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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Mai
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Neues aus der Museumswelt / Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Sammlung Glückstadt Kopenhagen / Die Frankfurter Bilder / Vom holländischen Kunstmarkt / Schweizerische Kunstchronik / Londoner Kunstschau / Aus der Künstlerwelt / Moderne Geigenbaukunst / Neue Graphik /  Neue Kunstbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0283

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und andererseits der Zustand manches dieser Werke zu Bedenken
Anlaß gibt.

Hier soll das geplante Museum helfend eingreifen. Der Plan
an sich ist nicht neu, er ist zumal seit der Revolution beständig
diskutiert worden und in der damals erfolgten Auseinandersetzung
zwischen Staat und Her.zoglichem Haus ist bereits insofern dar-
auf Rücksicht genommen worden, daß seitens des Herzoglichen
Hauses vertraglich die Überlassung einer Reihe namentlich be-
stimmter Werke als dauernde, einer anderen Reihe gleichfall;
namentlich bestimmter Werke als wechselnde Leihgabe an das zu
errichtende Museum zugesichert ist. Jetzt aber wird die Museums-
frage absolut und sie verdient lebhafte Förderung auch außerhaib
Anhalts. Denn dieses Museum ist keine anhaltische Angeiegenheit
allein, an ihm ist die gesamte Kunstwelt stark interessiert.

Der anhaltische Kunstbesitz, der für die Zwecke des Museums
zur Verfügung steht, ist auf ungefähr 300 Gemälde und ebensoviel
Handzeichnungen zu schätzen. Besonders gut — rein zahlenmäßig
wie qualitativ — wird die deutsche und niederländische Kunst ver-
treten sein, Italiener und Franzosen nur gering. Aus dem Besitze
der Dessauer Amalienstiftung wie des Herzoglichen Hauses werden
beachtenswerte Arbeiten des 15. und 16. Jahrnunderts, darunter
Werke von Dürer, Cranach in das Museum kommen und der an-
haltische Staat wird aus den Beständen der Landesbücherei in
Dessau die iiberaus wertvolle (und von Friedländer bereits publi-
zierte) Sammlung von Handzeichnungen beisteuern, in der Dürer,
Cranach, Holbe.in, Hans Baldung, Jost Ammann, Urs Craf unter
vielen anderen zu nennen sind. Das 17. Jahrhundert und seine
Kunst wird auch recht gut vertreten werden, hier werden nament-
lich die Niederiänder der Amalienstiftung zu beachten sein:
Brueghe,l Frans Hals und sein Bruder Dirk, Ostade, Cuyp usw.,
auch Rubens nicht zu vergessen. Ein köstliches Kabinett wird der
Raum der Maler aus Frankfurt am Main aus der Zeit des jungen
Goethe werden, in dem Trautmanns Seekatz, Juncker, Hirt, Schütz,
Pforr gut vertreten sich darbieten werden. Rechnen w.ir noch F.
A. Tischbein und einige gute — wenn auch nicht bedeutende —
Maler des beginnenden 19. Jahrhunderts hinzu, so rundet sich das
Bild des künftigen Museums trefflich. Die neuere Kunst w.ird
hinter der alten stark an Zahl und Qualität zuriickstehen, es rächt
sich jetzt bitter, daß man im späteren 19. Jahrhunderts in Anhalt
nicht mehr zeitgenössische Kunst gesammelt hat. Dadurch wird
der Impressionismus z. B. nur äußerst schwach vertreten sein,
auch expressionistische Arbeiten nicht gerade gut. Immerhin wird
der Anschluß an die Kunst unserer Tage einigermaßen erreicht
werden und es wird eine der vielen Aufgaben der künftigen Mu-
seumsle.itung sein, nach Möglichkeit an der Auffuiiung der Lücken
der neueren Zeit zu arbeiten.

Das zu errichtende anhaltische Landesmuseum für Kunst und
Kunstgeiwerbe wird eines der besten deutschen Museen zweiten
Ranges werden, das kann ohne Uberhebung heute schon behauptet
werden. Zum Te.il sind es außerordentliche Scliätze, die es aus
schlecht behüteten Verstecken ans Licht bringen wird. In Anhalt
hat die bildende Kunst seit 100 Jahren nicht viel Bedeutung ge-
habt, i.mmer hat sie, in Dessau zumal, zuriickstehen müssen hinter
der Kunst des Tlieaters und der Musik. Denn damit jetzt e.in Ende
gemacht und auch der bildenden Kunst zu ihrem Rechte verholfen
werden soll, so ist das gewiß kein übertriebcnes Veriangen, es ist
nichts weiter als ausgleichende Gerechtigke.it und der Kampf da-
gegen stellt sich allerletzten Endes als Unwissenheit über die Be-
deutung der anhaltischen Kunstschätze heraus.

Kürzlich erst ist im anlialtischen Landtag vom Regierungs-
tische aus das erfreuliche offene Geständnis erfolgt, es gäbe wohl
kaurn ein Land, das so wenig für die bildende Kunst getan habe
wie Anhalt. Und in einer Presseäußerung hat das anhaltische
Staatsministerium Ende März erklärt in Bezug auf die unhaltbaren
Zustände in den augenblicklichen Aufbewahrungsorten der Ge-
mälde: „Diese gröblichen Mißstände kann ke in Volk, d a s
denEhrentitel einer Kulturnation beansprucht,
unbeachtet lassen“. Dem haben wir nic.hts zuzufügen.
Es kann -der deutschen Kunstwelt nicht gleichgültig sein, wie wert-
volles deutsches Kunstgut in Anhalt untergebracht is. Das Vor-
gehen des Anhaltischen Ministeriums in dieser Frage mag nicht

über.all glücklich im Jone, in der Art und Weise des Kampfes sein,
in der Sache selbst kann es sicher sein, die gesa.mte deutsche
Kunstwelt hinter sich zu liaben, die die Frage des Dessauer Mu-
seums zu der ihren inaclien muß.

Wilhelm v a n K e m p e n — Dessau.

*

DaS' S t ä d t i s c h e Musum in A a c li e n hat das
,,Flieder“-Bild von G. J. K e r n erwor.ben, das im vorigen Jahre
auf der Juryfreien in Berlin ausgestellt war und dort dank seinen
hohen kiinstlerischen Qualitäten regste Beachtung fand.

*

Das Museum in U1 m erwarb eine Muttergottesstatue von
Hans M u 11 s c h e r, sowie aus einer Casparausstellung des Kunst-

Geburt Mariae, Holländisch um 1480. Aus der Sammlung
Benoit Oppenheim, Berlin, Ein Gegenstück hierzu befindet
sich im Reijkmuseum zu Amsterdatn.

Ausstellung deutscher Holzskulpturen
dn der Galerie Dr. Goldschmidt-Dr. Wallerstein, Beriin

vereins graphische Blätter von Karl C a s p a r und ein Boden-
seegemälde von Maria Caspar-Filser.

*

Professor Karl Berling, der nacli 36 jähriger überaus er-
folgreicher Museumstätigkeit kürzlicli von der Leitung des Kunst-
gewerbemuseums in Dresden schied, um sich ausschließlich
seinen w-issenschaftlichen Arbeiten zu widmen, ist zu einer Vor-
tragsreise nacih Spanien eingeladen worden. D.as ist eine besondere
Ehrung ifür den 67 jährigen hervorragendeu Gelehrten, dem das
Dresdner Kunstgewerbemuseum seinen Aufscliwung verdankt.
Berlings Forschungen auf dein Gebiete des Meißner Porzellans sind
ebenso grundlegend wie seine Publikation über d.as alte Zinn, die
im Verlag von Richard Carl Schmidt & Co., Berlin, erschienen ist.

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