Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI Heft:
1./2. Dezemberheft
DOI Artikel:
Zur Wiedereröffnung des kunsthistorischen instituts in Florenz / Die notlage des Kunsthandwerks / Ein unbekanntes Frühwerk Böcklings / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Schweizerische Kunstchronik / Vom holländischen Kunstmarkt / Kunstleben in Italien / Aus der Museumswelt / Neues aus der Künstlerwelt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0120

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Barockausstellung von 1922 angeregt hatten. Seit dieser Wieder-
eröffnung hat dcr Besueh des Institutes einen lebhaften Aufschwung
genommen und man darf erwarten, daß er in nicht allzuferner
Zeit zalilenmäßig den Stand dcr Jahre vor dem Kriege erreicht
liaben wird.

Die Vergangenheit hat gelehrt, daß die Griinder des Instituts
einem guten Gedanken zum Leben verhalfen, das wiedereröffnete
Institut will es von neuem beweisen. Es wird sich stets der tiefen
Dankbarkeit gegen den seltenen Mann bewußt sein, dcr ihm den
Weg in schwerster Zeit von neuem freigemacht hat. Tm werden
es andere sagen diirfen, was er selbst nicht wird aussprechen
mögen und was auszusprechcn er wie wenige cin Recht hätte:
„Arti inserviendo consumor“. t.

Dte Hotlage des Kuntfbandtüerks-

Die Geschäftsführerin der Sächsischen Landesstelle für Kunst-
gewerbe Dr. Else Meißner beleuchtet in einem in der Tagespressc
veröffentlichten Artikel die Notlage des Kunsthand-
w e r k s, daß, nachdem es sich nach dem Kriege zu einer erfreu-
Iichen Blüte entfaltet hatte, der gegenwärtigen Wirtschaftskrise
zu erliegen droht. Ein großer Teil der tüchtigsten Kunsthand-
werker steht fast unmittelbar der Not gegenüber. So habe z. B.
im keramischen Gewerbe, wo noch am ehesten Absatz zu finden
ist, Kunsthandwerker, der keine eignen Brennöfen besitzt, Schwie-
rigkeiten, in der Industrie Gelegenheit zum Brennen zu finden, und
die Betriebe, die eigne Öfen haben, können diese nicht voll be-
schicken, ohne daß hier immer ein Ausgleich geschaffen werden
kann. — Im textilen Kunsthandwerk machen die hohen Preise der
Rohstoffe Neuatischaffungen von Materiaiien fast unmöglich. Viele
Kunstgewerblerinnen fristen ihr Dasein mit Entwürfen für die In-
dustrie oder mit Stundengeben.

Was es insbesondere für Sachsen bedeuten wtirde, wenn das
Kunsthandwerk ganz zum Erliegen komme, erhcllt aus der Tat-
sache, daß das Kunsthandwerk in gewissem Sinne das künstle-
risclie und geschmackliche Versuchslaboratorium der Industrie ist.
Die Formen, die vom Kunsthandwerker auf den Markt gebracht,
dort Anklang finden, Bürgern sich alsdann in entsprechender Um-
wandlung etwas später auch in der Industrie ein, wie dies auf
den Gebieten der Keramik, des Textilgewerbes, der Messingar-
beiten der Fall ist. Das Kunsthandwerk leistet auf dem Gebiete
des Kunstgewerbes^Pionierdienste fiir neue Formen und strahlt
seine Anregungen auf die Industrie aus.

Nach diesen gewiß zutreffenden Ausführungen schlägt die
Verfasserin zur Errettung des Kunsthandwerks vor, in erster
Linic dic Organisationen zu erhalten. Für Dcutschland kommt da-
bei der „Wirschaftsbund deutscher Kunsthandwerker“, dessen
sächsische Gruppe der „Wirtschaftsbund sächsischer Kunsthand-
werkcr“ bildet, in Betraclit, für Sachsen speziell noch das „Wirt-
schaftskartell des sächsischen Kunstgewerbes“. Ferner müssen
sich die heute noch zahlungsfähigen Schichten des Publikums dar-
iiber klar sein, daß das Kunsthandwerk heute ein arg gefälir-
dctcr Faktor unsercs kulturellen Lebens ist; bci der Flucht aus
dem Papiergeld sollte man auch wertvollc Kunsthandwerkserzeug-
nisse erwerben, dic einen im höchstcn Maßc wertbeständigen, ja
im Werte steigenden Besitz bilden. Aufgabe dcr richtigen wirt-
schaftlichen Organisation des Kunstgewerbes müsse es außerdem
sein, die Herstellungskosten des Kunsthandwcrks nach Möglichkeit
zu verringern und die Preisbildung so zu rcgeln, daß lieber ein
größerer Umsatz mit kleinem Verdienst, als ein klciner Umsatz mit
größerem Verdienst am Einzelstück erzielt werde. — Bei diesem
Vorschlage ist allerdings davor zu warnen, eine solche vergrößerte
Umsatzmöglichkeit auf Kosten der Qualität zu erreichen, denn w i e
cr sonst durchführbar wäre, dartiber bleibt die Verfasserin die
Antwort schuldig. Freilich fiihrt sie in ihrem sonst beherzigens-
wcrten Ausfiihrungen fort, daß die jetzige Zeit der höchsten Not
ein Priifstein dafiir sein werde, ob Staat und Volk in Deutsch-
land bcgriffen lüittcn, daß die technische und kiinstlerische Qua-
litätsarbeit der einzige Kern sei, aus dem später einmal wieder

eine wirtschaftliche Blüte erwachsen könne, und ob sie deshalb
gewillt seien, auch den Kunsthandwerker über die Notlage hin-
wegzuretten, damit er dann später den neuen Aufstieg befruchten
könnc.

Es wäre zu wünschen, daß dieser Appell niclit ungehört ver-
halle. Das deutsche Kunsthandwerk hat von jeher einen guten
Ruf genossen, — ihn zu wahren, dazu kann in nicht geringem
Grade das Publikum beitragen.

Paul Sorgenfrei.

6tn unbekanntes fmbtüet’k Böcktins.

Der „Kunstwanderer“ veröffentlicht in seinem vorliegenden
Dezember-Doppelheft ein bisher unbekanntes bedeutendes Friih-
werk von Arnold Böcklin, das jetzt im Kunsthause Pro
Arte in Basel ausgestellt ist. Es zeigt das Bildnis des ju-
gendlichen Malers Alexander Michelis, der gemeinsam mit Böcklin
bei Schirmer in Diisseldorf gearbeitet hatte. Schmids Katalog
führt zwar dieses frühe Werk des Meisters auf, die nähere Be-
stimmung aber ist erst dem Kunsthistoriker Dr. Jules C o u 1 i n ,
dem Leiter des Kunsthauses Pro Arte gelungen. Alexander Miche-
lis, dessen Bildnis hier Böcklin in Tönen von Rosa zu Olive, von
Schwarzgrau zu Hellweiß festhielt, war 1823 geboren, also um
vier Jahre älter als sein Baseler Kamerad und erreichte, da er ein
schweres Lungenleiden hatte, bloß ein Alter von 45 Jahren. Er
ist 1868 in Weimar gestorben, wo er Professor an der Kunstschule
geworden war. Dieses Bildnis Böcklins, das schon die Hand des
großen Meisters verrät und durch seine Beseeltheit faszinierend
vdrkt, scheint uns auch ein wichtiger Beitrag zur deutschen Künst-
lergeschichte: Böcklin hat hier einem Studiengenossen, dessen
künstlerische und menschliche Qualitäten er schätzte, ein hervor-
ragendes Denkmal gesetzt.

Neben dem Michelis-Porträt von Böcklin besitzt das Kunst-
liaus Pro Arte noch eine Reihe anderer Frühwerke des Meisters,
vorwiegend Landschaftsstudien, die in den Vierziger Jalireu
cntstanden sind. Überaus reizvoll ist außer diesen Ölstücken ein
Pastell von Böcklin, das die „Meeresbrandung“ darstellt. An
diese Böcklin-Reihe schließen sich Bilder von Hodler.Stäbli,
G i a c o m e 11 i und anderen Schweizerischen Meistern an.

Kunilausffettungcn.

Bectm,

In Berlin ist eine neue Galerie alter und neuer Meister er-
öffnet worden, die Galerie Matthiesen. Sie befindet sich
in der zweiten Etage des Kunsthauses Friedmann & Weber
und befindet sich dort inmitten des erlesenen Kunstgewerbes sicher
sehr wohl. Ihr künstlerischer Leiter ist Franz Zatzenstein,
der schon in München einen guten Blick für Qualitäten der alten
und modernen Kunst bewies und der sich nun auch in Berlin
durchsetzen will. Diese erste Ausstellung der Galerie Matthiesen
bringt nun eine ganze Anzahl kostbarer Stiicke: altdeutsche
Meister, dann Holländer (Hobbema, J. van Ruisdael u. a.), Eng-
länder (Landseer: Bildnis der Lola Montez) usf. Und unter den
modernen Meistern sieht man erstklassige Franzosen wie Daumier,
Renoir, der ungewöhnlich stark repräsentiert ist, und andere.

Auch die Galerie Bachstitz, die jetzt von Victor
Z w i n z, dem bekannten Bildhauer und Maler, ktinstlerisch ge-
leitet wird, zeigt in ihrer jüngsten Ausstellung Bilder von Rang
und Klang. Namen wie Rubens, van Goyen, van de Velde u. a.
stehen hier. Eins der Hauptstücke ist ein Clouet. Eine Vitrine mit
Antiken, eine Reihe von italienischen Renaissance-Bronzen und
kunstgewerblichen Werten geben der Ausstellung ein besonderes
Relief.

In den modernen Kunstsalons herrscht ein reger Kunstbetrieb.
Das ist kein ungünstiges Zeichen und es wäre auch sehnlich zu
wiinschcn, daß die Schaffenden den Erfolg hätten, den sie ver-
dienen. Bei S c h u 11 e ist Arthur K a m p f zu Gaste — Hans

102
 
Annotationen