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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1930)
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Alverdes, Paul: Kleine Reise: aus einem Tagebuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0255

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Der Reisende ahnte schon die Fremde, das Wasser roch anders als an den
bayerischcn Seen, die ihm verkrauk waren, der Wind, der es in langcn
Skößen herübersprühke, wehLe rein und stark, er kam über die Eisgebirge, und
es war kalL am IuniLag, als habe sich das Iahr längst in den Herbst gcwen-
dek. ELlig Lrug er seinen Koffer auf das Schweizer Dampfbook hinüber, er
war ungcduldig nach fremdem Brok und fremder Rede. Er setzke sich vor das
Skeuerhaus, die Lufksäule über dem Maschinenschacht sandte Wärme in
scinen Rücken, GischL und Negen sprühken in sein GesichL, als das BooL sich
bald darauf miL Fauchen und Zis-Hen und dem hellen Schlagen der Glocke
in Bewegung setzke. Die Ausfahrk aus dem Lindauer Hafcn ist eng, es
gab ein langwieriges Rkanöver mit BerhalLen, Bor- und üeückwärksschlagen
der Schraube, und zuletzk ging es doch nichk ohne Schieben und Drücken nüL
den langcn Skoßbalken ab, wobei die Makrosen in einer einstweilen ganz un-
verständlichen Sprache miteinandcr zankLcn, während der KapiLän hin und
wieder ein kurzes Skückchen in sein Messingrohr sang. Aber dann war das
Schiff doch auf dem offenen Wasser und nahm den Kurs quer hinüber uach
der Schwciz.

Das WeLLer wechselke miL einer bcrückenden VielfalL der Erscheinungen un-
aufhörlich. OfL schleifken breike und rauchende Wände von Hagel oder von
schwerem Regen dem Schiff so nahe vorbei, daß sie den Blick auf das Land
völlig verhängken und daß die Grenzlinie der auf das Wasser Lrommelndcn
Niederschläge auf Skeinwurfnähe deuklich zu sehen war, während das BooL
selber in einer Windstille dahinfuhr und kein Tropfen sein Deck crreichte. Zu
gleicher ZeiL aber schien jenseiLs davon die Sonne mit breikem Keil auf ein
lichtgrünes, abcr unker dem Winde noch murrendes und zuckendes Gewässer,
und funkelte und blitzke mik hundcrLfälkigcn LichLern von den triefend nassen
ÖlmänLeln der Fischer zurück. Sie fahren dork mik wendigen und schmalen
BooLen, die wie flache Sichcln mit aufgebogenen Hörnern auf dem Wasser
liegen und wenig mehr Raum haben, als für zwei Mann, den HilfsmoLor
und das FanggeräL ausreichen mag. Immer weiter enLfernke sich das schwä-
bische Ufer, dessen Waldblau und Hügelgrün mit den zahlreichen Weilern
und kleincn Skädken die Regengüsse, die den WeiLsee peitschken, dem Blick

immer häufiger verstcllken. . „ . n-

Linkcr Hand die Berge indessen rückten nichk nähcr, die Klinze zwischen Erde
und Himmel zog sich nur dichter zusammen und warf ein fahles LichL auf die
Fels- und EishäupLer, die aus dem I rebel starrken. Dcr Ieeisende wnßte ihre
Namen nicht und nichk, wo ungefähr sie sich erhebcn mochten. So blicben
sie ihm unbeLreken und unbekrekbar für immer, Boohnungen dcr Geister und
Dämonen, und sie sandken die Ahnung ihres gcstirnenahen und jahrtausende-
kundigen Dascins mik reinigendem und verwandelndcm Llkcm übcr das lWajser.
Bei der AnkuufL in Romanshorn war darauf einstwcilen zu vergessen.
Wieder zeigken sich die Schweizer dcr Ungeduld des Neisenden als mittel-
mäßige Seefahrer. Das Landungsmanöver wollke nichk glücken, und die
fünfzig wohlhabend aussehenden GepäckLräger und Eisenbahner, die oben auf
dem Kai sianden, sprangen freudig hin und her und suchten sich dem Kapitän,
dcr ihrer nicht achtete, mit sachkundigen IeaLjchlägen verjtändlich zu machen.
Hernach gab es dann eine unwürdige Zollprozedur, denn unter den auge-

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