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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Januar
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Strauss, Rudolf: Prager Bibliophilen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0145

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k e i n e L i e b s c h a f t w a r e s n i c h t.“ Wir dür-
fen annehmen, daß diese tugendhafte Verwahrung sach-
lich richtiger ist als ihre stilistische Formulierung.

Im gleichen Rahmen ist ferner die Sammlung „Pra-
gensia“ von Professor Friedel P i c k erschienen. Er
hat in dieser bisher drei stattliche, weißgoldene Bände
herausgebracht, deren Inhalt wie Ausstattung gleich
erstklassig sind. Das erste dieser Bücher, „ D e r
P r a g e r F e n s t e r s t u r z i m J a h r e 1618“
(Jahresgabe an die Gesellschaftsmitglieder für 1919),

Abbildungen der Medaille für Rektor Jessenius a. d. J. 1618
(Pragensia II., Seite 130)

schildert das Ereignis, das ganz Europa in Erregung
versetzte und den Auftakt zum dreißigjährigen Krieg
bildete, auf Grund zeitgenössischer Blätter und Flug-
schriften. Sie sind hier facsimiliert wiedergegeben und
nehrnen zu der bedeutungsschweren Begebenheit so-
wohl vom protestantischen, also antihabsburgischen,
wie auch vom kaiserlichen, also katholischen Stand-
punkt aus Stellung. Bezeichnenderweise sind sie sämt-
lich, wie überhaupt die Literatur des böhmischen Auf-
standes, in deutscher Sprache geschrieben. Zeitge-
nössische Abbildungen der in Betracht kommenden
Örtlichkeiten, die das Buch reproduziert, zeigen selt-
mit großem Geschick geordnet und mit umfassenden,
außerordentlich instruktiven und scharfsinnigen Erör-
terungen begleitet.

Den zweiten Band der „Pragensia“, die Jahresgabe
für 1920, bildet die „ D e n k s c h r i f t des Re'ktors
Johannes Jessenius v o n Groß-Jessen
a n d e n Generallandtag v o n 1619 ü b e r E r -
neuerung d e r P r a g e r Universität“. Im
Jahre 1617 wählte das Professoriumkollegium der Ka-
rolinischen Universität, die durch die Konkurrenz der
vom Hofe begünstigten Jesuitenuniversität Ferdinandea
arg bedrängt war, den in Breslau geborenen Johannes
Jessenius, einen ausgezeichneten Anatomen, zum Rek-
tor. Er gehörte einem ursprünglich in der jetzigen Slo-
vakei ansässigen, aber vor den Türken nach Schlesien
entflohenen ungarischen Adelsgeschlecht an, war be-
reits Professor und Rektor in Wittenberg, sowie Leib-
arzt der sächsischen Kurfürsten gewesen. Er war es,
der in Böhmen, wie vorher schon in Wittenberg, die
erste öffentliche Sektion veranstaltete (die fünf Tage
in Anspruch nahm), und der dann von Rudolf II. im
Jahre 1602 als Leibarzt nach Prag berufen wurde. Zur
sam fehlerhafte Wiedergaben des schönen Panoramas
des Prager Hradschin, was ihren Kuriositätsreiz noch

erhöht. Das gesamte Material ist von Professor Pick
Zeit seines Prager Rektorats erreichten die Kämpfe
der böhmischen Stände um ihre religiöse Unabhängig-
keit und gegen Wiener Absolutismus den Höhe-
punkt. In Furcht vor dem fanatischen Gegenrefor-
mator Ferdinand von Steiermark wünschten die Böh-
men dessen Krönung zum ungarischen König um jcden
Preis zu verhindern. Jessenius machte sich als Unter-
händler nach Ungarn auf den Weg. Er wurde jedoch
von den Kaiserlichen abgefangen und erst uach mona-
telangen diplomatischen Verhandlungen aus dem Kerker
wieder entlassen. An den Generallandtag, der Ende
August 1618 gegen Ferdinand als böhmischen Gegen-
könig Friedrich von der Pfalz wählte, richtete Jessenius
seine gleichfalls in Facsimile wiedergegebene Denk-
schrift über die Erneuerung der Prager Universität, die
durch die Lauheit ihrer von den protestantischen Stän-
den eingesetzten „Defensoren“ in eine äußerst traurige
Lage geraten war. Nach der Schlacht am weißen
Berge fiel der Gelehrte als Vorkämpfer des Protestan-
tismus, als Pionier wissenschaftlicher Freiheit und der
Loseisung böhmischer Lande aus Habsburger Hand der
Exekution zum Opfer. Er erhielt, wie Professor Pick
eingehend und ergreifend dartut, von allen Rebellen die
schwerste Todesstrafe.

Von diesem furchtbaren Strafgericht handelt der
dritte Band der „Prägensia“, ,, D i e P-rager E x e -
kution im Jahre 1621“. Er ist ein würdiges
Andenken an die 27 aufrechten, glaubensstarken und
politisch steifnackigen Helden, die am 11. Juni 1621 „auf
gnädigsten Befehl" des Kaisers Ferdinand II. unter er-
schwerenden Martern und schimpflichen körperlichen

'^^ccuiwn^nil dcTikn~Jic bcllerv zä

(Dera Text der „Pragensia“ vorangestellte Zierleiste)

(Aus Pragensia II., „Denkschrift des Jessenius“, Seite 105)

Verunstaltungen öffentlich justifiziert wurden. Auf den
beiden Umschlagdeokehi zeigt das wertvolle Buch eine
bibliophile Merkwürdigkeit: das goldene Supra libris
des damals hingerichteten Christoph Khober von
Khobersperk und seiner Gemahlin, einer geborenen von
Rotenfeld. Hier hatten Eheleute getrennte Stempel für
ihr Supra libris, wobei das des Mannes die Umschrift
in deutscher, das der Frau die Umschrift in tsche-

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