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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Märzheft
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Donath, Adolph: Modernes Porzellan: Berlin, Meißen, Nymphenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0214

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ler verhalten? Tauchen solche Service, Figuren,
Gruppen oder Kirchnerschen Tiere eines Tages im An-
tiquitätenhandel auf — und solche Fälle sollen vorkom-
men — dann gibt es den berühmten Krach, und der gute
ehrliche Kunsthandel muß mitleiden. Es reizt natürlich
die einzelnen Manufakturen, die Vollendung im .Tech-
nischen so zu erreichen, wie sie den Alten gegliickt ist.
Und zum Hausgebrauch ist so etwas ohne Zweifel von
Vorteil. Doch für den Markt sind die w i e d e r h o 11 e n
Versuche nicht von Nutzen. Dieses Ziel der Manufak-
turen also, die altberiihmten Stiicke in so und so vielen
Kopien (manchmal gibt es ja auch, wie die Ausstellung
zeigt, etliche Änderungen in den Modellen, Abstufungen
in den Farben) scheint mir nicht geeignet, die weitere
Entwicklung des modernen Porzellans zu fördern. Es
gilt heute meiner Ansicht nach nur das e i n e Ziel, fiir
das neue Porzellan auf Grund der Errungenschaften
der alten Techniken originelle Kräfte zu gewinnen.
Diesen Weg hat Berlin beschritten, indem es Scheurich
bei seinen Figuren frei schalten und-walten ließ, Meißen,
indem es sich August G a u 1 s Schiiler und Freund
Max Esser zu sichern verstand, Nymphenburg, indem
es Wackerle groß zog. Und da gerade von Wackerle
die Rede ist, möchte ich darauf aufmerksam rnachen,
daß in seinem Falle die staatliche bayrische Manufaktur
auch dem n e u e n Sammier den r i c h t i g e n
Weg weist. Genau so, wie es von manchen der be-
kannten Kopenhagener Tiere nur eine beschränkte
Anzahl von Exemplaren gibt, so hat Nymphenburg von

einzelnen Wackerle-Figuren bloß eine bestimmte An-
zahl herausgebracht ( e i n e Figur iu 25 Exemplaren).
Dadurch wird naturgemäß auch die Sammel f r e u -
d i g k e i t gesteigert. Daß dann bei der „Subskription“
auf so einen Wackerle die 25 Exemplare sofort „ver-
griffen“ sind, wie bei den Zustandsdrucken irgendeiner
Radierung, ist klar. Und daß der sechsundzwanzigste
Sammler schon ohne seinen Wackerle abziehen muß, tut
nichts zur Sache. Wenn er das Pech hat, zu spät zu
kommen, dann beeilt er sich im nächsten Falle doppelt.

Die Manufakturen sollen in der Hauptsache
Sammler-Porzellane schaffen! Im übrigen
gibt es zum Beispiel von den famosen Tieren des 75 tei-
ligen Reineke-Fuchs-Aufsatzes von Max E s s e r so-
gar regelrechte „ Z u s t ä n d e Greifen wir etwa den
„Dachs“ heraus: der zeigt in seinem ersten Zustand auf
dem Rücken ein dunkel nuanciertes Grau, im zweiten
Zustand, wie er in der Berliner Porzellan-Ausstellung
steht, ein leichtes Purpurrot, das den weißen Porzel-
lankörper nicht sonderlich hebt, doch im dritten Zu-
stand, wie wir ihn in der Sammlung Professor Georg
Wegener sehen, ein leuchtend kräftiges Rot, durch das
die Weichheit der Linien warm hervortritt. In diesen
„Zuständen“ beweist aber auch Esser, daß er d e r
Künstler ist, dem die Gabe zur Schaffung eines indivi-
duell empfundenen Porzellans im Blute sitzt. Die Mei-
ßener Manufaktur hat in ihm vielleicht einen modernen
Kirchner.

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