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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft 1930)
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Vrieslander, Otto: Heinrich Schenker
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0226

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zung der Sonakenauswahl dreses Mersters ist. Innerhalb des Schenkerschen
Schastens nimmt dieser Meister eine besondere, ich möchke sagen: erzepkionelle
Skellung insofern ein, als er ihn zu den Genies zählt, ihm also einen ganz
nenen Rang anweist, den er vorher keineswegs innehaLLe.

Ich muß mich darauf beschränken, in bezug auf den großen Komplex, den
eben C. P. E. Bach in Schenkers GesamLwerk emnimmk, summarisch aufzäh-
lend zu verfahren, wie ich denn auch gleich an dieser Skelle noch seme wunder-
volle Bearbeikung der ersten sechs OrgelkonzerLe Händels für Klavier zu
vier Händen erwähnen möchLe, die so rechk den Abstand zwischen der Arbeit
eines Nachschasters und einer DurchschniLLsmusikanLenarbeiL darkuk, sofern
man jede andere BearbeiLung damik vergleichk.

MiL dem „Tonwillen", dessen ForLsehung das „Iahrbuch" I und II bildek,
schuf Schenker sich ein Organ in der ArL von zwanglos erscheinenden Hefken,
in welchen er alle Fragen, welche ihn musikalisch oder sonstwie bewegken,
behandelke. Darin ist u. v. a. die Monographie über Beethovens FünfLe Sym-
phonie enkhalken; die Monographie über des Meisters DriLke Symphonie liegt
fertig Vor und soll demnächst veröstenklichk werden. Die 10 Hefke bergen eine
Inhaltsfülle, die man kennenlernen muß, um sich ihrer zu erfreuen. Allein
die InhalLsangabe würde imposank wirken und ohne weiteres beweisen, wie
breit der Bogen gespannk ist, der sein Werk und Wirken umfaßk.

Biel wäre noch zu sagen von dem Einflusse, den seine SchrifLen seik Iahren
LroH seiner verhälknismäßigen IsolierLheiL ausgeübk haben.

Das allgemeine Verlangen nach OriginalLexLen ist ausschließlich sem hervor-
ragendes Verdienst. Daß man heuke HermeneuLenauslegungen mik ihren ober-
flächlichen TrivialitäLen, wie sie in den Lenz, Marx, Bekker usw. ihr Un-
wesen Lreiben, völlig ungenießbar findek und jedenfalls im Sinne ernster
WahrheiLsforschung rundweg ablehnt, hak man Schenkers scharfer Kritik
an diesen minderwertigen LiLeratenerzeugnissen zu danken. Daß man ferner
lieber eine alte Haydnsche Originalausgabe auf das PulL stellk, als einen
der verderbken und gefälschken Texke der Rukhardk, KlindworLh u. dgl., muß
ebenfalls als Schenkers ausdrückliches Verdienst bezeichnek werden.

Mele seiner Ausdrücke sind heute von Musikschrifkstellern ihrem Workschahe
einverleibt worden, versteht sich: stillschweigend. Man bedienk sich ganzer
Gedankenkomplexe aus seinen SchrifLen, ebenfalls, wie selbstverständlich,
seinen Namen verschweigend, ja, womöglich unker Ablehnung oder Verleug-
nung der KennLnis seiner Werke.

BedenkL man, daß er ausschließlich seiu Werk in den Dienst der Großmeister
stellk, daß sein Blick in diesem Sinne reLrospektiv gerichket ist; so häkke man
Sinu und Wesen von ihm ekwa zu definieren: Er inkerprekierL und hükek das
immense Erbe der HochkulLur der Musik unker Voranstellung der Funda-
mente dieser HochkulLur, wie sie sich in Skufen-, Skimmführungs-, General-
baßlehre darstellen. Das Thema seiner Schrifken ist ein für allemal die
Synkhese. Was dieser enkgegenstehk, wird als nichk existenzberechkigk ent-
weder abgelehnk oder ignorierk. Darunker fällk dann, wie von selbst, daö
meiste der modernen Musik. WollLe man nun darum sein Tun als unfruchk-
bar, als unzeitgemäß abkun, so wäre zu erwidern, daß der Gegenstand seiner
SchrifLen zeiklos ist. Schon in der Darstellung und Auseinanderfalkung des

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