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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 24
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0384

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nach°einemMbenteuer mit einer andern leichtfertigen Prin-
zessin ihr Geliebter; die wirklich große Leidenschaft nimmt
ein schlechtes Ende, da der Prinz den Kavalier bei der
Prinzessin überrascht und ihn tötet. Jch habe an und sür
sich nichts gegen Hofgeschichten; die Ausnahmestellung, in
der sich die höchsten Herrschaften befinden, ergibt oft höchst
interessante Konflikte zwischen Fürstentum und Menschen-
tum, und da hier sowohl Rohrbrunn, der Kavalier, lvie
diePrinzessindasDurchschnittsniveauüberragendeMenschen
sind, so sesselt die Geschichte ihrer Leidenschaft in der
That. Aber einen reinen und mächtigen Eindruck erhalten
wir doch nicht. Der Klippe aller Hosgeschichten, daß das,
was in niedrigeren Regionen romantisch, selbst poetisch
wirken würde, einen fatalen pikanten Beigeschmack erhält,
ist Perfall nicht entgangen. Ja, es will mir scheinen, als
trete das Pikante, das Nacktsinnliche mehr hervor, als es
die Darstellung des Hofmilieus eigentlich erfordert, und
eben das nenne ich bedenklich, selbstverständlich nicht aus
Prüderie, sondern aus rein ästhetischen Gründen. Die
Hauptsache, daß ein tüchtiger Mensch in der Sphäre der
Nichtigkeiten aus den Weg der Leidenschaft gedrängt
werden muß, hat Perfall gut herausgearbeitet, und inso-
sern hat sein Roman Wert. Adols Bartels.

Aus der ^ ch w ell e. Von Wa lt er L e i sti ko w.
(Berlin, Schuster L Löfsler. Mk. Z.so.)

Leider bin ich auf dem Gebiete der modernen Kunst nicht
genug zu Hause, um feststellen zu können, ob man den Maler
Leistikow in diesem seinem Buche wieder findet. Eigent-
lich müßte man es wohl, ein Maler sieht doch besser oder
eigenartiger als unsereiner, und davon sollte doch auch
seine Schriftstellerei profitieren. Freilich, eigenartig sehen
und eigenartig Gesehenes in Worten darstellen, sind zwei
verschiedene Dinge. Mir ist, aufrichtig gestanden, nichts
in den schildernden Teilen dieses Romans aufgefallem
was aus einen Maler als Berfasser schließen ließe. Aber
das Buch ist auch wesentlich Entwicklungsgeschichte, nicht
geistige, sondern psychische Entwicklungsgeschichte, und psy-
chische Prozesse werden schwerlich je malerisch werden.
So viel ist allerdings wahr: Leistikow gibt nicht bloß
Stimmungsannlysen, er sucht die Stimmungen wirklich
darzustellen, und thut es nicht ohne Glück. Vielfach wurde
ich an die Romane des nun schon so lange im Grabe
ruhenden Hermann Conradi erinnert, dessen Produktion
auch wesentlich die Darstellung von Stimmungen war,
und zwar seiner eigenen. Gestalten konnte er nicht schassen,
einen dichterischen Plan hielt er sür das Ueberslüssigste
von der Welt, und so reihte er Stimmung an Stimmung,
bis sein Buch voll war, ganz unbekümmert auch darum,
ob ein etwaiger Leser des Romans den Punkt, von wo
aus die Stimmung erst verständlich erscheinen mußte,
finden würde. So schlimm hat es nun Leistikow nicht
gemacht, sein Held Hans Schreiner hat eine Geschichte,
aber seine Jugendgeschichte ist stark konventionell, und bei
dem sesselndsten Teile des Werks, der das Leben des
tzelden als Photographen in Berlin schildert, wissen wir
leider oft genug den beregten Punkt nicht zu finden, wie
denn auch die Gestalten dieser Zeit schemenhaft bleiben.
Dann wird Hans Schreiner über Nacht ein Dichter, und
es treten zwei Frauen in sein Leben ein — damit wird
der Roman zum Roman, aber das Eigenartige verliert
sich auch mehr und mehr. Ohne Zweisel ist „Auf der
Schwelle" ein interessantes Buch, so dumps, dämmernd
und wiederum gesucht trotz der Schlichtheit der Sprache
manches darin ist, man merkt, daß, wenn kein Maler, doch

ein Künstler es geschrieben und vieles aus seinem inneren
Leben hineingebracht hat. Das große Publikum aber wird
gar nichts damit anzusangen wissen, und auch die Urteils-
fähigen werden es zuletzt kopfschüttelnd beiseite legen, da
es zu wirklicher Gestaltung, die etwas mehr ist als die
getreue Wiedergabe der Stimmungen und ihrer Atmo-
sphäre, doch eben nirgends kommt.

Adols Bartels.

lU i e Maler Vinzenz romauisch lernte und
andere Novellen von Robert Kohlrausch. (Stutt-
gart, Verlag von Robert Lutz. Mk. 2.50.)

Die Titelnovelle dieses Bandes hat seiner Zeit bei
einer von der „Wiener Allgemeinen Zeitung" ausgeschrie-
benen Feuilletonkonkurrenz, bei der Eduard von Bauern-
seld, Heinrich Laube, Erich Schmidt und Adolf Wilbrandt
als Preisrichter wirkten, den ersten Preis empfangen.
Das muß also vor ^88-^, dem Todesjahr Heinrich Laubes,
und dem Beginn der „Revolution der Literatur" gewesen
sein — heute würde die zwar gut geschriebene, aber stark
theatralisch-romantische Geschichte es bei keinem Preis-
richterkollegium zu mehr als einem Achtungserfolge
bringen. Aber Kohlrausch ist auch mit der Zeit fortge-
schritten und hat sich modernen Problemen zugewandt;
der vorliegende Band enthält zrvei Geschichten (die Be-
zeichnung „Novellen" stimmt nicht) aus dem Arbeiterleben,
von denen die eine, „An der Maschine", recht gut ist, so-
wie eine weitere moderne Geschichte „Ein ungebildeter
Mensch", die mit ihrer geschickten Gegenüberstellung von
verrottetem Adelstum und gesunder Volkstüchtigkeit bei
einer demokratischen Zeitung sehr leicht einen Preis er-
halten würde. Jn allen Geschichten Kohlrauschs zeigt sich
Streben nach krästigen Wirkungen und gesundes Em-
pfinden, so daß sie als Volkslektüre zu empfehlen sind.

A. B.

Das Antlitz der lNedusa. Nooellen von O.
Gayer. (Berlin, S. Fischer, Verlag).

O. Gayer ist wohl eine Dame. Wenn ein Schrift-
steller seinen Vornamen nicht ausschreibt, so kann man
immer annehmen, daß er eine Dame ist. Aber O. Gayer
verrüt sich auch durch ihre Naturschilderungen und über-
haupt das ganze Drumunddran ihrer Novellen als
weibliches Wesen: „Ein köstlicher Abend senkte sich rosig
auf die stille Erde hernieder. Die Sonne war hinter den
Bergen verschwunden und goldgesäumte Wölkchen schwebten
durch den klaren, lichtblauen Aether — slüchtige Himmels-
gedanken (!), von denen es nicht heißt: woher? wohin?
Es duftete nach Tau und Flieder, nach jungem Laub und
nach dem Harz der Tannen. Zirpende Schwalben schossen
über den grünen Höhen munter hinüber und herüber und
die Nachtigallen sangen von Lenz und Liebe das alte,
ewig junge Lied." Das sind unzweifelhafte Reminiscenzen
aus dem Aufsatzheste der Selektanerin. Jm übrigen strebt
O. Gayer in ihren beiden Erzählungen — „Unheilbar"
heißt die zweite — nach romantischer Haltung und ver-
schmäht selbst die Seiltünzer- und Jrrenhausromantik
nicht — leider stammt nichts aus ihr selbst, alles aus
ihrer Lektüre. Doch ist die zweite Erzählung besser als
die erste, ist überhaupt eine gewisse Gewandtheit da, die
der Versasserin vielleicht noch einmal einen Platz unter
den vielgelesenen Schriftstellerinnen der Tagesblätter
sichert. A. B.

Die Seebraut und andere Novellen oon Joh annes
Wilda. (Dresden, Verlag von Carl Reißner.)

Der Band enthält sünf Seegeschichten, von denen die
 
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