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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0199

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wirklich erfaßt haben, oder aus ihrer
Nachbarschaft das Tanzlegendchen —
was wäre dann in ihm aus dem
Zirkus für morgen geblieben? Die
alte Erkenntnis, daß der größten
Kunst das kleinste Mittel genügt,
spricht wirklich nicht zugunsten der
Mirakel-Kunst. Das „Theater der
Fünstausend" ist eine Veredelung
der alten Z ir k usp a n to nrim e,
zu der es nach all seinen Stilbe-
dingungen gehört, und als solche
mit viel Dank zu begrüßen. Aber
mit dem Theater hat es überhaupt
nur Berührungspunkte, keine dau-
ernde Gemeinsamkeit sür den, der
im Theater Vermittlung von Dich-
tung sucht. Weshalb man ja auch
keine Worte braucht.

Augenreiz gab es in Fülle. Alte
Bilder dämmerten mit blauen
Schatten und glommen mit roten
Wärmen aus. Eine Wohltat war's,
in den altertümlichen Gewändern
statt Statistengesichter mit Mimen-
salten Menschen aus dem Volke zu
sehn, die oft innerlich beteiligt waren.
In einzelnen Momenten (nicht in
allen) war die Forderung des
Augenblicks im Stück durch Rein-
hardts Regie meisterlich ersüllt. Die
schauspielerischen Leistungen waren
nicht schlecht, eine, die der Mary
Dietrich als Nonne, war groß. A

Warum ich in keine Kon-
zerte gehe?

/^chon östers ist über die Zu-
^lässigkeit von Mißbilligungs-
äußerungen aus der Zuhörerschast
gesprochen worden; fast immer mit
dem Ergebnis, daß Mißbilligungs-
äußerungen zwar grundsätzlich nicht
minder berechtigt wären als Bei-
fallsäußerungen, daß jedoch ratsam
sei, sie anf das äußerste zu be-
schränken: wenn nicht von Anstands
wegen so doch aus Achtung vor dem
Publikum, vor den Ausführenden,
und vor allem aus Achtung vor sich
selber.

Nachdem ich mir wiederholt mein
Teil dabei gedacht, ist mir einge-
sallen, warum ich nicht auch mein
Teil dazu sagen sollte. Ich bin
mit dem obengenannten Ergebnis,
man solle aus Taktgründen, An-
standsgründen und Achtungsgründen
Mißbilligungsäußerungen unterlas-
sen, durchaus einverstanden, wenn
es sich um Vorsührungen in einem
Privatzirkel, also in einem Salon,
handelt. Denn wenn ich mich in
einen Privatkreis begebe, so über-
nehme ich damit die Verpslichtung,
mich höflich aufzusühren. Mag
eine Sängerin noch so schrecklich
schreien, sie ist gleich mir der Gast
der Dame, die uns beide beehrt
hat — ich werde also manierlich
stillhalten; es kann mir vielleicht so-
gar gelingen, die Sängerin, die mich
soeben angeschrien hatte, über ihr
eleaantes Kleid zu bekomplemen-
tieren.

Äbernehme ich aber die näm-
liche Verpflichtung, wenn ich mich
in ein ösfentliches Konzert begebe?
Ich behaupte, nein. Ein öffentliches
Konzert ist eine anspruchsvolle An-
stistung; es behauptet durch seine
Anpreisungen, durch seine Inserate,
durch das Lintrittsgeld, das es sor-
dert, etwas Vorzügliches zu leisten;
leistet das Konzert Mittelmäßiges
oder Anerträgliches, so begeht es
mithin einen Vertragsbruch, minde-
stens eine Täuschung. Es ist auch
keine Dame des Hauses vorhanden,
der ich Ehrerbietung schuldete; ich
bin von niemand namentlich einge-
laden worden, ich habe nicht die
geringste persönliche Beziehung zu
den Konzertgebern, ich kenne sie
nicht und sie kennen mich nicht
und kümmern sich nicht um mich;
ich bin folglich jeder Rücksicht-
nahme enthoben, so daß mein Ur-
teil von jeder Hemmung befreit
ist. Ich sollte aber gleichwohl aus
den obengenannten Gründen, salls
mein Urteil abschätzend lautet, es
 
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