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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Juniheft
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Grautoff, Otto: Französisches Kunstleben im Jahre 1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0306

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und Farbenklänge in vielfältiger Weise. Der Frenide,
der die Kunstsalons von Barbazanges, Bernheim, C-har-
pentier, Druet, Durand-Ruel, Pellet, Petit, Vildrac lisw.
durchreisend eine ungeheuere Bilderflut über sich er-
gehen lassen muß, stellt ein sicheres und hohes Ge-
scbmacksniveau fest; äber die einzelnen Maler wie
Denis, Flandrin, Guerin, Marquet, Puy, Utrillo ver-
schwimmen ineinander. Die Anmut ihrer Motive, die
singende und klingende Heiterkeit ihrer Farben ist aufs
beste geeignet, Salons und Speisezimmer im modernen
Stile eine freudige Note zu geben; aber schweren Ernst
und tiefe Gedankenarbeit findet man nirgends. Die
Kunst des heutigen Frankreichs gleicht nach mühselig
langer Bodenbestellung einem glücklic'hen Erntefest.
Alle thematischen und formalen Probleme sind gelöst.
Im strahlenden Sonnenschein schwimmen sinnlich
glühende Formen. die sich in zauberhaften Farben

ist völlig durchgedrungen. Die Anregungen, die 1911
die Deutschen den Parisern gegeben haben, sind verar-
beitet. Nach zwölfjährigem, mühseligen Ringen sind
die französischen Kunstgewerbler selbständig gewor-
den und haben das pariser Publikum zu sic’h bekehrt.
Das sichtbarste Zeichen ilirer äußeren Erfolge beruht
darin, daß außer dem Dutzend Unternehmungen im Stile
unserer Vereinigten Werkstätten, alle großen Waren-
häuser sich von Künstlern geleitete Werkstätten mo-
derner Innenkunst zugelegt lraben. Die Formen der
Möbel - ohne diie Deutschen nicht denkbar - entbehren
der Schwere und linearer Härte, sind unmerklich dem
Louis-XVI. unterstellt. In den Farben werden Schwarz,
Violett und Weiß, sowie das tonlose Braun verinieden.
Düstere Interieurstimmungen liebt der Franzose nicht.
In Gardinen, Teppichen, bedruckter Leinwand und be-
malten Stoffen herrscht eine Qualität und Auswa'hl, von

Le Fauconnier

Der Dichter
George Duhamel

baden. Sorglos friedliche Tage. Eine neue halcyonische
Zeit. Die wonnereiche Gegenwart hat auch das Sucher-
tum von Henri Matisse, Pablo Picasso und Georges Bra-
que beruhigt; auch sie stimmen mit ein in den Chor der
Glücklichen, die iu Formen und Farben jubeln. Männ-
licher, herber wirken in diesem einschmeichelnd süßen
Konzert gleichsam als Bässe Andre Derain, Dunoyer de
Segonzac und Le Fauconnier. In ihrer Kunst spürt
man, daß es in Frankreich vorwärts drängende Kraft
gibt, daß das Ausruhen auf einer Höhe wenigstens vor-
läufig nicht erschla'fft. Coubine bewahrt durch helle
Flötentöne die Harmonie vor Eintönigkeit. Jacqueline
Marval differenziert das Gesamtbild durch weibliche
Zartheit.

Der festlichen Freudigkeit auf allen Bildern ent-
spricht die vergnügte Lebhaftigkeit, die die Kunstge-
werbler in Wandbespannungen, Möbelstoffen, Tisch-
decken, Kleiderstoffen, Lampenschirmen, Keramiken
und Steingut entfalten. Der Erfindungsreichtum spru-
dclt unerschöpflich neue Muster und entzückende Far-
benkombinationen hervor. Das neue Kunstgewerbe

der man sicli in Deutschland zur Zeit keine Vorstellung
machen kann. Moderne Innenräume sieht man heute
nicht nur in Paris, sondern gelegentlich auch in der
Provinz, vielfältig auf der Bühne in modernen Theater-
stücken, in Cabarets und in den großen Varietes, aucli
in Modegeschäften, Schmuckläden und staatlichen Ge-
bäuden. Ein neues Sammlergeschlecht ist herange-
wachsen. Auch in Deutschland ist bekannt geworden.
daß viele, bekannte Sammlungen aufgelöst worden sind.
Eine Vorstellung von dem Geist der neuzeitlichen
Sammler bekaiti man im März in der ,,l. Exposition de
collectionneurs“, die im Hotel de la curiosites et des
Beaux-Arts stattfand. Hier erwies sich, daß Henry
Aubry, la Prinzesse de Bassiano, George Besson, R.
Chevalier, Pierre Goujon, Sacha Guitry, Marcel Kapfe-
rer, Laroche, George Menier, Marcel Monteux, Ch. Pac-
quement, Armand Parent, E. Trystram, Paul Ziegler aus
der verwirrenden Fülle der modernen Kunst im Großen
und Ganzen die schönsten Stücke ausgesucht haben.
Es zeigte sich in dieser Sammlerschau, daß die Maler,
die durchschnittlich nur auf hohem Geschmacksniveau
 
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