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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1930)
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Strauß, Ludwig: Feuer
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0291

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die, beide Arme voll zusammengerafften Geräts, aus dem brennenden Haus
kam. Dann ffand sie draußen mit verffeinertem Gesichk, über das unaufhör-
lich die Tränen aus groß-offenen 2lugeu rannen, und sah das Haus ihrer
Jugend zusammen mit dem eiklen Gebäu, darin sie ihr Frauenleben ver-
loren hatte, lohcn und zerffürzen.

Sie sah die gelben und roten Flammen das zerfförke Dach durchkanzen. Sie
sah im kräftigen ftkachkwind Funkengarben und körperlose FeHen Feuers
von ihrem Hause entfliegen. Sie sah in dunklen Fenffern da und dort Schein
aufgehen und Rauch auswirbeln, atmende Helle sinken und ffeigen, bis die
volle Lohe herausbrach. 2lll das war von einer unerkannten und lichk er-
regenden Erinnerung begleitet, die Mal um Mal, wenn das Feuer seine
Macht erweiterte, aufsprang: „so" und „so wars", als hätte Maria schon
einmal in ferner Zeit den Brand gesehen. Darüber verwandelte sich ihr
Inneres: während die Menge ringsum scheu die Frau vermied, die breit und
fest in ihrem fahlen Kleid wie ein Stück Fels daffand, den Mund gepreßk,
die Augen ohne Zucken, ffand fie in sich so, wie sie sich träumend im Flam-
menspiegel erschaut hatte, jung und schmal unker der Wucht des goldenen
Haars, auf Zehen dcm walkenden Element entgegengereckk, den Mund halb
offen und feucht. Wieder und wieder in dem Reigen der Flammen erschien ihr
dic eigene tanzende Geffalk, rüstig hinauf und hinab schwingend durch ihr
brennendes Haus oder fortwehmd in die unendliche Macht.

Mir wenn Balken sich löffen, Gewänd sich neigte und laut donnernd ein
Sturz geschah, zuckte sic aus der Verzauberung zurück und erschrak; bald aber
nahm sie die wilde Macht wieder hin. Wenn Eimer und Schläuche einmal
die zischende Glut niedcrdrückten, wenn der große Schein cinmal in sich zurück-
sank und das prasselnde Krachen der Bernichkung sich ffillte, daß die Fackeln
der geschäftigen Retter lichter wurden, ihre Rufe verffändlich und ihre Ge-
ffalten mik Leikern und Geräk deutlich sichtbar, dann war ihr Herz beim be-
drängten Feuer, sie rief es und trieb es mit ungeduldigen Wünschen zu neuer
Gewalk und jubelte innen, wenn es sich groß übcr Qualm und Finffer erhob.
Sie harrte auf ihrer Stelle nahe am Brande, auch als die Hitze ihr die Hauk
schmerzen und springen ließ, der Rauch ihren 2lkem mühsam machte und die
klagenden und tröstenden Frauen sie fortzuziehen suchken. llnbewegk starrken
ihre Lränenden 2lugen ins Feuer, auch als sie geblendek waren und nichts
mehr von Haus und Flammen, Rauch und Mcnschen sahen, nur noch wehen-
den, übermächtigen Schei'n. Erst am Morgen, ni'chks als glimmende und
rauchende Trümmer von chrem BesiHtum zurücklassend, folgke sie dem Sohn
und den Männern der Wehr ins Dorf.

Dork nahm sie die Gafffrenndschaft ihrer Base an, bei der sie und der Sohn
hausen sollken, bis der eigene Hof wieder aufgeführt war. Kaum war die
Brandffätte erkaltet, fo fand fie sich ein, fföberte mit Skock und Händen im
Schutt und hiclt ffille Zwiesprach mit dem wenigen Hausrat, der sich noch zu
erkennen gab. Ein einziges Ding war ganz, was es gewesen war, schwarz
und verbogen zwar, doch unvcrsehrt: der eiserne Herd, der, so lange sie sich
entsinnen konnte, in der Küche geffanden haüe und in dem sie, nachks vor dem
Brand, das Papier hakke verflammen lassen. Sie hockte vor ihn hin und sah
lange durch die offenhangende Tür ins leere, erfforbene Innere.

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