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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1913)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0116

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Freunden nach und nach zeigen. Heut das zum Märchen „Die Gänsemagd".
Ligentlich, wissen wir, ist's keine, es ist die arme Königstochter, die in
der Fremde als Gänsemagd dienen inuß. Wir erinnern uns ja: ihr Haar
ist so schön, daß der Hirtenbub ihr immer was ausrupfen will, wenn sie's
macht, aber dann spricht sie:

„Weh, weh Windchen,

Faß Kürdchen sein Hütchen,

Und laß 'n sich mit jagen,

Bis daß ich mich geflochten und geschnatzt,

And wieder aufgesatzt."

Und dann hat Kürdchen zu lausen — da hinten sehn wir's. Mit wieviel
heiterer Natürlichkeit und mit wie wenig Spaß- oder gar Witz-Macherei
isü das von Steinhausen erzählt! Es könnte manchem modischen Märchen-
illustrator zu denken geben.

Das „Laubenkoloniefest" von Franz Lichhorst, das unsre Ma-
schinengravüre jetzt „saisongemäß" vorführt, halte ich für eines der seltenen
Bilder, die nach verschiedenen Richtungen hin besonders gut sind. Ist
nicht die Komposition höchst malerisch und wirksam mit ihrer Fülle von
Licht- und Schattenspielen, die durch die Silhouette geordnet sind? Das
ist so eindrucksvoll, daß man zunächst nur auf die malerischen Werte
achtet. Aber das Bild ist auch eine gute Volksschilderung voll
mannigsaltigen Lebens und voller Humor. Die Musikanten aus ihrem
Kistenberg, die vergnügte Gesellschaft davor am Tisch, das Tänzerpaar und
sein Publikum, all das ist an charakteristischen und lustigen Zügen so reich,
daß man mit den Augen entdeckerisch drauf herumspazieren kann.

Zeitgemäß ist ja auch die Herbststimmung von Walter Rehns Ra-
dierung „Der Seitenweg". Wir denken auf Walter Rehns sehr eigentüm-
liche Kunst zurückzukommen; heute weiß die Ofsentlichkeit noch nichts von
ihr, aber die Zeit wird kommen, da man sie hoch bewertet. Unser heutiges
Blatt ist keins der sür ihn ganz besonders bezeichnenden, aber ein Blatt
voller Stimmung und Schönheit ist es trotzdem. Wie weht der Herbstwind
um diesen Weg, auf dem der einsame Lenau eben vorbeigewandert sein
könnte, wie kämpft's in der Luft, wie beben die Birken! Nnd wie das
gezeichnet ist! Die Strichführung in den Stämmen und Zweigen,
kann sie ausdrucksvoller sein? Auch hier ist das Stück Landschaft
nur benutzter Gegenstand, ist der Gehalt ganz etwas anderes als der
Vorwurf.

Die Zeichnung von Willy Geiger, „Arno Holz", die wir der
Besprechung des „Ignorabimus" nach einem Blatte aus „Licht und
Schatten" beifügen, mag man als „Maske" genießen. „Masken^
kommen unterm Einfluß von Iapan jetzt wieder gut auf, um von einem
Gesicht nur die „Essenz der Essenz" herauszuholen. Eben weil der Zeichner
darauf aufging, ist sie aber auch zeichnerisch interessant genug. Der Kopf
ist hier als plastische Form gefühlt, die Linien als solche sollen nichts
sagen, sie markieren nur die Modellierung mit an sich gleichgültigen
Parallelen. Wo sie aber einmal ins Intimere gehn, wie in den Pupillen
und aus den Mund, da geben sie auch sosort Ausdruck. Wie charakteristisch
das Ganze auch im Ausdruck ist, zeigt sich vielleicht gerade beim Lesen
des Aussatzes über „Ignorabimus".

Die Illustrationsbeilage über „Verzierungsarbeiten" und die
über „Heitere Denkmäler" gehören zu entsprechenden Aussätzen.

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