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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1930)
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Stoessl, Otto: Erinnerung an Anton Faistauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0101

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Leidenschaft machk gegenüber der ruhenden Erscheinung die bezeichnende male-
rische und geisiige Spannung dieser Bilder aus. Jn seiner inständigen Eroirk,
die sich sowohl auf die Wärme, Leuchikrafi und Fülle der Farbe, als auch
auf die Nutur seiner Modelle, seiner Mokive beziehi, ist Faistauer sicherlich
einem Rcnoir sinn-und ariverwandi. Nur daß das österreichische, salzburgische,
das eigene Wesen seine Typen durchdringi und derari landschaftliche und
seelische Rasse bewahri und ausdrücki. Nie ahmi er bloß nach, und unver-
meidliche fremde Einflüsse verwandeli er wie der Körper die N!ahrung in
eigenes Blui, in eigenen Geist.

Von Salzburg aus blieben wir zeiiher i'n ständiger, bald freundschafilicher
Verbindung, er schrieb mir gern und osi über seine Arbeiken und Pläne. Fn
seiner Wohnung auf dem Mönchsberg habc ich ihn in den schlimmen ersten
Iahren nach dem Krieg wiederholi besuchi. Dori bin ich ihm auch ofi zu Zeich-
nungen, einmal auch — drei Tage hindurch — zu einem Profilporiräi gesessen,
das in der Prager modernen Galerie hängi. Wir haben unsere Absichien und
Werke bcsprochen, Eindrücke ausgeiauschi, nnd Faistauers Briefe regten
mich immer an, wie scine Gespräche; denn wo er auf Berständnis, Teilnahme,
Anerkennung, Liebe zählen konnie, ging er aus sich heraus, ieilie sich gerne
mik. Er schrieb nichi nur für einen Maler ausnehmend guk, manchmal ge-
radezu poeiisch schön — er häiie zuerst Dichier werden wollen, erzählke er ein-
mal—, man mcrki eine gewisse naive köstliche und ergreifende Sprödigkeii des
Ausdrucks als Spannung und Krafi, das Durchbrechen der Naiur, von Geist
und Empsindung durch die von innen her belebien Formen der Sprache, als
deren besonderen Reiz, und die Persönlichkeii voll Haltung, Zartheii, Schwung,
die sich kundgibi. „Halkung" war auch sein malerisches Ziel, und er wiederholke die-
ses Wori gern als Geboi seiner Übung, als Hossnung sür die Zukunsi.

In diescn ersten Iahren nach dem Krieg enistand sein großes Alkarbild, die
Piekä mik Sk. Sebastian nnd Markin und mit zwei Cherubim, einem „Wü-
ienden" (zi'nnoberroi) und einem „Weinenden" (weiß) an den Seitcn, ferner
ein kleines, sechskeiliges, eine 2lri Hausalkar mik lieblichen, sast miniakur-
hasien, in der Farbe reizvoll zusammensließenden Bildchen, wovon die Fluchk
nach Agypien die lebhafie Miiie einnimmk.

In Salzburg blieb er, wenn auch keineswegs gesicheri oder gar wohlhabend,
doch vor Nvt geschützk. In Wien, in scinen Ansängen haiie er argen Mangel
geliiken und dadurch vielleichk auch den Keim zu dem Lungen- und Magen-
leiden empfangen, das ihn zuletzi, so früh, anfangs der Merzig, hinraffke. Die
alte Barocktradiiion der Siadk, des Ländchens wirkie in diesem steis heimak-
lich sehendcn und gestalienden Menschen fort in Bildung nnd Charakier. Wie
er diesc angestammien Eindrücke mik dcr heuiigen Zeik, nni den gegenwärkigen
geistigen und Lechnischen AusdrucksmiLieln und Erscheinungen verband zu
einem Neuen, Ganzen, Unmittelbaren, Lebendigen, ist seine eigenste Persön-
lichkeit, sein Kunstwesen und -wirken. Aus dieser Tradition, die ihm mächiige
dramaiische Aliarwerke, bemalie und leuchiende Gewölbe und Wände vor-
stellie, erkläri sich sein Drang nach dem Fresko. Er wollke nichi bloß Rah-
menbilder sür Wohnungen oder Galerien malen, er wollie Näume, össcntliche,
wo sich viele Menschen in Andachi oder Lust, in Erregung und Aufschwung
versammelien, nni Gemälden schmücken, beleben, durch Weike, Farbe, Stim-

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