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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI issue:
1./2. Juliheft
DOI article:
Justi, Ludwig: Slevogts Zauberflöten-Fries
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0345

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Aber wenn man sieht, wie der musikalische Maler

— der selbst einmal beinahe zur Oper gegangen wäre

— mit Auge und Ohr den Zauber in sich aufgenommen
und in so bezeichnenden Gestalten wiedergegeben hat,
dann ist damit der Reiz des Bildes nicht ausgekostet,
sondern nun ist alles ja noch der Glanz und die Heiter-
keit des hochbegabten, hier ganz frei schaltenden Mei-
sters. Immer neue Feinheiten genießt man bei jedem
Blick. Wie so ein Figürchen hingeschrieben ist, die Be-
wegung blitzartig erfaßt, leicht über das Gold gehuscht,
blumig-duftige Farben! Bei den nackten Tänzern zum
Beispiel, die Lendenschiirze — ein witziger Pariser bat
einmal die verschiedenen Arten von Taschentüchern
klassifiziert: le mouchoir de promenade, de luxe, de co-
quetterie et le mouchoir serieux — diese Schamtiichlein
sind nicht serieux, sondern de coquetterie, arg klein, und
fliegen im Tanze, ihr Sinn ist Farbe, lichtzarte Färbchen
auf den ach so unausgesprochenen Tönen, die unserem
Feli vom Schöpfer verliehen wurden, da seine Aufmerk-
samkeit so -sehr auf das ungewöhnliche Gehirn gerichtet
war; Juwelen gegen die breiten Goldflächen des Grun-
des. Ueberall gi'bt es derartige Farbtrillerchen, das

und helihäutige Weiber. Einer baumelt, Kopf nach
unten; die anderen werden zur Guiilotine gezerrt und
in einem Wagen verladen. Das politische Instrument
selbst fehlt: die blutend — auf die tanzenden Paare —
herabrollenden Köpfe schienen dem Maler hinterher
nicht wert der Hwigkeit, und so hat er sie vernichtet.
Diesem grausigen gradus ad Parnassum muß man also
den Mittelpunkt des Festgedankens in Erinnerung oder
Einbildung hinzufügen.

Möchten uns die beiden Leihgaben reoht lange blei-
ben! sie verbinden sich mit den Cladower Wandmale-
reien zu einer reichen Slevogt-Galerie: der Meister in
der blühenden Besonderheit seiner Begabung. Wir kön-
nen die Raumfolge nun dieser Tage zugängliöh machen
—dieUmrahmung derGartenhalle hatte sich leider stark
verzögert, durch den Streik der Stukkateure, der viele
Wochen dauerte. Der vordere Abschluß der Halle —
Unterzug, Anten und Säulen — wurde bei der Aufstel-
lung im Kronprinzen-Palais weggelassen, wie ich in
meinem friiheren Aufsatz erwähnte, damit die Wand-
bilder im Innenraum ausreichendes Licht hätten; wobei
sich zugleich neue Schönheit ergab, indem rnan jetzt das

(Slevogt, Zauberflöten-Fries [National-Galerie, Leihgabe]. — Mit Genshmigung des Verlages Bruno Cassirer, Berlin)

Rokoko-Bändgen an der Flöte, das stolze Ordensband
des Sarastro, das Gefieder Papagenas.

So ist das Ganze zugleich eine köstlich-persönliche
lächelnd-trällernde Gestaltung aus der bunten Erschei-
nungswelt dieser sublimsten Oper Mozarts, zugleich ein
graziös-vollendetes Gedicht aus mannigfaltigster Bewe-
gung, Bliitenfarbe und Gold—bezaubernd in anspruchs-
loser Leichtigkeit und spielender Meisterschaft.

Wenige Tage nacfi der Einbringung dieser Leih-
gabe bescherte uns Apoll noch eine zweite, Schrecken
der Revolution darstellend. Im Fasching 1908 feierte die
Sezession einen Guillotine-Ball. ungünstig vemerkt in
manchen Kreisen. Slevogt und Beckmann malten über-
lebensgroße Gestalten auf die Rupfen-Bespannung des
oberen schmalen Saales. Nach dem Fest ließ Paul Cas-
sirer die Leinwand abschneiden. hob sie auf und hat uns
nun die Slevogt-Bilder freundlicher Weise zur Verfü-
gung gestellt; sie hängen im Studiensaal unserer Zeich-
nungen-Sammlung, also auf die Cladower Gartenhalle
folgend. Eine Stufenleiter der Formate: Aquarelle,
Zauberflöte, Cladow, Revolution — Wechsel der Erfin-
dung und der Ausführung. Die riesiger. Figuren vom
Ballfest 'sind ganz breit, ohne Grundierung, auf den
grauen Rupfen gesäbelt, in fahl-grellen Tönen, ein-
fache Anstreicher-Farben, die trefflich erhalten und
zur Freude des Meisters sehr schön geworden sind.
Lange schmächtige Kerle, auch ein schwarzer ist dabei,

Ganze zusammen sehen kann. Aber nun standen die
Seitenwände und die Kassetten-Decke beunruhigend
abgeschnitten in die Luft hinein. Alle Versuche der Um-
rahmung mißfielen dem Meister, wei! ihre Flächen, im
nahen Vorderlicht der Fenster, bei jeder Art von Far-
benprobe zu anspruchsvoll wirkten; da kam er auf den
Gedanken, Säulen — deren Farbwert durch die Run-
dung gem'indert ist — vor die Schnittflächen der Seiten-
wände zu stellen, einen Balken tragend zum Vorder-
Abschluß der Decke. Wir waren glücklich, als wir At-
trappen von Viertelsäulen aufgebaut hatten. Aber unser
Architekt erhob Einspruch: das gibts nicht, er gibt keine
Viertelsäulen; Sie kommen in des Teufels Küche! Ich
befahi einem meiner Mitarbeiter, zum anderen Morgen
ll30 Uhr in AbbÜdung Viertelsäulen von Palladio, dem
künstlerischen Großvater unseres Architekten, vorzu-
legen. Aber das schlug fehl. In Vicenza gi'bt es wirk-
lich nur eine Viertelsäule, von einem minderen Mann.
Und sonst an späten Bauten, Porta Nigra, Grabmal des
Absalom und so. Wir haben jedoch den Mut nicht sin-
ken lassen. sondern die Achsen unserer Säulen etwas
aus der Ecke gezogen daß sie für den Laien beinahe
aussehen wie Vollsäulen. Zur Stärkung unserers Mutes
hat uns Alfred Breslauer geholfen, sonst wäre unsere
Dorik doch wohl gar zu laienhaft geworden: in liebens-
würdigHer Weise hat er. vor und nach besagtem Streik.
mit den Stukkateuren den Säulenradius und die Schwel-

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