Bu-
narbaschi und Hissarlik, wo Schliemann seine Gra-
bungen nach Troja-Ilion angesetzt hatte. Man hat auch
Schliemann mit Moses verglichen, der das gelobte Land
nur aus der Ferne sah. Der unermüdliche Forscher ist
am 26. Dezember 1890 in Neapel an einer Operation.
die sich wegen eines Ohrenleidens nötig gemacht hatte,
gestorben. Seine Witwe hat dann noch die Mittel ge-
spendet, um die Ausgrabungen fortzusetzen.. Um der
historischen Gerechtigkeit willen muß ausdriicklich be-
merkt werden, daß damals nach einem Vortrag Dör-
pfelds Kaiser Wilhelm mit einer Unterstützung von
30 000 Mark eingegriffen hat, so daß für die Grabungen
des Jahres 1894 eine Arbeiterschar von 120 Mann,
meist Griechen, angeworben werden konnte. Es gehört
zur Romantik derartiger aufreibender Untersuchungen,
daß sie auch in ihrem äußeren Gehaben durchgeistigt
werden. Schliemann hatte schon den Arbeitern die
Namen der homeriachen Helden beigelegt, unter Dör-
pfeld nun trugen sie die stolzen Namen weiter, die dem
homerischen Gedicht entnommen waren. Die verschie-
densten Sprachen schwirrten umher, die ferne Mär-
chenwelt des Orients mischte sich unter Träger euro-
päischer Zivilisation. Wer träumte sich da nicht hin-
über an die Küste Kleinasiens!

Dörpfeld ist es dann auch wirklich gelungen, die
von Horner in unsterblichen Versen besungenen Mauern

und Türme der Burg des Priamos zu finden. Mit Schlie-
mann ist Dörpfelds Name für immer mit diesem Stück
Erde verbunden. Andere Grabungen folgten, mit Rat
und Tat hat Dörpfeld mitgewirkt und geholfen, wo es
galt neue Forschungen zu fördern und hat so den
gairzen Kreis der neueren großen Forschungs- und Gra-
bungstätigkeit der griechischen Kulturwelt durch-
schritten. Denn wo immer Dörpfelds Name in der Welt
der Bildung und Kultur genannt wird, steigt die grie-
chische Welt aus der Vergangenheit leuchtend empor.
Ein Leben, das rastlos und erfolgreich großen Spuren
nachging, mußte natürlich mit Widersprüchen und
Kämpfen rechnen. Aber was verschlägt dergleichen
einem Manne von rechter Eigenart.

In Athen wird die Erinerung an Dörpfeld besonders
fortleben als eines der wirklichen „Gesandten“ des
Deutschen Reiches, deren Namen, Haltung und Wir-
ken unserem Vaterlande zu hohem Ruhme gereichten
und an denen wir leider keinen Überfluß haben. Der
Zauber der hochkultivierten männlichen Erscheinung
gehört mit zu dem Sieghaften dieser reichen Persön-
lichkeit, der Wohllaut der Stimme vollendet die Wir-
kutig des Vortrags und Worte und Werke verfehlen
selbst auf manchen stumpfgewordenen Philologensinn
nicht ihre Wirkung.

Die Gedanken des Siebzigjährigen, der noch im
vorigen Jahre den griechischen Boden wieder betrat,
werden oft und oft in das Land seiner und deutscher
Sehnsucht zurückkehren und Gobineaus Verse nach-
empfinden; Und Du, o göttliches Atlten, Athen, Athen,
Athen! . . . Aber wir Deutsche sind stolz darauf, den
großen Ktinder und Seher der klassischen Welt heute
daheim zu wissen. Wir bedürfen der Nähe mensch-
licher uhd wissenschaftlicher Größe melir denn je, die
mit Seheraugen Länder und Zeiten geistig durchdringt
und durchleuchtet. Wil'helm Dörpfeld darf an seinem
Ehrentage das stolze Bewußtsein haben, sein Leben
der Erforschung von geschichtlichen Zusammenliängen
geweiht zu haben, die ihre Wirkung auf die strebende
Menschheit erst verlieren werden, wenn das Edle und
Schöne selbst aus der Welt scheidet und verschwindet
im Nebel der Unkultur und Barbarei, unter Trümmern
und Ruinen, die keiner Ausgrabungen mehr bedürfen,
im Chaos der ewigen Nacht.

Max Slevogt
Der Kunstsammler

Verlag der Galerie Casper
Berlin

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