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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1906)
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Rundschau
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0069

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Witz darstellen könnte, ist die
Znsanlinenstellung sinnlos im
einzelnen wie im ganzen.
Von stilistischen Anforde-
rungen wage ich nicht erst zu
sprechen: dies stlnding von
Stempel enthüllt einen ge-
schmacklichen und gedanklichen
Tiefstand, der jedes weitere
Wort hoffnungslos erscheinen
läßt. T

Ansre Bilder und NoLen

Paul Horst Schulze, der als Griffelkünstler mit seinen kraft--
und stimmungsvollen Zeichnungen die Teilnahme unsrer Kunstfreunde
schon lange gewonnen hat, ist der Maler des Parsifal-Bildes, das mnsern
ncuen Iahrgang einleiten mag. Dcr rote Ritterjüngling reitet auf seinem
mächtigen Roß verfonncn und verträumt durch die wunderherrliche Welt,
aber was er sinnt und träumt, streckt ihn gerad aufrecht. Wir brauchen
uns nur in Höhen und Täler, in Wald und Fluß, in blaue Schatten
und goldigen Sonnenstreif und vor allem in dieses Wolkenweben droben
hineinzufehn, dann sind wir in ihn selber versetzt, denn der Maler zeigt
uns die Welt, wie sein Held sie fühlt.

Richard Pietzsch erhebt mit seiner Isartallandschast nicht den
Anspruch, einen starken seelischen Eindruck zu erzielen — und befriedigt
solch einen Anspruch doch. Zunächst könnt' es scheinen, als wäre dieses
Stück aus der Landschaft nur mit dem äußern Auge herausgesehn, aller-
dings mit einem Malerauge von feinster Empfindlichkeit. Das Bild ist
zugleich von der höchsten Wahrheit der Töne und vom reinsten Zu-
sammenklang all dieser Töne in einen malerischen Akkord. Aber der
Künstler hat doch die Farbflecken nicht nur als Farbflecken gesehen, er
hat zugleich den Wald als Wald, das Schmelzwasser als bewegten Ge-
birgsfluß, den blaugrauen Himmel als regenschwangern Himmel, er hat
hinter den Farbflecken auch die Welt gefühlt. Das ist es, was sein
Werk über die Gaben reiner Augenkunst erhebt und ihm den Atem des-
selben Lebens gibt, den wir vor der Natur spüren.

Ian Vermeers „Brief" ist für das größere Publikum eine
Entdeckung erst dieses Iahres: nur wenige wußten von diessm Meister-
werk, bis es bei der Ausstellung ans Licht kam, die der „Kaiser Friedrich-
Museums-Verein" im Frühling zu Berlin veranstaltet hatte. Da freilich
gewann sich's sofort die Herzen der Kenner wie der Laien so schnell,
daß es mit voller Einstimmigkeit als der herrlichste Schatz dieser an edeln
Schätzen reichen Ausstellung bezeichnet wurde. — Eine Dienerin bringt
der jungen Herrin einen Brief, die eine Hand noch unter der Schürze,
an der sie wohl auch die andre eben getrocknet haben wird, die Herrin
blickt aus, mit ihren Gedanken noch bei dem angefangenen Brief. Es
kann nichts Natürlicheres geben, als die Haltung der beiden, weder bei
der Herrin noch bei der Dienerin ist auch nur das kleinste an Geste odsr
Ausdruck „aufgetragen", und doch ist nicht nur die Situation aus das

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