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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Dezemberheft
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Schottmüller, Frida: Italienische Möbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0113

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hunderts, sondern dürften eher der Schrein fiir Kostbar-
keiten verschiedener Art gewesen sein. Auch dies-
seits der Alpen kamen damals Kabinettschränke in
reichster Ausstattung zu ähnlichem Zwecke auf. Frei-
lich man hat grade bei diesen Möbeln zu Eirde des
16. Jahrhunderts öfters des Guten zu viel getan, und
durch. eine Überfülle von Verzierung das ruhige Gleich-
maß beeinträchtigt, das der besondere Vorzug der mei-
sten italienischen Ausstattungsstiicke ist. Da werden
in Ligurien und der Lombardei alle Flächen mit Orna-
menten iiberzogen, oder in Toskana freifigiirliche
Schnitzereien in senkrechter und wagerechter Reihung
angebracht zur unruhevollen Betonung des Simses und
der rahmenden Pfeiler (Abb. 3, im Kunsthandel). Selbst
die Stiitzen, die herausgezogen die gesenkte Klapptiir
tragen, enden in kleinen Reitergruppen. Freilich, ge-
schlossen scheint solch Möbel uns Heutigen erfreulicher,

schmuck als einem Bau- und Bildwerk vergleichen
kann. Bei den Kredenzen der Spätrenaissance und des
Barock denkt man hingegen nur an Architektur. Ihrem
Raumvolumen entspricht der gewollte Eindruck wuch-
tiger Schwere, der durch eine Musterung der Fläche nur
selten aufgehoben, vielmehr durch klare Teilung und
eindrucksvolle Profilierung eher verstärkt wird. Bei
der Kredenz mit zwei breiten Türen (Abb. 5, im Besitz
von Herrmann Gerson in Berlin) bestimmen ionische
Pilaster und derbe Konsolen, hinter denen sich schmale
Schubladen verbergen, den herben Rhythmus. Man
beachte hier auch, wie die senkrechten Kanellierung
sich oben wagerecht wiederholt, um das schwere La-
gern des Aufsatzes hervorzuheben; und doch bilden
Pilaster und Konsolen untrennbar verbunden die ver-
tikalen Akzente. Merk'würdig schrnal — wie oft bei
diesem Typus — ist der mit Eierstab verzierte Sockel.

Abb. 8. Bologna (?) nach 1600. Tisch mit Balustern. Besitzer: Herrmann Gerson, Berlin

als offen, weil die großen glatten Flächen ein günstiges
Gegengewicht bilden zu dem überreichen Dekor. Die
Schnitzerei ist bei diesem Typus niclit von der Qualität
der römischen Truhen mit figürlichen Reliefs, die auch
im Aufbau meisterlicher sind. So muß man diesen Typ
der Kabinettschränke — trotz ihrer einstigen Beliebt-
heit als eine nicht erst'klassige Sondergattung von lo-
kaler Bedeutung ansprechen.

Unter den breitgelagerten Kredenzen überwiegen
die strengeren Stils, obwohl aus dem 16. Jahrhundert
auch manche mit hermenartigem Schmuck und reliefier-
ten Türen erhalten sind. Sehr selten sind die vom Be-
ginn der Epoche mit reichem Intarsiadekor, wie eine mit
prächtigen, verschlungenen Bandmotiven (Abb. 4., aus
dem italienischen Handel). Die Gliederung durch
schmächtige Profile tritt entschieden zurück neben der
wirkungsvollen Flächenverzierung, so daß man dies
Möbel eher mit einem Teppich oder dekorativem Wand-

Die Türfelder glatt, nur die Mitte betont durch einen
metallenen Knauf. Aucli hier ist das Nützlich-Notwen-
dige zugleich ein wirkungsvoller Schmuck.

Noch strenger erscheint die Kredenz mit zwei
Paaren von Doppeltüren (Abb. 6, im Besitz von Herr-
mann Gerson in Berlin), die schon im 17. Jahrhundert
entstanden ist. Einzig die schmalen Konsolen zwischen
fünf Schubladen von verschiedener Größe sind dem
Formenschatz der Architektur entnommen, aber auch
sie sind materialgemäß umgebildet. Sonst schlichteste
Ausgestaltung und als Schmuckmotiv nur die verschie-
dene Proportion der Felder und ausdrucksvolle Profi-
lierung. Löwenpranken hätten hier nicht als Füße ge-
paßt; gut fügen sich an ihrer Stelle ausgesclmittene
Holzbretter dem wuchtigen Aufbau an. Es bedeutet
ein ziemlich hohes Formverständnis, daß man die vor-
nehme, anspruchslose Schönheit solchen Möbels er-
kennt und froh genießt.

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