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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI issue:
1./2. Juliheft
DOI article:
Waldmann, Emil: Franz Hals im neuen Gewande
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0341

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7ahrgarig 1924,

Herausgeber. /VdOiptl DOHQitl

1./2. Juülieft

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6mtt IDatdmann

Wir geben nachstehend die sehr interessanten Aus-
führungen von Dr. Emil Waldmann, dem Direktor der
Kunsthalle Bremen, wieder, möchten jedoch betonen,
daß wir mit ihnen nicht übereinstimmen.

Die Redaktion.

|n Haarlem, im Museum, das vor zehn Jahren in das
1 höchst stimmungsvolle alte Waisenhaus überftihrt
wurde, werden seit ungefähr ebensoviel Jähren die
großen „Doelenstücke“ von Frans Hals restauriert, jene
acht Riesenbilder von meistens drei bis vier Meter
Länge, die den größten Ruhm des Meisters ausmachen
und als Hö’nepunkte dieses echt holländischen Gebietes,
des Gruppenporträts, gelten. Gemälde mit vielen Per-
sonen drauf, manchmal bis zwanzig, alles Bildnisse,
Schützenstücke und Offiziersmahlzeiten, Fahnenkom-
pagnien und Gildenvorsteher oder Vorsteherinnen, Re-
genten und Regentinnen von Spitälern und Altfrauen-
stiften. Gruppen am griinen Tisch oder bei der Tafel,
feierlich repräsentiereng oder in zwangloser Unter-
haltung. Frans Hals verstand es, diesem fast hundert
Jahre alten Thema das Höchstmaß von Lebendigkeit,
von schlagender Charakteristik der Physiognomien und
von blendender Farbenpracht zu geben. Die Bilder
müssen in den Räumen ihrer Bestimmung höchst be-
deutend und prunkvoll ausgesehen haben, mit ihrer
haarlemischen Buntheit auf den geweißten Wänden der
Gildenhallen. Leider waren sie sehr nachgedunkelt
und durch das Gelbwerden des Firnisses um ihre ehe-
malige Leuchtkraft gebracht.

Nun hat man, wie gesagt, vor einigen Jahren da-
mit begonnen, sie zu restaurieren. Der sehr geschickte
und gewissenhafte holländische Restaurator de Wildt

bekam sie unter die Hände. Als er die ersten Proben
seiner Tätigkeit vorführte. entspann sich eine Polemik
darüber, ob die Restaurierung heilsam sei, oder nicht.
Einige Leute, besonders Maler, fanden die Bilder seien
zu frisch und es sei falsch, ihnen die Patina zu nehmen.
Der Streit dauerte ziemlich lange, wurde aber sach-
lich und gründlich geführt. Das Ergebnis war, daß der
Restaurator de Wildt in der begonnenen Weise weiter-
arbeiten sollte. Fünf der Bilder sind fertig, das sechste
ist in Arbeit, nur zwei, darunter ein Spätwerk des acht-
zigjährigen Meisters, die „Vorsteherinnen des Altfrau-
enhauses“ sind noch unangerührt. Wem daran liegt,
Frans Hals als Maler von Regentenstücken noch einmal
so zu sehen wie die den Meister sahen, die ihn gegen
Ende des 19. Jarhunderts berühmt gemacht haben, tut
gut daran, bald nach 'Haarlem zu fahren. Sonst sieht er
die Bilder in dem Zustande, in dem Frans Hals sie,
wahrscheinlich, seinen Auftraggebern ablieferte.

Was man bei dem Vergleich zwischen dem Zu-
stande von heute und von gestern sieht, bedeutet eine
der größten künstlerischen Überraschungen.

In der Tat erschrickt man im ersten Augenblicke,
wenn man die Säle des Museums betritt. Die Bilder
hatten früher einen tiefen goldenen Ton, einen Toa, in
dem allerhand Einzelheiten untergingen, wie unter
einem dichten goldenen Sclileier. Heute sind alle Far-
ben frisch, wie gestern gemalt, das Schwarz der Ge-
wänder, das früher absolutes Schwarz war, enthält
jetzt ein halbes Dutzend von Nuancen, das Weiß der
Halskrausen, früher rahmfarben oder wie angerauchtes
altes Elfenbein, ist beinahe so weiß wie das Taschen-
tuch, das man daneben hält und spielt in zehn Schattie-

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