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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1913)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0056

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Lose Blätter

Drei Sonette

von Max Alfred Vogel*

Im Dom

^till wuchs ich aus dem Marrnorgrund empor
>^Im Dom der Geister. Säulen sah ich ragen
Und Pfeiler, des Gewölbes Wucht zu tragen,

Das hoch im Ungewissen sich verlor.

Sacht hob mich noch der Spanndruck innerer Kraft.
Da sah ich mich in seltsamer Gemeine:

Rings standen Geister, größere und kleine,

Ein zwerghaft Volk, manch kümmerlicher Schaft.

Verwundert maß ich meinen Wuchs an jenen.

Die Fackel hoch, der Genius, mir zu eigen,

Trat her. Von rotem Flackerschein beschienen,

Nicht Säulen, Geister sah ich aufwärts steigen,

Und ihres Angesichts erhabne Mienen
Lrahnt ich droben hoch im ewgen Schweigen.

Alte Schuld

^v^-ir träumt, es fährt mein Schiff ganz nah am Strande
-^^Im blauen See, der weithin schimmernd ruht.
Durch bunte Wimpel spielt die Sonnenglut,

Rings dampfen warm die grellbeglänzten Lande.

Zwei Mädchen spr.ngen jach aus heißem Sande
And stürzen plätschernd in die klare Flut.

Am Wuchs erkenn ich sie, am Äbermut:

Sie ist's, nach der sich meine Sehnsucht spannte.

Wie flink durchrudert sie das kleine Stück,

Sie dreht und wendet wie ein Fisch so munter!

Schon ist sie da, hell jauchzt sie anf vor Glück,

Da sieht sie mich — ich beuge mich hinunter —

Versteinert, haltlos, stumm sinkt sie zurück

Und geht mit weiten offnen Angen langsam nnter.

Beethoven im Hades

C?^er letzte blasse Schein starb auf der Flut,

^Die schwer und schwarz und reglos glatt wie Stahl
Durch finstre Felsen kriecht zum weiten Tal,

Bis stumm am öden Strand der Nachen ruht.

* Aus „Neuen Gedichten", die eben bei Callwey in München erscheinen.

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